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Der Prozess der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Titelseite des 4. Buchabschnitts, der sich mit dem Prozess der Mediation näher auseinandersetzt. Dem Abschnitt sind folgende Kapitel zugeordnet:

Fachbuch Prozess Ziel Rahmen Radius Eignung Ablauf Regeln Parteien Störungen Ende

Worum es geht: Der mit dem vierten Buchabschnitt eröffnete Themenkreis setzt sich mit der Herangehensweise der Mediation auseinander. Die Mediation ist kein statisches Ereignis. Sie ist und erfordert einen Prozess. Mediation verstehen heisst, ein noch näher zu kennzeichnendes Verfahren zu verstehen bei dem alles um das Verstehen geht. Damit Sie den Verstehensprozess besser nachvollziehen können, setzt sich der vierte Abschnitt des Fachbuchs Mediation näher mit dem Vorgang der Mediation und ihrer Prozesshaftigkeit auseinander. Schon diese Wortwahl deutet an, dass sich die Mediation auf einer Bandbreite zwischen Vorgang, Prozess und Verfahren bewegt.


Einführung und Inhalt: Der Verfahrensbegriff wird mehrdeutig verwendet.
Grundsätzlich steht das Verfahren für einen geregelten, in Verfahrensschritte zerlegbaren, nachvollziehbaren und wiederholbaren Ablauf.1 Im juristischen Verständnis handelt es sich um eine Folge von Rechtshandlungen, die der Erledigung einer Rechtssache dienen oder um eine von Behörden bzw. Gerichten vorgenommene Untersuchung.2 Um die Rolle und Bedeutung des Verfahrensbegriffs für die Mediation herauszustellen, bedarf es einer klarstllenden Präzisierung.

Ist die Mediation ein Verfahren oder ein Prozess?

Wer die Mediation als ein Mediationsverfahren bezeichnet, ignoriert die Definition in § 1 Mediationsgesetz. Weil die Mediation dort bereits als ein Verfahren definiert ist, gibt es - zumindest auf den ersten Blick - keinen Grund für den Pleonasmus. Für einen Kenner hört er sich so an, als würden Sie ein Auto als KFZ-Auto bezeichnen. Auch die Anlehnung an den Begriff des Gerichtsverfahrens rechtfertigt nicht die sprachliche Analogie zum Mediationsverfahren. Totzdem hat sich der Pleonasmus auch in der Fachwelt etabliert. Er wird sogar in §2 Mediationsgesetz explizit verwendet. Ganz sicher wollte der Gesetzgeber damit herausstellen, dass die Mediation i.S.d. §1 Mediationsgesetz in der juristischen Verfahrenslandschaft mit einem Gerichtsverfahren ebenbürtig ist. Auch mag die gewählte Terminologie, wo einmal von der Mediation und ein anderes Mal von dem Mediationsverfahren die Rede ist, auf die Mehrdeutigkeit des Begriffs Mediation hinweisen. Eindeutig ist lediglich, dass der Begriff Mediationsverfahren nur das Verfahren iSd §1 Mediationsgesetz meint.

Die Verwirrung kommt auf, wenn die Mediation auch als ein Vorgang angesehen wird, der unabhängig vom Mediationsgesetz zu verwirklichen ist. Der erweiterte Mediationsradius unterscheidet deshalb die Mediation als Verfahren, das nicht dem Mediationsgesetz unterliegt von der Mediation als ein Verfahren i.S.d. Mediationsgesetzes und einer substantiellen Verwirklichung der Mediation, die ebenfalls kein statischer Vorgang ist. All jene Erscheinungsformen könnte mit dem Wort Prozess als Oberbegriff erfasst werden. Immerhin wird dieser Begriff auch in der EU-Direktive verwendet. Sie bezeichnet die Mediation als process (also als einen Prozess) und nicht als procedure (also als ein Verfahren).3

