Mediation verstehen heisst, ein Verfahren zu verstehen bei dem alles um das Verstehen geht. Damit Sie den Verstehensprozess besser nachvollziehen können, setzt sich das vierte Buch näher mit dem Vorgang der Mediation und ihrer Prozesshaftigkeit auseinander.
Inhaltsverzeichnis
Das Mediieren
Wer die Mediation als Mediationsverfahren bezeichnet, ignoriert die Definition in § 1 Mediationsgesetz. Weil die Mediation dort bereits als ein Verfahren definiert ist, gibt es keinen Grund für den Pleonasmus. Für einen Kenner hört er sich an, als wenn Sie ein Auto als KFZ-Auto bezeichnen. Auch die Anlehnung an den Begriff des Gerichtsverfahrens rechtfertigt nicht die sprachliche Verwendung.
Über den Begriff: Mediationsverfahren
Der Kontext
Im Englischen bedeutet das Wort Mediation zunächst einfach nur Vermittlung. Erst aus dem Kontext des Gesagten erschließt es sich, ob damit die Mediation als ein spezifisches Konfliktbeilegungsverfahren angesprochen sein soll. Das Deutsche möchte begrifflich gerne eindeutig sein. Deshalb deutet der bereits erwähnte Pleonasmus1 darauf hin, dass die Mediation - entgegen der absoluten Definition im Gesetz - offenbar doch noch mehr ist als nur ein Verfahren im juristischen Verständnis.2 Die Schlussfolgerung liegt umso näher, wenn der in der Definition verwendete Begriff des Verfahrens psychologisch konnotiert wird. Dann steht die durch den Vorgang ausgelöste Entwicklung, also die Vorgehensweise, im Vordergrund. Am deutlichsten wird der Unterschied, wenn die Mediation mit dem Verb mediieren umschrieben wird. Das Mediieren beschreibt eine Tätigkeit und ist deshalb der Vorgehensweise am Nächsten. Dass die Vorgehensweise der Mediation gegenüber anderen Herangehensweisen bei der Konfliktbeilegung zu unterscheiden ist, belegt z.B. das aktive Zuhören. Es handelt sich lediglich um eine Technik. Sie hat aber bereits eine starke Wirkung. Das Gleiche gilt für die Verwendung anderer, sogenannter mediativer Techniken. Sie verbessern zweifellos die Verhandlungsqualität. Ihre Anwendung alleine bewirkt jedoch noch keine Mediation. Erst wenn sie sich zu einem Vorgang zusammenfügen lassen, der die Merkmale der Mediation aufweist, kann von einer Mediation gesprochen werden. Wann das der Fall ist und was dazu erforderlich ist, beantwortet der zur Identifikation einer Mediation vorgeschlagene Mediationscheck.
Wann ist die Mediation eine Mediation?
Festlegung des Rahmens
Das Mediieren kann die Vorgehensweise eines Verfahrens ebenso gut beschreiben wie die einer Methode. Bitte beachten Sie, dass die Mediation noch vor dem Erlass des Mediationsgesetzes als Methode definiert wurde.3 Spätestens mit dem Erlass dieses Gesetzes wurde die Festlegung, ob die Mediation als Methode oder als Verfahren angewendet wird, unumgänglich. Die Unterscheidung hat eine rechtliche Konsequenz. Im einen Fall kommt das Mediationsgesetz zur Anwendung, im anderen Fall nicht.
Interessanterweise verwendet die EU Direktive 2008/52/EC vom 21.Mai 20084
in der Definition der Mediation im Art 3 das englische Wort process, das eine Auswahl der Worte Prozess, Verlauf, Vorgang oder Verfahren zur Übersetzung anbietet. Die Originalübersetzung ins Deutsche verwendet jedoch bereits den Begriff Verfahren. Die Begriffe Prozess und Verfahren werden oft synonym verwendet. Beide beschreiben einen Vorgang. Bei dem Prozess steht das WAS im Vordergrund bei dem Verfahren das WIE. Im Vergleich mit der Gerichtssprache ist von dem Zivilprozess die Rede. Sie begegnen sogar den Begriff Zivilprozessverfahren.5
Interessanterweise unterscheidet die Zivilprozessordnung zwischen den Vorschriften, die die Rahmenbedingungen betreffen und denen, die das Verfahren betreffen. Abschnitt drei des ersten Buches der Zivilprozessordnung trägt deshalb die Überschrift Verfahren. Analog dazu. Im Interesse einer begrifflichen Eindeutigkeit, wurde dieser Teil des Buches mit dem Titel Verfahren der Mediation überschrieben, weil es in diesem Zusammenhang darauf ankommt, die Vorgehensweise innerhalb der Mediation, also ihre Verfahrensweise, näher zu untersuchen.
