Mediatorinnen und Mediatoren könnten einiges bewirken, denn die Mediation bietet nicht nur einen Weg in einen nachhaltigen Frieden. Sie ist auch eine Möglichkeit, Kriege zu beenden. Alles beginnt und endet in einem Umdenken. Genau hier liegt der Schlüssel für die Lösung. Die Mediation bewirkt ein Umdenken. Nicht jede Mediation kennt diesen Weg. Um darzulegen, dass, warum und wie sie einen Ausweg aus dem grauenhaften Dilemma bietet, in dem wir uns gerade alle befinden, soll kurz herausgestellt werden, dass und warum sich die Problematik der Kriege durchaus anders bewältigen lässt. Die Ausführungen sollen helfen, alle Chancen in Betracht zu ziehen, um die Menschheit vor der Zerstörung zu schützen. Warum der Mediation dabei ein besonderer Stellenwert zukommt, soll aus den folgenden Gedanken heraus entwickelt werden:

Ein etwas anderer Ansatz

Das erforderliche Umdenken setzt schon bei der Themenstellung an. Wir neigen dazu, Krieg und Frieden als einen Gegensatz zu begreifen. Frieden ist die Abwesenheit von Krieg. So lautet zumindest eine der Definitionen.1 Zu glauben, dass wir Frieden haben, wenn der Ukraine-Krieg beendet sein wird, könnte aber zu kurz gedacht sein. Das gleiche gilt für den Krieg in Israel. Wenn die Beendigung der Kriegshandlungen nicht auch zugleich die dahinter liegenden Konflikte beilegt, bleiben die Spannungen aufrechterhalten. Das Kriegsende verschiebt nur die Möglichkeiten, sodass es auch nach dem Krieg keinen wirklichen Frieden geben wird.

Es würde die Bedeutung des Friedens besser herausstellen, wenn er nicht nur als ein Zustand angesehen wird, der sich durch die Abwesenheit von Krieg definiert. Der Frieden ist ein dynamischer Prozess, in dem sich der Krieg nicht nur wiederfindet, sondern auch erübrigt. Mit diesem Ansatz verschiebt sich der Fokus bereits ein wenig. Die Dynamik hinter dem Prozess wird erkennbar, wenn wir Krieg und Frieden, wie yin und yang, als Teil eines Ganzen begreifen. Dann hören wir auf, das Entweder dem Oder gegenüberzustellen. Dann konzentrieren wir uns auf die Balance zwischen den beiden Polen, die das friedliche Zusammenleben aller Menschen und Völker auf der ganzen Welt ermöglicht. Diese Balance ist gerade überall in eine Schieflage geraten.

Mit dem Blick auf die Balance verändert sich die Perspektive. Der Mensch gerät in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ihm obliegt die Aufgabe, das Gleichgewicht herzustellen. Bei der Suche nach der Balance kommt der Mediation eine besondere Rolle zu. Sie ist das vermittelnde Element, in dem das Verstehen in den Vordergrund gerückt wird. Wir brauchen keine Kriege, wenn wir uns selbst und einander besser verstehen. Das wird sogar eingefordert. Russland hat dem Westen häufig vorgeworfen, nicht verstanden zu sein. Leider versteht Russland den Westen auch nicht. Trotzdem war bisher noch nirgends zu lesen, dass sich die politische Öffentlichkeit mit dem Vorwurf auseinandergesetzt hat. Obwohl die Verstehenslücken offenkundig sind, hat bisher niemand dazu aufgerufen, sich an einen Tisch zu setzen und das Verstehensdefizit aufzuarbeiten. Es gibt wohl höherrangige Interessen. Hinzukommt, dass sich das feindliche Denken inzwischen schon so stark in der Gesellschaft etabliert hat, dass ein Politiker als Verräter angesehen wird, wenn er zu intensive Kontakte mit dem angesagten Feind pflegt. Mit Terroristen verhandelt man nicht. Ein derartiges Denken mag emotional gerechtfertigt sein. Es führt jedoch in eine ausweglose Situation. Sie lässt sich tatsächlich nur noch militärisch lösen, obwohl wir alle wissen, dass die Probleme militärisch nicht zu lösen sind. Die Welt gerät außer Kontrolle. Der Mensch hätte die Fähigkeit, das zu verhindern. Warum tun wir es nicht?2

Wir lieben Kriege

Bevor auf die Frage eingegangen wird, wie man aus dem Krieg herauskommt, sollte geklärt werden, ob das überhaupt gewünscht ist. Zweifel sind berechtigt. Der Krieg hat die Wirkung einer Triebentfesselung. Er erlaubt nicht nur eine völlig ungehemmte Sprache, sondern auch ein ebenso ungezügeltes und brutales Verhalten auf allen Seiten. Rache und Vergeltung werden plötzlich zum legitimen Anlass, ganze Dörfer und Städte zu zerbomben. Die Tötung von Zivilisten wird als Kollateralschaden hingenommen. Der einzelne Mensch wird auf ein Kalkül reduziert. Er ist lediglich noch ein Mittel zum Zweck. Der russische Botschafter findet es beispielsweise ok, wenn die Trauergemeinde bei einer Beerdigung in einem ukrainischen Dorf von einer Bombe zerfetzt wird. Es genügt ihm, zu unterstellen, dass es ja Terroristenfreunde gewesen seien, die getötet wurden. Er kann das beurteilen, ohne die Menschen zu kennen. Er kann diese Begründung sogar ohne Scham der UN vortragen und er scheint auch noch stolz darauf zu sein.