Um der sprachlichen Benennung näher auf den Grund zu gehen, sollte der Unterschied zwischen einem Prozess und einem Verfahren herausgestellt werden. Während ein Verfahren die geordnete Abfolge von Schritten zur Lösung eines Problems beschreibt, bezeichnet der Prozess eine fortlaufende Abfolge von miteinander verbundenen Aktivitäten, die zusammenarbeiten, um ein bestimmtes Ergebnis zu erzielen. Es handelt sich also auch bei einem Prozess um eine Abfolge von zielführenden Schritten. Im Gegensatz zum Verfahren betont der Prozess jedoch den dynamischen Aspekt der Aktivitäten und deren wechselseitige Beziehungen, was der Mediation näher kommt. Die kognitive Mediationstheorie beschreibt inneren Zusammenhang der Aktivitäten sehr genau. Man könnte den Unterschied so darstellen, dass das Verfahren eher die Schrittabfolge fokussiert, während der Prozess ihre Logik herausstellt. Gleichzeitig wird mit dem Wort Prozess zugleich die Prozesshaftigkeit der Mediation herausgestellt. Das ist wichtig, um die Mediation zu identifizieren.

 Merke:
Leitsatz 15667 - Die Verwendung meditativer Techniken macht aus einer Verhandlung noch lange keine Mediation. Eine Mediation kommt erst zustande, wenn die Techniken mit den Methoden und den funktionalen Einheiten in einem Prozess zusammengeführt werden!

Das Wort Prozess eignet sich, um die methodisch folgerichtige Verwendung der Mediation in anderen Containern (Verfahren oder Vorgängen) zu beschreiben. In Anlehnung an die Definition im Mediationsgesetz wird hier der Begriff Verfahren zur Beschreibung der Abläufe der Mediation verwendet. Der Begriff oder Prozess wird synonym genutzt. Der Mediationsprozess beschreibt also das Verfahren oder die Vorgehensweise, während der Begriff Mediationsverfahren immer nur das Verfahren i.S.d. Mediationsgesetzes meint.

Über den Begriff: Mediationsverfahren Containertheorie Mediationsradius

Der Kontext erschließt was gemeint ist

Im Englischen bedeutet das Wort Mediation zunächst einfach nur Vermittlung. Erst aus dem Kontext des Gesagten erschließt es sich, ob damit die Mediation als ein spezifisches Konfliktbeilegungsverfahren angesprochen sein soll. Das Deutsche möchte begrifflich gerne eindeutig sein. Deshalb deutet der bereits erwähnte Pleonasmus darauf hin, dass die Mediation - entgegen der absoluten Definition im Gesetz - offenbar doch noch mehr ist als nur ein Verfahren im juristischen Verständnis.4 Die Schlussfolgerung liegt umso näher, wenn der in der Definition verwendete Begriff des Verfahrens psychologisch konnotiert wird. Dann steht die durch den Vorgang ausgelöste Entwicklung, also die Vorgehensweise, im Vordergrund. Am deutlichsten wird der Unterschied, wenn die Mediation mit dem Verb mediieren umschrieben wird. Das Mediieren beschreibt eine Tätigkeit und ist deshalb der Vorgehensweise am Nächsten.

Dass die Vorgehensweise der Mediation gegenüber anderen Herangehensweisen der Konfliktbeilegung zu unterscheiden ist, belegt z.B. das aktive Zuhören. Dabei handelt es sich lediglich um eine Technik. Wenn sie mit einer Verhandlung vebunden wird, erzielt die Verhandlung bereits eine starke Wirkung. Sie mag sich dann wie eine Mediation anfühlen, ist aber nur eine Verhandlung mit aktivem Zuhören und noch lange keine Mediation. Das Gleiche gilt für die Verwendung anderer, sogenannter mediativer Techniken. Auch sie verbessern zweifellos die Verhandlungsqualität. Allerdings bewirkt auch ihre Anwendung alleine noch keine Mediation. Erst wenn sie sich zu einem Vorgang zusammenfügen lassen, der die Merkmale der Mediation aufweist, kann von einer Mediation gesprochen werden. Wann das der Fall ist und was dazu erforderlich ist, beantwortet der zur Identifikation einer Mediation vorgeschlagene Mediationscheck. Das Verfahren an und für sich ist jedenfalls kaum in der Lage, die Herangehensweise näher zu beschreiben. Es gibt lediglich einige Eckdaten vor.