Obwohl das Mediationsgesetz nicht nur den Vorgang der Mediation, sondern auch die Rahmenbedingungen festlegt, wird die Entscheidung für die Mediation regelmäßig als eine Entscheidung für ein nachzufragendes Verfahren ausgeprägt. Auch wenn die Verwendung des Begriffsprozess unzutreffender ist, soll die Wortwahl möglicherweise den Unterschied zu einem Gerichtsprozess herausstellen. Diese Vermutung basiert auf der Unterstellung dass der Prozess oft mit einem Gerichtsprozess assoziiert wird. Allerdings verdeutlicht der auf das Verfahren gerichtete Fokus auch, warum ein Laie kaum in der Lage ist, zu entscheiden, worüber sich sogar Fachleute nicht einig sind (nämlich, wie sich die Verfahren gegeneinander genau abgrenzen)6 . Aus der Sicht des Betroffenen geht es in erster Linie um strategische Erwägungen. Damit rückt das WIE in den Vordegrund. Immerhin soll das Verfahren ja auch etwas bewirken, sodass es zum Bestandteil seiner Konfliktstrategie wird. Für den, der das Verfahren anbietet, ist es eine Möglichkeit das Verhalten des Betroffenen zu steuern, um es an den Eckpunkten Anlass, Ergebnis und Wirkung auszurichten.
Die Unterscheidung zwischen dem Prozess und dem Verfahren hat eher eine terminologische Bedeutung. Die Unterscheidung zwischen dem Verfahren und der Methode jedoch eine juristische. Wenn die Mediation als Verfahren durchgeführt wird, ist das Mediationsgesetz anwendbar. Wird die Mediation als Methode durchgeführt, ist es nicht anwendbar. In diesem Fall gibt ein anderes Verfahren den Rahmen vor. Mithin gilt der Grundsatz:
Merke:
Wenn im Folgenden der Begriff Verfahren verwendet wird, ist nicht zwingend das Verfahren im juristischen Verständnis gemeint, das den Container für die anzuwendende Kompetenz oder Methodik vorgibt. Im Fokus dieser Ausführungen steht der Vorgang, der sich in der Mediation als Erkenntnisprozess verwirklicht.
Abgrenzung Verfahren / Methode
Identifikationsmerkmale
Das Verfahren lässt sich nach den folgenden Kriterien spezifizieren:
- Verfahrensbezogene Leistungsmerkmale
- Personenbezogene Merkmale
- Ablaufbezogene Merkmale
Die Kriterien ergeben die Handlungsanforderungen an den Mediator. Sie werden zur besseren Kontrolle in den Benachmarks abgebildet.
Verfahrensbezogene Leistungsmerkmale
Unabhängig von dem durch den Mediationsradius vorgegebenen Rahmen wird die Mediation durch folgende auf den Vorgang bezogene Merkmale gekennzeichnet.
Der Verfahrensschwerpunkt
Jedes Verfahren ist so gut wie sein Fokus. Die Mediation legt den Fokus auf den Prozess an und für sich wobei der Fokus des Prozesses auf den Nutzen gerichtet ist. Der Mediator weiß, dass sich das Ergebnis aus dem Prozess heraus entwickelt. Der Schwerpunkt der Mediation ist die Nutzen.
Schwerpunkt Nutzenorientierung
Merke:
Der Verfahrensgegenstand
Wenn die Mediation eine Konfliktbeilegung oder gar Konfliktauflösung ist, dann sollte der Gegenstand mit dem Konflikt übereinstimmen.