Jeder Bürger käme dafür in den Knast. Staaten hingegen nehmen für sich in Anspruch, was sie dem Bürger verwehren. Man muss sich nicht wundern, wenn die Bürger diesem Vorbild folgen. Die Gewalt wird verherrlicht. Sie ist allgegenwärtig, als gäbe es keinen anderen Weg, sich Geltung zu verschaffen. Brutalste Täter werden sogar mit einem Orden ausgestattet, wenn sie Wehrlose zu Tode prügeln, brandschatzen und vergewaltigen. Das ist definitiv die falsche Botschaft. Aber endlich können wir mal die Sau rauslassen. "Wir kämpfen gegen menschliche Tiere“, sagte der israelische Verteidigungsminister, „dann handeln wir entsprechend“, fügte er hinzu. Meinte er damit, jetzt auch wie Tiere zu handeln? Der Vergleich hinkt schon deshalb, weil sich Tiere nicht so benehmen. „Waffenstillstand?“, fragte ein amerikanischer Kongressabgeordneter zu einem Zeitpunkt, als ein zaghaftes Signal für eine Gesprächsbereitschaft aufkam. “Nein es ist Zeit für massive Gegenangriffe“, fügte er hinzu. Das kann er leicht sagen. Er steht nicht an der Front. Noch fühlt er sich sicher. Das kann sich aber ändern.

Es geht auch anders

So wie es aussieht, scheinen Kriege durchaus willkommen zu sein. Zumindest wenn andere sie führen und solange die Kriegstreiber nicht selbst an der Front stehen. Helmut Schmidt beklagte einmal, dass die, die Kriege führen, selbst keinen Krieg erlebt haben. Dass wir aus Kriegen lernen, scheint ausgeschlossen. Wir hatten einige Tausend Jahre Zeit dazu und genügend abschreckende Beispiele. Was haben wir aus den Kriegen in Vietnam, Afghanistan, Irak, Syrien und Libyen gelernt? Haben sie uns den Frieden auf der Welt in irgendeiner Form näher gebracht? Das Gegenteil ist der Fall. Die Polarisierung nimmt zu und mit ihr die Weltkriegsgefahr, wenn wir weiter auf dieser Schiene linear nach vorne denken. Wir sollten uns an die Indianerweisheit erinnern: "Wenn Du merkst, dass das Pferd auf dem Du reitest stirbt, steig ab". Des Pferd ist unser Denken. Der Abstieg vom Pferd erfordert einen Strategiewechsel ein, der nur mit einem Umdenken möglich wird.

Aber wie soll das gehen? Müssen wir nicht reagieren, wenn wir angegriffen werden? Das kann man sich doch nicht gefallen lassen. Müssen wir nicht den Feind vernichten, damit er uns nie wieder angreifen kann? Bei dieser Art des Denkens sind wir tatsächlich dem Krieg hilflos ausgeliefert. Dann existiert das goldene Zeitalter, in dem es keine Kriege gibt, tatsächlich nur in der Mythologie und dort auch nur VOR dem Beginn der Zeitrechnung. Die Erwartung, dass es jemals ein goldenes Zeitalter geben wird, ist gering. Erst recht, wenn es nicht die Zielmarke unseres Denkens ist. Freud meint, der Krieg sei deshalb unvermeidlich, weil er eine aggressive Entladung darstelle, die durch eine ständige Triebunterdrückung ausgelöst werde.3 Auch in der Verhaltensforschung wird die zum Krieg führende Aggression als ein natürliches Prinzip verstanden. Die Evolution hat uns doch gezeigt, dass nur der Stärkere überlebt. Leider hat die Evolution noch nicht begriffen, dass physische Stärke und die immer weiter zunehmende Vernichtungskraft der Waffen in einer globalen Gesellschaft kein Überlebenskonzept mehr ist. In der modernen Welt wird die Macht aus einem Wissen generiert, das sich nicht mehr auf das Wissen einer einzelnen Person oder gar nur einzelner Völker beschränkt.4

Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Macht, Stärke und Gewalt nicht nur destruktiv sind. Sie können auch erforderlich sein, um eine Ordnung herzustellen oder aufrecht zu erhalten. Deshalb muss die Frage, ob der Krieg wirklich unerwünscht ist, und ob wir wirklich da heraus wollen, differenziert betrachtet werden. Wir müssen genau hinschauen, wer den Krieg zu welchem Zweck betreibt und welche Alternativen es gibt. Einige wollen den Krieg, andere nicht. Die Waffenlobby beispielsweise freut sich. Autokraten und Regierungen, die dadurch von inneren Problemen ablenken können, kommt ein Krieg ebenfalls gelegen. Der Krieg bringt ihnen Wählerstimmen ein und sichert Ihre Macht. Endlich können sie zeigen, wo der Hammer hängt, den niemand braucht. Schließlich kommt im Krieg auch der Tötungstrieb des Menschen zur Geltung. Der freut sich also auch. Auch die narzisstische Zerstörungswut findet im Krieg ihre Befriedigung. Ja, es gibt zweifellos einige, die den Krieg wollen. Sonst gäbe es ihn nicht. Ich möchte jedoch bezweifeln, dass es die Mehrheit der Menschen ist. Damit kommt die Frage auf, wie es gelingt, sie in den Entscheidungsprozess einzubeziehen und ihre Mitverantwortung zu adressieren. Der Spontispruch: „Stell Dir vor, es gibt Krieg und keiner geht hin“, bleibt leider eine Illusion. Denn das Wort KEINER lenkt den Blick auf die Summe von Individuen. Das würde den Konsens von 8,06 Milliarden Menschen erfordern. Und was es noch schwieriger macht, auch den der Feinde.5

Wer danach sucht, kann aber zumindest einen Grundkonsens ausmachen. Den finden wir allerdings auf einer ganz anderen Ebene und ganz sicher nicht bei den bereits angedachten Kriegslösungen. Es dürfte Konsens bestehen, dass wir alle nur Menschen sind. Es dürfte Konsens bestehen, dass wir alle auf derselben Welt leben. Es dürfte Konsens bestehen, dass wir keinen Lebensraum mehr haben, wenn die Welt zugrunde geht. Vielleicht schaffen wir auch den Konsens dahingehend, dass wir trotz aller kulturellen Unterschiede Teil derselben Weltgesellschaft sind. Sicher gelingt auch ein Konsens, dass wir alle Frieden wollen. Der Streit betrifft also nicht den Nutzen, sondern die Lösung und mit ihr die Bedingungen für den Frieden. Bereits der geringfügig verschobene Fokus auf das, was wir gemein haben, erlaubt eine günstigere Prognose für unser Zusammenleben auf einer Welt, die wir nicht verlassen können. Wenn sich die Nationen und die Menschen darauf verständigen könnten, zeichnet sich ein anderer Weg ab. Der auf die Gemeinsamkeiten gerichtete Fokus führt unweigerlich in eine andere Fragestellung, eine andere Herangehensweise und in eine andere Rhetorik. Er wird sich in einem Umdenken verwirklichen.

Der Krieg lauert überall

Der Krieg ist allgegenwärtig, auch in Friedenszeiten. Insgesamt soll es in der Menschheitsgeschichte mehr als 14.400 Kriege gegeben haben, denen ungefähr 3,5 Milliarden Menschen zum Opfer gefallen sind.6 Das sind nur die internationalen Kriege. Das Individuum kann aber auch Krieg. Denken wir nur an den Rosenkrieg zwischen Eheleuten. Nachbarn können das auch gut. Es finden sich viele Parallelen bei der individuellen Konfliktabwicklung und dem Konfliktverhalten der Regierungen. Nicht staatliche Gruppen kennen den Bandenkrieg. Der Krieg ist somit ein Phänomen, das sich nicht nur zwischen den Staaten abspielt, sondern auf allen gesellschaftlichen Ebenen. Er zieht jeden Menschen zur Verantwortung, auch die, die sich gerne heraushalten möchten.

Wie sehr wir den Krieg lieben, zeigt sich insbesondere auch an der Verwendung des Wortes. Es geht uns allzu leicht über die Lippen. Wir führen sogar Krieg gegen ein Virus. Wir rufen die Kriege geradezu herbei. Der Anschlag auf das World Trade Center im September 2011 wurde schnell als Krieg bezeichnet, obwohl es eigentlich ein Verbrechen war. Wäre es als solches benannt und behandelt worden, wie damals die RAF in Deutschland, sähe die Welt heute anders aus. Die gebotene Zurückhaltung beginnt also schon bei der Sprache, der Wortwahl und der Sorgfalt bei der Kriegserklärung.