Wann ist die Mediation eine Mediation?

Der Rahmen zeigt die Grenzen auf

Zu den Eckdaten zählt der Rahmen, in dem sich die Mediation verwirklichen lässt. Bitte beachten Sie, dass die Mediation noch vor dem Erlass des Mediationsgesetzes als eine Methode definiert wurde.5 Erst mit dem Mediationsgesetz wurde die Mediation als ein Verfahren festgeschrieben. Die Einordnung als Verfahren hat eine rechtliche Konsequenz. Nur wenn die Mediation als ein Mediationsverfahren, also als ein Verfahren im juristischen Verständnis ausgeführt wird, kommt das Mediationsgesetz zur Anwendung, im anderen Fall nicht.

Interessanterweise verwendet die EU Direktive 2008/52/EC vom 21.Mai 20086 in ihrer Definition der Mediation im Art 3 das englische Wort process. Das Wort process erlaubt in der Übersetzung eine Auswahl der Worte Prozess, Verlauf, Vorgang oder Verfahren. Die Originalübersetzung ins Deutsche hat den Begriff Verfahren gewählt.

Die Begriffe Prozess und Verfahren werden oft synonym verwendet. Im Volksmund wird der Begriff Prozess oft mit dem Gerichtsverfahren gleichgesetzt. Deshalb ist in der Gerichtssprache beispielsweise von dem Zivilprozess die Rede. Sie begegnen aber auch dem Begriff Zivilprozessverfahren.7 Mit der Festlegung, dass es sich bei der Mediation um ein Verfahren handeln soll, wird der Zugang zur Mediation nicht gerade erleichtet. Er erwartet, dass der Laie zu unterscheiden vermag, worüber sich sogar Fachleute nicht wirklich einig sind. Es geht um die Frage, was das Verfahren ausmacht und wie es sich genau gegenüber anderen Verfahren abgrenzen lässt.8

Verfahrensschema

Immerhin muss der Konsument ein Verfahren auswählen, um seinen Konflikt effizient lösen zu können. Kennt er die Zusammenhänge? Aus seiner Sicht geht es in erster Linie um strategische Erwägungen. Damit rückt das WIE in den Vordergrund. Das Verfahren soll ja auch etwas bewirken, sodass es zum Bestandteil seiner Konfliktstrategie werden kann.

Bei der Frage nach dem WIE kommt der Begriff der Methode auf und damit die Frage, ob und wie sich die Mediation im Verständnis eines Verfahrens von der Mediation im Verständnis einer Methode abgrenzt. Der naheliegende Unterschied ergibt sich aus den Rahmenbedingungen und dem Fokus auf den Vorgang. Mithin gilt der Grundsatz:

 Merke:
Leitsatz 3275 - Das Verfahren gibt den Rahmen vor. Die Methode füllt ihn aus!!!

Bitte beachten Sie, dass die Verwendung des Begriffs Verfahren im Folgenden nicht zwingend das Verfahren im juristischen Verständnis meint, das den später als Container bezeichneten äußeren Rahmen für die anzuwendende Methodik vorgibt und zur Anwendung des Mediationsgesetzes führt.

Abgrenzung Verfahren / Methode

Der Inbegriff erschließt die Bedeutung

Der Inbegriff des Verfahrens führt auf die Frage zurück, worum es genau geht in der Mediation. Es gibt verschiedene Vorstellungen darüber.9 Den Ausgangspunkt bildet die Vorgabe, dass die Parteien selbst (eigenverantwortlich) die Beilegung des Konfliktes anstreben sollen. Die Lösung, wie der Konflikt beizulegen ist, soll offen bleiben.10

Wenn die Parteien selbst die Lösung finden sollen, muss der dazu führende Prozess in deren Köpfen stattfinden. Sie müssen in der Lage sein, sich und den Gegner zu verstehen, damit sie sich auf den Konflikt einlassen und Lösungsangebote unterbreiten können, denen sie selbst und der Gegner zustimmen können. Solche Angebote sind möglich, wenn beide Parteien sich darin wiederfinden und den Vorteil für sich erkennen.