Der Gegenstand, über den in der Mediation verhandelt wird, ist das zu regelnde Problem oder der zu regelnde Konflikt. Gegenstand der Mediation ist also eine Regelung, mit der sich der Streit oder der Konflikt erledigt. Das Gesetz erwähnt in §3 Mediationsgesetz die "Sache". In der konsequenten Versachlichungslogik wird die Sache durch den Streitgegenstand festgelegt. Dieser wiederum ergibt sich aus dem (Klage-)antrag. In der Mediation wird die zu regelnde Angelegenheit über die Themen definiert. Sie werden erst in Phase 2 gesammelt und gemeinsam festgelegt. Bittet man die Parteien die Themen zu nennen über die (sonst noch) zu reden sei, wird schnell deutlich, dass da mehr ist als nur die behauptete Forderung. Die Festlegung des Gegenstandes ist ein wichtiger Schritt in der Mediation. Er bedarf besonderer Aufmerksamkeit.
Streit- und Konfliktgegenstand
Merke:
Die Verfahrensreichweite
Die Reichweite eines Verfahrens zur Konfliktbeilegung oder zur Konfliktauflösung betrifft die Frage, wie nahe der Mediator und die Parteien dem Epizentrum des Konfliktes kommen (sollen und dürfen).
Die Reichweite des Verfahrens ergibt sich aus der Konfliktkongruenz. Die maximale Reichweite entspricht der vollständigen Konfliktauflösung. Die Reichweite entscheidet darüber, ob und inwieweit das Verfahren zur Konfliktlösung beigetragen hat. Sie errechnet sich aus den Faktoren: Fokus, Thema und Tiefe des Verfahrens.
Reichweite Konfliktkongruenz Abgrenzungen
Merke:
Personenbezogene Merkmale
Die Mediation ist ein Verfahren auf gleicher Augenhöhe, trotz unterschiedlicher Funktionen.
Bei der Mediation wird die Konfliktlösung individuell für jeden Beteiligten ermittelt. Mithin hängt die Frage der Konfliktlösung ganz wesentlich davon ab, dass alle Konfliktbetroffenen einbezogen werden. Die Frage ist nicht immer leicht zu beantworten. Wer ist eigentlich die Partei in einer Mediation? Schon der Gesetzgeber hat in der Begründung zum Mediationsgesetz ausgeführt, dass die Bezeichnung Parteien untechnisch zu verstehen sei und dass eigentlich Beteiligte gemeint seien. Auch dieser Begriff ist unzutreffend. In der Mediation können die Parteien verschiedene Rollen und Qualitäten aufweisen. Zu differenzieren sind: Vertragsparteien, Prozessparteien, Streitparteien, Konfliktparteien. Hinzu kommen die soegenanten Dritten wie zum Beispiel: Zeugen, Gutachter, Rolle von Kindern in der Mediation, Mediationsgeister und nicht zu vergessen, die Beistände und der Anwalt in der Mediation.
Wer ist jetzt der Mediand und was ist ein Mediator?
Merke:
Ablaufbezogene Merkmale
Neben den verfahrensbezogenen Merkmalen kennzeichnet die mediative Vorgehensweise Handlungs- und Erkenntnisschritte, die sich wie folgt zusammenfassen lassen.
Der Start der Mediation
Schon längst ist die Frage nach dem Beginn der Mediation aufgekommen. Beginnt sie mit dem ersten Kontakt, der meist ein Einzelgespräch mit einem der Auftraggeber ist, oder sogar schon vorher mit der Akquise? Oder beginnt sie erst nachdem der Mediationsvertrag geschlossen wurde oder sogar erst nach der Mediationsdurchführungsvereinbarung? Wie gelingt es, die Zustimmung des Gegners für das Verfahren einzuholen und ihn zur Mediation einzuladen? Kann man sich einfach hinsetzen und ein Gespräch führen oder bedarf es der Vorbereitung und Planung? Wenn es eine professionelle Mediation sein soll, befinden wir uns in "0.Phase" mit der die Mediation vorbereitet wird. Der Mediator muss die Verfahrenswahl der Parteien und die Geeignetheit der Mediation in jedem Fall selbst prüfen.
Merke:
Der Verlauf der Mediation
Die Phasen sind der Wegweiser durch die Mediation. Sie sind ein Teil der Struktur und sagen dem Mediator und den Parteien genau, was zu tun ist.
Gängig ist ein 5-phasiges Modell:
- Phase 1: Rahmen herstellen
- Phase 2: Streit ermitteln
- Phase 3: Nutzenserwartung ermitteln, verstehen vermitteln
- Phase 4: Lösungen suchen und bewerten
- Phase 5: Manifestation durch Einigung
Das nebenstehende Schema veranschaulicht die Ziele, Aufgaben und Elemente der Phasen und belegt das sich daraus ergebende Spannungsverhältnis.