Die Sprache der Gewalt

Es ist aber nicht nur das Wort Krieg, das unsere Sprache und mithin unser Denken so gewaltvoll infiltriert. Auch der Kampf ist ein Wort, das uns leicht über die Lippen geht. Ein Kampf drängt sich uns selbst dann auf, wo er weder erforderlich noch aussichtsreich ist. Schon die Formulierung, wir kämpfen für den Frieden, klingt wie mission impossible. Wie kann ein Kampf den Frieden herbeiführen? Wie ist es möglich, gegen die Klimaerwärmung zu kämpfen? Was erwarten wir von einem Kampf gegen den Tod? Und was soll ein Wahlkampf ausrichten? Wer kämpft dort eigentlich worum und gegen wen? Schon die Wortwahl degradiert die politische Wahl zu einer Arena, wo sich die Politiker, wie damals die Gladiatoren in Rom, positionieren, um sich wechselseitig fertig zu machen. Der Sieger mag unter Beweis stellen, dass er seine Gegner schlagen kann. Qualifiziert ihn das aber für ein politisches Amt? Wäre nicht Weisheit, Besonnenheit, intellektuelle, fachliche und soziale Kompetenz ein besseres Qualifikationsmerkmal? Ein Mensch mit diesen Eigenschaften hat in dem Politzirkus von vorne herein keine Chance. Wir müssen uns also nicht wundern.

Die Sprache spiegelt nicht nur unser Denken, sie gibt auch seine Richtung vor. Sie ist durchaus in der Lage, eine Realität zu schaffen. Nicht nur die Propaganda arbeitet daran. Es ist erschreckend, wie gewaltvoll und dehumanisierend sie in der Bevölkerung und besonders auch in der politischen Landschaft geworden ist. Selbst Diplomaten geben sich hemmungslos ihrer verbalen Inkontinenz hin. Es ist schon erstaunlich, dass sie sich nicht einmal bemühen, ein schlüssiges Narrativ vorzutragen. Das Verhalten ist im höchsten Maße fahrlässig und eine weitere Herangehensweise, mit der das Pferd zu Tode geritten wird.

Andererseits gibt die Sprache aber auch einen Hinweis auf das Problem. Bitte beachten Sie, dass die Definitionen der Worte Streit, Kampf und Krieg alle das Wort Auseinandersetzung gemein haben. Ein Kampf ist definitionsgemäß eine handgreiflich auch mit Waffen geführte, heftige Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Gegnern. Ein Streit ist ein heftiges Sichauseinandersetzen oder ein Zanken in oft erregten Erörterungen, hitzigen Wortwechseln, auch mit Handgreiflichkeiten. Klingt das nicht wie ein Widerspruch? Eine Auseinandersetzung mit Waffen, ein Krieg oder ein Streit verhindern doch gerade die Auseinandersetzung, wenn darunter die eingehende, reflexive Beschäftigung mit etwas gemeint ist. Die Sprache sollte einfordern, was gewünscht ist. Ist es der Kampf, der Krieg oder die Auseinandersetzung? Die eingehende Beschäftigung mit dem Konflikt wäre der Teil der dringend erforderlichen Auseinandersetzung innerhalb eines Verstehensprozesses. Genau das verhindert der Krieg. Anders die Mediation. Sie erlaubt eine Auseinandersetzung, ohne Streit, ohne Kampf und ohne Krieg! Das liegt nicht an dem Verfahren, sondern an ihrer Fähigkeit zum Umdenken.

Die Devolution der Kommunikation

Jede Auseinandersetzung erfordert eine Kommunikation. Leider findet sie im Neocortex statt. Ausgerechnet in dem Teil unseres Gehirns, der im Konflikt teilweise ausgeschaltet wird. Das Phänomen ist als Kompetenz-Amnesie bekannt. Man weiß gerade nicht, wer alles darunter leidet. Was sich die Evolution als einen Schutz des Menschen ausgedacht hat, wird in der modernen Gesellschaft zu seinem Verhängnis. Unabhängig davon, worauf die Kommunikationsunfähigkeit zurückzuführen ist, macht sie eine Auseinandersetzung unmöglich. Was macht ein Mensch, wenn er nicht zur Geltung kommt und sein Anliegen nicht ausdrücken kann? Er kann es ignorieren, er kann resignieren oder er kann versuchen, sich Geltung zu verschaffen. Das kann dann auch in einen Kampf münden. Und wenn es ihm wichtig ist, auch in Gewalt. Und schon ist er ein Terrorist, wenn Ziele verfolgt werden, die unerwünscht sind. Einem Terroristen wird die Auseinandersetzung verweigert. Das klingt wie ein Teufelskreis.