Die Mediation geht davon aus, dass der Mensch alle Probleme lösen kann, wenn er über die dazu nötigen Informationen verfügt. Es genügt oft nicht, die Informationen einfach zur Verfügung zu stellen. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Partei die Information akzeptiert und in ihren Kopf lässt, sodass sie ihre Gedanken darauf aufbauen kann. Genau darum geht es in der Mediation. Sie soll eine Klärung herbeiführen, die mit einem Erkenntnisgewinn einhergeht und den Parteien hilft, sich und den Gegner zu verstehen. Die Mediation basiert auf dem Menschenbild der humanistischen Psychologie, das davon ausgeht, dass die Parteien selbst in der Lage sind, die passende Lösung zu finden, wenn sie alles verstanden haben.11

Weil der kognitive Vorgang komplex ist und vielen inneren und äußeren Einflüssen unterliegt, formuliert die kognitve Mediationstheorie die Mediation als einen zum vollständigen Verstehen oder zur problemorientierten Erkenntnisgewinnung führenden Gedankengang. Der gedankliche Weg ist so konzipiert, dass alle Hindernisse, die dem Denken an eine konstruktive Lösung im Wege stehen, umgangen oder aus dem Weg geräumt werden.


Nach diesem Konzept beschreibt die Mediation sowohl einen Erkenntnisprozess wie einen Verstehensprozess, bei dem es darauf ankommt, die Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die dem Verstehen im Wege stehen oder die Erkenntnisse blockieren.

Der Gedankengang der Mediation

Die Voraussetzungen der Mediation

Das Mediationsverfahren (also die Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes) kann nicht willkürlich angeboten werden. Sie ist an Voraussetzungen geknüpft. Um die Voraussetzungen zu prüfen, sind folgende Fragen zu beantworten:

  1. Zulässigkeit: Besteht ein rechtliches Hindernis, das der Ausführung der Mediation im Wege steht?
  2. Geeignetheit: Ist die Mediation das zur Problemlösung geeignete Verfahren?
  3. Durchführbarkeit: Kann die Mediation in der vorgesehenen Form erfolgreich durchgeführt werden?
  4. Sinnhaftigkeit: Kann die Mediation, wenn sie erfolgreich durchgeführt wird, ihren Zweck erreichen?

Wenn die Mediation als formelle Mediation durchgeführt wird, die nicht dem Mediationsgesetz unterliegt, gelten die gleichen Anforderungen. Wenn die Mediation im erweiterten Mediationsradius lediglich als Methode in einem anderen Container durchgeführt wird, sind folgende Fragen zu beantworten:

  1. Kompatibilität: Sind die Methoden der Mediation mit dem Verfahren, in dem sie angewendet werden vereinbar?
  2. Integration: Wie lassen sich die Methoden und Techniken einbinden, ohne das Verfahren zu beeinträchtigen?

Nähere Ausführungen zu den Voraussetzungen einer Mediation i.S.d. Mediationsgesetzes und der methodischen Verwendung in anderen Verfahren finden Sie beispielsweise in den Ausführungen zum Güterichterverfahren und in den folgenden Beiträgen:

Geeignetheit des Verfahrens der Mediation Integration von Methoden der Mediation

Identifikationsmerkmale der Mediation

Um das Verfahren der Mediation beschreiben zu können, muss klar sein, was dort vor sich geht, was abläuft und was sich wie zu entwickeln hat, damit die Mediation erfolgreich verlaufen kann. Mit diesen Anforderungen wird ein Vorgang definiert. Die Mediation gestaltet sich also als ein Prozess, egal in welchem Container sie ausgeführt wird. Um den Vorgang zu beschreiben, lässt sich das Verfahren nach verfahrensbezogenen, personenbezogenen und ablaufbezogenen Eckdaten spezifizieren. Die Eckdaten ergeben die Handlungsanforderungen an den Mediator. Sie werden zur besseren Kontrolle in den Benchmarks abgebildet.