Es gibt aber Phasenmodelle mit einer anderen Zählung. Jede Phase hat einen eigenen Charakter. Im Zusammenspiel erzeugen sie eine Spannung, aus der sich der Erkenntnisflow ergibt, mit dem sich die Lösung herstellt.
Merke:
Leistungszuordnung
Wenn die Parteien mit dem Mediator reden, obwohl er weder Entscheider noch Meinungsbildner ist, macht nur dann einen Sinn, wenn es darum geht, verstehen zu vermitteln. Die Arbeitsschritte beziehen sich also im Kern auf:
- Verstehen: Der Mediator versucht zu verstehen, was die Partei meint.
- Vermitteln: Der Mediator vermittelt der Gegenseite, was er verstanden hat.
- Verhandeln: Die Verstehensvermittlung ermöglicht das Verhandeln über die Lösung.
Die Arbeitsschritte werden entsprechend der nebenstehenden Grafik den Phasen zugeordnet.
Das Ziel der Mediation
Jeder Schritt verfolgt ein eigenes Ziel. Die Etappenziele ergeben - wenn man so will - den Arbeitsauftrag an den Mediator.
Schritte: | Anlass | Gegenstand | Ziel | Ergebnis | Wirkung |
Phasen: | Phase 1 | Phase 2 | Phase 4 | Phase 5 | Phase 3 |
Etappenziele: | Rahmen etablieren | Streit identifizieren | Lösung finden | Umsetzung in Vereinbarung | Nutzen als Maßstab |
Das Ziel der Mediation wird oft mit dem Herbeiführen einer Vereinbarung verwechselt. Tatsächlich gibt es auch erfolgreiche Mediationen, die nicht in einer Vereinbarung enden, wohl aber im Einigsein.
Merke:
Es ist wichtig, den Fokus auf das Finden der Lösung zu setzen. Nur so lässt es sich verhindern, dass es zu "Einigungen um jeden Preis" kommt7 . Die Mediation endet nicht im Kompromiss, sondern in einem Konsens. Ihr Auftrag ist es, eine Lösung 'zu finden'. Die Einigung ist deshalb bereits die Umsetzung des Ziels (der gefundenen Lösung). Eine Einigung, die nicht auf einer Lösungsfindung beruht, ist keine Einigung im Sinne einer Mediation! So betrachtet ist die (Abschluss-)Vereinbarung lediglich die Manifestation der gefundenen Lösung.
Ziel und Verfahrenszweck der Mediation
Der Abschluss der Mediation
Wegen des Grundsatzes der Freiwilligkeit können die Parteien jederzeit die Beendigung der Mediation herbeiführen. Wenn die Mediation wie geplant verläuft, erreicht sie ihr Ziel. Die Parteien haben eine Lösung gefunden, die beide Seiten zufrieden stellt und die sie in einer Abschlussvereinbarung manifestieren. Ob es eine gute Lösung ist oder nicht entscheiden ausschließlich die Parteien. Wenn die Mediation ordnungsgemäß durchgeführt wurde haben Sie die Kriterien für die Lösung in Phase drei erarbeitet. Der Mediator wird Ihnen helfen sich zu vergewissern, dass die Abschlussvereinbarung diese Kriterien erfüllt.
Beendigung der Mediation Die gefundene Lösung
Merke:
Leitsatz 3797 - Die Mediation ist beendet, wenn sie als beendet deklariert oder nicht fortgesetzt wird. das Ende der Mediation ist nicht gleichzusetzen mit dem Ende der Verhandlungen.
Bedeutung für die Mediation
Um die Mediation zu verstehen, muss ihre Logik verstanden sein. Sie ergibt sich aus der Kognitionstheorie und erschließt sich aus der Themenlogik, der Phasenlogik, der Konfliktdynamik und der Erkenntnislogik, die in der Mediation zusammengeführt werden.
Mediation als Kognitionsprozess
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Bearbeitungsstand: 2020-12-11 11:59 / Version 208.
Aliase: Mediieren, Verstehensprozess, Verfahren oder Methode, Verfahren und Methode, Etappenziele, Verfahren-Mediation, Prozess
Siehe auch: Phase 5, Abschlussvereinbarung, Ablauf. Dort finden Sie auch einen Videovortrag über die Phasen.
Geprüft:
Arthur Trossen