Ein Journalist twitterte nach dem Hamas-Angriff: "Wenn die Zunge der Palästinenser systematisch abgeschnitten wird, wie sollen sie sich mit Worten wehren? Wenn das Wahlrecht der Palästinenser unterbunden wird, wie sollen sie sich mit Kreuzen wehren? Wenn ihre Bewegung eingeschränkt wird, wie sollen sie sich mit Demos wehren? Was erwarten Leute?“. Er wurde gefeuert. Er hat nur Fragen aufgeworfen, die völlig berechtigt sind. Die Reaktion zeigt, dass und wie die Auseinandersetzung darüber verhindert wird. Hier zeigt sich der Krieg. Es ist schade, dass die letzte Frage nicht beantwortet wurde. Möglicherweise wäre unter den Antworten ein brauchbarer Vorschlag aufgekommen.

Das Beispiel ist symptomatisch. Wir wissen besser als der Gegner, was er denkt. Wir verurteilen ihn, ohne Prozess und ohne Anhörung. Weder eine differenzierte Sicht aauf die Täter noch die selbstkritische Auseinandersetzung über die Ursachen des Konfliktes scheinen erwünscht zu sein. Sie stören das Bild und machen alles nur kompliziert. Es fällt in der schwarz-weiß Logik gar nicht auf, dass die Vorwürfe, die wir anderen gegenüber erheben, genauso gut auf uns selbst zutreffen. Die Auseinandersetzung könnte ein konflikttypisches Phänomen aufdecken. Sie würde erkennbar machen, dass wir die Werte, die wir so hoch halten, gerade selbst gegen die Wand fahren.

Die Theorie der Konfliktevolution

Die Frage, was zu tun ist, wenn man sich in einem Konflikt mit anderen befindet, die einem nicht einmal zuhören, die einen ausschließen, geringschätzen oder einfach abtun, ist berechtigt. Wir müssen uns ihr stellen. Wir könnten von der Schwarmintelligenz der Vögel lernen, wo die Außenseiter, also die Extremisten, eine Korrekturfunktion haben und als ein Teil des Schwarms angesehen werden. Davon sind wir aber noch weit entfernt. Wir bewegen wir uns stattdessen in einem linear kausalen Spektrum von Handlungsmöglichkeiten, wie es die Theorie der Konfliktevolution von Schwarz beschreibt. Seine Theorie stellt die strategischen Optionen des Konfliktverhaltens in der Form einer Pyramide dar. Auffällig ist, dass der Weg in die Auseinandersetzung der Evolution angeglichen wurde. Die Möglichkeit zur Auseinandersetzung nimmt zu, wo sich das Sprachzentrum ausgebildet hat. Sie korreliert umgekehrt proportional mit dem Kampf. Der Kampf nimmt ab, je mehr die Fähigkeit zur Auseinandersetzung zunimmt. Der Krieg ist in der Pyramide auf der 2. Stufe ganz unten anzusiedeln. Er fällt in die Konfrontation und ist nah am animalischen Verhalten in einem frühen Stadium der Evolution.

Die Handlungsoptionen der Konfliktevolution lassen sich den Grundstrategien Konfrontation und Kooperation zuordnen. Beide stehen im strategischen Widerspruch zueinander. Das eine schließt das andere aus. Es kommt zu einem Spannungsverhältnis, bei dem die Kooperation ebenso wie die Konfrontation Handlungsweisen herausbilden, die mit der Beziehung von Menschen im Zusammenhang stehen. Mit dieser Korrelation verschiebt sich der Fokus ein weiteres Mal. Wenn das Spannungsverhältnis auf die Beziehungsebene bezogen wird, umfasst es nicht mehr die Handlungsformen, womit die Ausprägung von Krieg und Frieden oder der operative Gegensatz von Kooperation und Konfrontation gemeint ist. Sie erfasst das Verhältnis der Beteiligten zueinander, das sich im Spannungsfeld zwischen Freundschaft und Feindschaft bewegt. Der Krieg ist die Ausprägung dieser Beziehung. Wir bringen keine Freunde um. Deshalb ist es im Krieg so wichtig, genau zu wissen, wer Freund und Feind ist. Wer auf der falschen Seite steht, ist ein Verräter. Er wird zum Feind deklariert, auch wenn er sich selbst nicht als ein Feind versteht.

Mit dem Blick auf die Beziehung kommt auch der einzelne Mensch zur Geltung, denn er ist ein Teil der Beziehung. Und um ihn geht es letztendlich. Mit diesem Fokus verschiebt sich die Fragestellung ein weiteres Mal. Sie fragt nicht danach, warum wir Kriege führen. Diese Frage betrifft die Ausprägung des Konfliktes. Sie fragt stattdessen, warum wir keine Freunde sein können. Diese Frage betrifft den Hintergrund und nähert sich dem eigentlichen Konflikt. Aber keine Sorge. Wir müssen keine Freunde sein. Es kommt lediglich darauf an, dass wir keine Feinde sind. Es genügt, die Balance zwischen Freundschaft und Feindschaft zu finden. Dabei bildet der Konsens, also die höchste Stufe der Konfliktevolution, das verbindende Element. Das Denken der Mediation ist sein Wegweiser. Und wieder ist ein Umdenken einzufordern.