1. Verfahrensbezogene Leistungsmerkmale

Unabhängig von dem durch den Mediationsradius vorgegebenen Kontext wird die Mediation durch folgende, auf den Vorgang bezogene Merkmale gekennzeichnet.

Der Verfahrensschwerpunkt
Jedes Verfahren ist so gut wie sein Fokus. Die Mediation legt den Fokus auf den Prozess an und für sich wobei der Fokus des Prozesses auf den Nutzen gerichtet ist. Der Mediator denkt prozessorientiert. Er weiß, dass sich das Ergebnis der Mediation aus dem Prozess heraus entwickelt. Der Schwerpunkt der Mediation ist der zu erwartende Nutzen.

Fokusse und Schwerpunkte Nutzenorientierung

 Merke:
Leitsatz 3791 - Die Mediation ist ein nutzenorientiertes Verfahren. Der Verfahrensschwerpunkt liegt deshalb auf der Nutzenermittlung. Der Nutzen erschließt sich über die Interessen (Motive) und ergibt die Kriterien für die zu findende Lösung.
Der Verfahrensgegenstand
Wenn die Mediation eine Konfliktbeilegung oder gar Konfliktauflösung ist, dann sollte der Gegenstand mit dem Konflikt übereinstimmen. Der Gegenstand, über den in der Mediation verhandelt wird, ist das zu regelnde Problem oder der beizulegende Konflikt. Gegenstand der Mediation ist also eine Regelung, mit der sich der Streit oder der Konflikt erledigt. Das Gesetz erwähnt in §3 Mediationsgesetz die "Sache". In der konsequenten Versachlichungslogik wird die Sache durch den Streitgegenstand festgelegt. Dieser wiederum ergibt sich aus dem (Klage-)antrag. In der Mediation wird die zu regelnde Angelegenheit über die Themen definiert. Sie werden nicht wie im Gerichtsprozess vorgegeben sondern erst in der Phase zwei gesammelt und gemeinsam festgelegt. Bittet man die Parteien die Themen zu nennen über die (sonst noch) zu reden sei, wird schnell deutlich, dass da mehr ist als nur die behauptete, den Prozess auslösende Forderung. Die Festlegung des Gegenstandes ist ein wichtiger Schritt in der Mediation. Er bedarf besonderer Aufmerksamkeit.

Streit- und Konfliktgegenstand

 Merke:
Leitsatz 3792 - Der Gegenstand des Verfahrens wird in der Mediation nicht vorgegeben, sondern mit den Parteien erarbeitet. Er orientiert sich an den Fragen, die zu klären sind, damit der Konflikt insgesamt oder zu einem festgelegten Teil gelöst werden kann.
Die Verfahrensreichweite
Die Reichweite eines Verfahrens zur Konfliktbeilegung oder zur Konfliktauflösung betrifft die Frage, wie nahe der Mediator und die Parteien dem Epizentrum des Konfliktes kommen (sollen und dürfen). Die Reichweite des Verfahrens ergibt sich aus der Konfliktkongruenz. Die maximale Reichweite entspricht der vollständigen Konfliktauflösung. Die Reichweite entscheidet darüber, ob und inwieweit das Verfahren zur Konfliktlösung beigetragen hat. Sie errechnet sich aus den Faktoren: Fokus, Thema und Tiefgang des Verfahrens.

Reichweite Konfliktkongruenz Abgrenzungen 

 Merke:
Leitsatz 3793 - Das Verfahren zielt auf eine vollständige Konfliktlösung
Die Verfahrenskompetenz
Die Mediation wird als ein Superverfahren angesehen,12 deren Genialität sich aus einer ihr eigenen Verfahrenskompetenz ableitet. Die Verfahrenskompetenz ist ein Teil der Mediationskompetenz. Auch wenn es schwer fällt, den Begriff der Kompetenz auf ein Konstrukt zu beziehen, das selbst nicht handeln und denken kann, verfügt die Mediation doch über eine Fähigkeit, die aus sich heraus eine Wirkung entfaltet. Ihre Fähigkeit zeichnet sich dadurch aus, dass sie einen gedanklichen Weg zur Verfügung stellt, der selbstregulierend organisiert ist und alle Hindernisse umgeht oder aus dem Weg räumt, die einer Lösungsfindung im Wege stehen. Würde die Mediation selbst handeln können, bräuchte sie keinen Mediator. Die wichtigste Aufgabe des Mediators besteht deshalb darin, die Wirkungen des Verfahrens der Mediation zur Geltung zu bringen.

Verfahrenskompetenz

2. Personenbezogene Merkmale

Die Mediation ist ein Verfahren auf gleicher Augenhöhe. Die Konfliktlösung wird (zunächst) individuell für jeden Beteiligten ermittelt. Mithin hängt die vollständige Konfliktlösung ganz wesentlich davon ab, dass alle Konfliktbetroffenen einbezogen werden. Die Frage ist nicht immer leicht zu beantworten. Wer ist eigentlich die Partei in einer Mediation? Schon der Gesetzgeber hat in der Begründung zum Mediationsgesetz ausgeführt, dass die Bezeichnung Parteien untechnisch zu verstehen sei und dass eigentlich Beteiligte gemeint seien. Beteiligte sind die von Amts wegen zu berücksichtigenden Personen. In der Mediation ist auch dieser Begriff ungenau. Zutreffend ist jedoch, dass alle am Konflikt beteiligten Personen beteiligt sein sollten. Wer das ist, ergibt die Konfliktanalyse. Die verhandelnden Parteien werden als Medianden bezeichnet. Näheres über die Rolle der Beteiligten und die Voraussetzung für die Teilnahme an der Mediation entnehmen Sie bitte den Ausführungen über die Parteien und die Voraussetzungen.

Parteien Mediator

 Merke:
Leitsatz 3794 - In der Mediation gibt es keine Hierarchie.

3. Ablaufbezogene Merkmale

Neben den verfahrensbezogenen Merkmalen kennzeichnet die mediative Vorgehensweise Handlungs- und Erkenntnisschritte, die sich generell wie folgt zusammenfassen lassen.

Der Start der Mediation
Schon längst ist die Frage nach dem Beginn der Mediation aufgekommen. Beginnt sie mit dem ersten Kontakt, der meist ein Einzelgespräch mit einem der Auftraggeber ist, oder sogar schon vorher mit der Akquise, beginnt sie erst nachdem der Mediationsvertrag geschlossen wurde oder sogar erst nach dem Abschluss der Mediationsdurchführungsvereinbarung? Der Versuch, diese Frage zu beantworten verdeutlicht die Relevanz der Frage, was das Verfahren der Mediation überhaupt ist. Wenn es ein juristisch konnotierter Begriff ist, beginnt es mit dem dazu führenden Rechtsakt. Wenn es eher im Sinne eines Vorganges verstanden. wird, beginnt es durchaus mit dem ersten, den Vorgang auslösenden Akt, nämlich der Akquise.

Spätestens mit der ersten Kontaktaufnahme zu einer der Parteien kommt es zu mediationsrelevanten Handlungen und Überlegungen. Oft wird die Frage gestellt, wie es gelingt, die Zustimmung des Gegners für das Verfahren einzuholen und ihn zur Mediation einzuladen. Kann man sich einfach hinsetzen und ein Gespräch führen oder bedarf es der Vorbereitung und Planung? Im Verständnis der Mediation zählen diese Vorbereitungen durchaus zur Mediation. Sie werden als Phase null bezeichnet.

Mediationsbeginn Starthilfe

 Merke:
Leitsatz 3795 - Beginn und Ende der Mediation ergeben sich aus den Handlungen des Mediators und der Parteien.
Der Verlauf der Mediation
Die Phasen sind der Wegweiser durch die Mediation. Sie sind ein Teil der Struktur und sagen dem Mediator und den Parteien genau, was zu tun ist. Gängig ist ein 5-phasiges Modell. Es gibt aber Phasenmodelle mit einer anderen Zählung, wo bis zu 13 Phasen genannt werden.