Warum wir Kriege führen

Die Frage, warum wir Kriege führen, lässt sich leider nicht pauschal beantworten. Die bloße Feindschaft ist noch kein ausreichender Grund. Feindschaft ist dem Menschen nicht angeboren. Ein Baby kennt noch keine Feindseligkeit. Das Gefühl von Feindschaft entwickelt sich erst im Laufe der Lebenszeit. Es ist ein Teil der Erziehung und der Kultur, die wir selbst prägen. Die Kultur liefert zusammen mit der Sprache den Grundstein für unser Denken und Handeln. In diesem Denken finden wir die Wurzeln des Krieges. Natürlich kommt es darüber hinaus im Einzelfall noch auf die Begebenheiten und die Motive der Kriegsparteien an. Die sind ebenso vielfältig wie diffus und nicht einmal wirklich bekannt. Da gibt es viele Unterstellungen, Spekulationen und ganz widersprüchliche Aussagen. Sie erfordern eine Auseinandersetzung, aber keinen Krieg.

Der bewaffnete Konflikt

Um auf die Ursachen einzugehen, soll die Definition helfen, das Phänomen Krieg besser zu verstehen. Es gibt verschiedene Definitionsansätze. Das unstreitig gemeinsame Merkmal ist die Gewaltanwendung. Um die Gewaltanwendung einzuschätzen, kommt es entscheidend auf den Zweck und den Kontext an. Der Kontext unterscheidet das bellicose vom kriminellen Paradigma. Der kriminelle Kontext setzt eine Institution voraus, die Recht durchsetzen kann. Die UN ist keine solche Institution. Auch nicht der Sicherheitsrat. International gibt es keine Einrichtung, die dazu in der Lage wäre. Das dadurch entstehende Machtvakuum begünstigt das Faustrecht. Und genau da liegt das Problem in der sich rasant verändernden Welt. Ein Krieg deutet darauf hin, dass die Machtverhältnisse in Frage stehen oder gewaltsam verändert werden. Aktuell versuchen Nationen, die sich berufen fühlen, mit allen Mitteln, die Machbalance zu ihren Gunsten zu verschieben. Ihnen werden geopolitische Interessen unterstellt. Leider denken sie in der Logik eines Nullsummenspiels, sodass sich die Konfrontation als naheliegende Strategie anbietet. Die Frage, wie das Machtvakuum zu füllen ist, ließe sich auch anders klären. Aber das würde wiederum ein Umdenken erfordern.

Der Kollektivsingular

Auf der Suche nach den Ursachen für den Krieg, gibt die Begriffsvielfalt einen Hinweis. Sie deutet auf die Zusammenhänge hin. Unterschieden werden Angriffskriege, Verteidigungskriege, asymmetrische und hybride Kriege, Cyberkriege, Guerillakriege, kalte und heiße Kriege, Präventivkriege, produktive und unproduktive Kriege, Rosenkriege, Stellvertreterkriege, Wirtschaftskriege und zwischenstaatliche Kriege. Die Liste ist nicht abschließend. Es gibt noch den Zollkrieg und den Wirtschaftskrieg. Und sicher gibt es noch mehr Wortkombinationen. Es verwundert deshalb nicht, wenn auch von einem Feministinnenkrieg gesprochen wird. Die Auswahl lässt sich auf Kriegsmotive, Beteiligte, Schlachtfelder und auf die Ausführungsweise ein. Unter welchen Krieg würden wir den Ukraine-Krieg subsumieren und in welches Paradigma passt der Krieg in Israel?

Der Krieg verfolgt stets einen Zweck und die Gewalt spielt immer eine Rolle. Die Waffen können variieren, ebenso wie die Fronten. Die Fronten bilden eine militärische, eine diplomatische, eine propagandistische und eine geheimdienstliche Ebene heraus.7 Dass die Diplomatie unter die Kriegsfronten subsumiert wird, erklärt vieles. Dass wir der Propaganda bereitwillig auf den Leim gehen, auch. Die Fronten spielen eine Rolle, wenn es um Verhandlungen geht. Sie deuten an, dass das Eine die Fortsetzung vom Anderen ist und dass Verhandlungen auf dieser Ebene keinen Ausweg aus dem Krieg darstellen können.