  • Phase 1: Rahmen herstellen
  • Phase 2: Streit ermitteln
  • Phase 3: Nutzenserwartung ermitteln, verstehen vermitteln
  • Phase 4: Lösungen suchen und bewerten
  • Phase 5: Manifestation durch Einigung

Das nebenstehende Schema veranschaulicht die Ziele, Aufgaben und Elemente der Phasen und belegt das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis. Jede Phase hat einen eigenen Charakter. Im Zusammenspiel erzeugen sie eine Spannung, aus der sich der Erkenntnisflow ergibt, mit dem sich die Lösung herstellt.

Ablauf / Phasen der Mediation

 Merke:
Leitsatz 3796 - Die Phasen ergeben den Auftrag an den Mediator (und die Parteien), was konkret zu tun ist, damit sich der Erkenntnisprozess hinter der Mediation verwirklichen kann.
Die Herangehensweise der Mediation
Wenn die Parteien mit dem Mediator reden, obwohl er weder Entscheider noch Meinungsbildner ist, macht nur dann einen Sinn, wenn es darum geht, verstehen zu vermitteln. Die Arbeitsschritte beziehen sich also im Kern auf:
Leistungszuordnung
  • Verstehen: Der Mediator versucht zu verstehen, was die Partei meint.
  • Vermitteln: Der Mediator vermittelt der Gegenseite, was er verstanden hat.
  • Verhandeln: Die Verstehensvermittlung ermöglicht das Verhandeln über die Lösung.

Die Arbeitsschritte werden entsprechend der nebenstehenden Grafik den Phasen zugeordnet. Die Phasen sind Etappen des durch das Verfahren beschriebenen Weges, denen Methoden zugeordnet werden können. Diese Zuordnung kommt der Definition entgegen, wo Methoden als die kleinsten Einheiten eines Verfahrens beschrieben werden.13

Die Phasenlogik

Das Ziel der Mediation
Jeder Schritt verfolgt ein eigenes Ziel. Die Etappenziele ergeben - wenn man so will - den Arbeitsauftrag an den Mediator. In der Summe (Sequenz) führen sie das Ziel der Mediation herbei. Oft wird das Ziel der Mediation mit dem Herbeiführen einer Vereinbarung verwechselt. Tatsächlich gibt es auch erfolgreiche Mediationen, die nicht in einer Vereinbarung enden, wohl aber im Einigsein, in der Beziehungsheilung oder der realen Konfliktüberwindung.

 Merke:
Leitsatz 3276 - Das Ziel der Mediation ist es, eine Lösung zu finden. Die Betonung liegt auf FINDEN. Der Weg ist somit eine SUCHE!

Es ist wichtig, den Fokus auf das Finden der Lösung zu setzen. Nur so lässt es sich verhindern, dass es zu "Einigungen um jeden Preis" kommt14 . Die Mediation endet nicht im Kompromiss, sondern in einem Konsens. Ihr Auftrag ist es, eine Lösung 'zu finden'. Die Einigung ist deshalb bereits die Umsetzung des Ziels (der gefundenen Lösung). Eine Einigung, die nicht auf einer Lösungsfindung beruht, ist keine Einigung im Sinne einer Mediation! So betrachtet ist die (Abschluss-)Vereinbarung lediglich die Manifestation der gefundenen Lösung.

Ziel und Verfahrenszweck der Mediation

Der Abschluss der Mediation
Wegen des Grundsatzes der Freiwilligkeit können die Parteien jederzeit die Beendigung der Mediation herbeiführen. Wenn die Mediation wie geplant verläuft, erreicht sie ihr Ziel. Die Parteien haben eine Lösung gefunden, die beide Seiten zufrieden stellt und die sie in einer Abschlussvereinbarung manifestieren. Ob es eine gute Lösung ist oder nicht entscheiden ausschließlich die Parteien. Wenn die Mediation ordnungsgemäß durchgeführt wurde haben Sie die Kriterien für die Lösung in Phase drei erarbeitet. Der Mediator wird Ihnen helfen sich zu vergewissern, dass die Abschlussvereinbarung diese Kriterien erfüllt.