Der Notwehrexzess

Grundsätzlich wird ein Krieg akzeptiert, wenn er der Verteidigung dient. Notwehr und sogar Nothilfe sind Rechte, die auch die UN-Charta den Staaten zubilligt. Daraus folgt einerseits das Interesse an Stellvertreterkriegen und andererseits der Versuch, jeden Krieg in einen Verteidigungskrieg umzudeuten. Das Recht wird dabei weit und willkürlich ausgelegt und sogar für den Präventivkrieg missbraucht. Nicht das Recht, sondern die Macht entscheidet letztlich über die Deutungshoheit. Auf dem Weg zur finalen Deutungshoheit, versucht jede Seite, den Krieg aus der Verteidigungslage heraus zu rechtfertigen. In dieses Schema passt die Sichtweise, dass Russland provoziert worden sei. In Wirklichkeit sei der Westen als Aggressor anzusehen. Leider verhindert die Schuldzuweisung jede Selbstkritik. Sie verkennt, dass jede Seite ihren Anteil daran hat, warum es zum Krieg in der Ukraine gekommen war. Der Westen ist ganz sicher nicht unschuldig daran. Wir erinnern uns, dass der Iran, Russland und China immer angemahnt haben, nicht respektiert zu werden. Das erinnert an die zuvor aufgeworfene Frage, was zu tun ist, wenn man nicht zur Geltung kommt. Ja, Respekt ist geschuldet und der Vorwurf ist berechtigt. Trotzdem rechtfertigen die Schuldzuweisungen keinen Krieg. Der Krieg war nicht die ultima Ratio der Bedrohung. Tragischerweise kommt hinzu, dass sich der behauptete Verteidigungsbedarf Russlands möglicherweise von ganz alleine geklärt hätte, wenn es nicht in der Ukraine einmarschiert wäre. Vor dem Einmarsch wurde die Beziehung der EU zu Amerika und die Bedeutung der Nato auch im Westen zunehmend hinterfragt. Das System war am bröckeln. Deshalb wäre, selbst wenn die Verteidigungslage auf russischer Seite anerkannt würde, der Einmarsch in die Ukraine als ein Notwehrexzess einzustufen. Ganz abgesehen von der Rechtslage, haben sowohl die Mittel wie der Zeitpunkt den unterstellten Verteidigungsbedarf überschritten. Es gibt andere Wege, das Ziel zu erreichen. Aber sie setzen ein Umdenken voraus.

Schuldzuweisungen sollen den Krieg nicht nur rechtfertigen. Sie werden auch benutzt, um die Verantwortung zur Beendigung des Krieges einseitig dem Feind aufzubürden. Dabei wird übersehen, dass die Verantwortung zur Beendigung des Krieges allen Parteien in gleicher Weise obliegt. Denn alle spielen das Spiel mit. Zumindest im aktuellen Kriegsstadium lösen die Schuldfragen kein einziges Problem. Sie schaffen Probleme, weil sie als ein Teil der verbalen Kriegsführung anzusehen sind. Sie befeuern die Eskalation statt zu deeskalieren. Das ist die falsche Richtung.

Hoch eskalierte Konflikte

Zwar warnen Politiker auf allen Seiten vor der Eskalationsgefahr. Sie behaupten auch, die Eskalation vermeiden zu wollen. Allerdings deckt sich die gute Absicht nicht mit ihrem Verhalten. Die Warnungen sind meist Appelle an den Gegner. Sie bleiben ohne Wirkung. Wirkung zeigen jedoch Vergeltungsmaßnahmen. Darunter fallen auch die Sanktionen. Sie tragen zur Eskalation bei. Auch deshalb, weil ihre Motive in Frage gestellt werden. Wähnt sich der Gegner im Recht, kann er die Vergeltung nicht akzeptieren. Er wird mit all seinen Möglichkeiten versuchen, sie zu entwerten oder die Vergeltung zu vergelten. Das Vergeltungsspiel endet erst, wenn zumindest eine der Parteien am Boden liegt und sich nicht mehr wehren kann. Von diesem Erfolg ist kaum auszugehen, weil sich die kriegerischen Auseinandersetzungen nicht auf die unmittelbaren Kriegsparteien beschränken. Der einzige Effekt ist der, dass der Hass auf beiden Seiten geschürt wird. Das erinnert an die Death Spiral der Kriegerameisen.8 Wir füttern den falschen Wolf.9

Der Klärungsbedarf

Das Verhalten der Kriegsparteien ist in all seiner Brutalität und Menschenverachtung nicht rational, sondern nur aus der Eskalation heraus zu erklären. Es geht mit einem typischen Konfliktverhalten einher. In der 9. Eskalationsstufe hat die Vernichtung des Gegners einen derart hohen Stellenwert eingenommen, dass sie die Selbstvernichtung in Kauf nimmt. Leider ist das Verhalten nur der sichtbare Teil, in dem der Konflikt zum Ausdruck kommt. Es sollte mit dem Konflikt nicht verwechselt werden, was zugegebenermaßen schwer fällt. Die Trennung der Ebenen ist aber notwendig, um sich mit dem eigentlichen Konflikt auseinanderzusetzen.