Beendigung der Mediation Die gefundene Lösung

 Merke:
Leitsatz 3797 - Die Mediation ist beendet, wenn sie als beendet deklariert oder nicht fortgesetzt wird. das Ende der Mediation ist nicht gleichzusetzen mit dem Ende der Verhandlungen.
Störungsanfälligkeit
Die Mediation ist eine höcht menschliche Angelegenheit. Menschen arbeiten miteinander, um eine Lösung zu finden. Wir finden die Störungen also eher im menschlichen Berich als in der Mediation selbst, wenn sie korrekt ausgeübt wird. Die Störungen sind von den Prozesshindernissen zu unterscheiden. Sie machen sich dadurch bemerkbar, dass der für die kognitive Mediation typische Flow nicht zustandekommt oder dass der Zugang zu lösungsführenden Gedanken behindert wird. Es ist ein komplexes Phänomen, das mehrere Beiträge erfordert, die über die nachfolgende Seite Störungen, Herausforderungen und Hindernisse zugänglich sind.

Störungen, Herausforderungen und Hindernisse

Der prozessuale Fokus

Der prozessuale Fokus verleitet dazu, den Blick auf das zu lenken, was hinten herauskommen soll. Manche sehen das Ziel in der Lösung, weshalb sie die Mediation als ein lösungsorientiertes Verfahren ansehen. Andere setzen den Fokus auf das Ergebnis, weshalb sie das Ziel darin sehen, eine Abschlssvereinbarung herbeizuführen. Die Mediation ist zumindest nach der kognitiven Mediationstheorie ein prozessorientiertes Verfahren, das den Fokus auf den (zu erwartenden) Nutzen lenkt. Die Lösung ergibt sich daraus und die Abschlussvereinbarung wiederum ergibt sich daraus. Die Mediation verwirklicht sich, wenn der Fokus auf den Nutzen gelenkt wird, die Lösung als das Ziel betrachtet wird und die Abschlussvereinbarung als das Ergebnis. In dieser Logik wird verhindert, dass eine Abschlussvereinbarung oder eine Lösung um jeden Preis herbeigeführt wird.


Der Fokus in der Mediation und anderen Verfahren Die Einordnung des Ziels

Dieses Youtube-Video zeigt einen Ausschnitt aus einer Mediationsausbildung, in der der Referent, Arthur Trossen, die Phasen als ein wesentliches Element der Mediation darstellt. Trossen vertritt die Auffassung, dass allein die korrekte Prozessdurchführung in der Lage ist, die Gedanken der Parteien in eine konstruktive Richtung zu lenken, wo sich emergente Lösungen finden lassen. Die Phasen sind Teil der Mediationslogik. Sie beschreiben den folgerichtigen Ablauf des Gedankenganges in der Mediation. Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Es wurde im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Der Prozess der Mediation

Bedeutung für die Mediation

Um die Mediation zu verstehen, muss ihre Logik verstanden sein. Sie ergibt sich aus der Kognitionstheorie und erschließt sich aus der Themenlogik, der Phasenlogik, der Konfliktdynamik und der Erkenntnislogik, die in der Mediation zusammengeführt werden. Die Theorie erschließt die Mediation als einen Kognitionsprozess.15

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2024-02-23 21:15 / Version 317.

Aliase: Mediieren, Verstehensprozess, Verfahren oder Methode, Verfahren und Methode, Etappenziele, Verfahren-Mediation
Siehe auch: Phase 5, Abschlussvereinbarung, Ablauf. Dort finden Sie auch einen Videovortrag über die Phasen.
Geprüft:

3 Siehe article 3 Richtlinie 2008/52/EG
5 Trossen (un-geregelt) - 2019-05-13, Seite 71; BT-Drucks. 16/3655, Seite 50
8 Siehe dazu auch die Ausführungen zum Marketing, woraus sich ebenfalls ein Angrenzungsbedarf ergibt.
10 Siehe den Grundsatz der Offenheit (Lösungsoffenheit)
11 Siehe dazu die Ausführungen zum Mediationsverständnis und zu den Mediationkonzepten
13 Ausführlich dazu siehe Mediation-Methodik


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag März 19, 2024 08:20:19 CET.

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