Es ist ein Merkmal hoch eskalierter Konflikte, dass die Parteien alles tun, um genau diese Auseinandersetzung zu vermeiden. Deshalb müssen die Bedingungen für eine Verhandlung erst geschaffen werden. Das ist einer der Gründe, warum sich die Konfliktparteien nicht an einen Tisch setzen können. Andere Gründe können nur vermutet werden. In Betracht kommen Emotionen, Unfähigkeit, Machtbesessenheit, Narzissmus, Selbstüberschätzung, Hilflosigkeit und Verzweiflung. Die Liste kann noch erweitert werden. Sie sollte sich allerdings die Interessen der Akteure unterscheiden und sich nicht nur auf die sichtbaren Akteure einlassen. Wenn der Radius auf die unsichtbaren Kriegstreiber erweitert wird, kommen noch andere Protagonisten und deren Interessen ins Spiel. Sie erweitern die Liste der Hypothesen. Jetzt wendet sich der Blick auf die Kriegsgewinnler, die Berater, bis hin zu den Propagandisten, der Presse sowie der Nationen, Gruppen und Institutionen, die sich zu Trittbrettfahrern machen und die Emotionen weiter anheizen, statt Fragen aufzuwerfen. Alle verfolgen irgendein egoistisches Interesse, das der dringend nötigen Klärung und der Beendigung des Krieges im Wege steht.

Die Konfliktanalyse

Wenn der Radius auf alle Stakeholder erweitert wird, kommt die Frage auf, mit wem überhaupt was zu klären wäre, um den Ukraine Krieg zu beenden. Russland und Ukraine wären die falschen Verhandlungspartner. Sie könnten nur über einen Lösungsrahmen disponieren, der den Konflikt nicht abdeckt. Um die Frage zu klären, wer die richtigen Verhandlungspartner sind, bedarf es einer Konfliktanalyse. Sie hilft, die Konflikte zu identifizieren und deckt die ineinander verschachtelten Ebenen auf.10

In Betracht kommen zunächst die unmittelbar betroffenen Kriegs- oder die Streitparteien. Vordergründig sind das Russland und die Ukraine. In dieser Beziehung geht es um Sachkonflikte, einen Beziehungskonflikt und einen Wertekonflikt, der die Frage der Identität betrifft.11 Darüber hinaus gibt es die Konfliktparteien.12 In der pauschalen Reduktion sind das der Osten und der Westen. Hier finden wir einen Systemkonflikt, einen Strukturkonflikt, Beziehungs- und Sachkonflikte. Nicht zu vergessen sind die oft übersehenen, systemischen Konfliktparteien. Das ist die Welt, das Klima und letztlich der Mensch an und für sich und mit ihm die Menschheit. Auf dieser Ebene liegt ein Wertekonflikt. Darüber hinaus gibt es noch die Stakeholder der innerstaatlichen Konflikte, die sich auf das Kriegsgeschehen auswirken oder es zu eigenen Zwecken missbrauchen. Eigentlich sollte jedes Land erst einmal mit sich selbst ins Reine kommen, was aber nur im Staatenbund gelingt.

Wenn davon ausgegangen wird, dass die Ukraine zwischen den Konflikt des Ostens mit dem Westen geraten ist, dann wird deutlich, dass Verhandlungen nur mit Russland, Amerika, Europa und der Ukraine sinnvoll sind. Wenn China noch hinzugenommen wird, stellt sich eine Ebene her, wo ein echter Mehrwert für alle ausgehandelt werden kann. Er betrifft neben einem Sicherheitskonzept für Europa auch die Überlebens- und Aufstiegschancen aller beteiligten Länder. Auf dieser Ebene finden sich Lösungen, mit denen die Spannungen nachhaltig aufzulösen sind. Das wird im Ansatz erkannt, wenn von einer neuen Weltordnung die Rede ist. Sie wäre dringend erforderlich. Ich fürchte nur, dass sie von niemandem wirklich gewollt wird. Was gewollt wird, ist eine Veränderung der Machverhältnisse in der bestehenden Weltordnung. Das würde nur die Vorzeichen verändern und wäre nicht wirklich zielführend. Auch hier ist ein Umdenken erforderlich.

Die Emotionen

Leider lassen sich die Parteien neben politischen Erwägungen auch von den Emotionen steuern. Emotionen überlagern die Vernunft. Das ist die menschliche Komponente in dem Spiel. Hier stellt uns das Gehirn eine Falle. Sie wird erkennbar, wo der Ukraine-Krieg nicht mit der Vernunft zu erklären ist. Würden wir ihn daran messen, wäre ein destruktiver Krieg, der mehr Schaden als Nutzen anrichtet, längst beendet. Der Krieg, der auf vielen Fehleinschätzungen beruht, hätte nicht einmal angefangen. Es ist besonders bedauerlich, wenn sich die Staatsführer von eigenen Emotionen überwältigen lassen oder sich Emotionen aus populistischen Gründen zu eigen machen. Sie sollten in der Lage sein, eine professionelle Distanz aufzubauen, wie sie von einem Richter oder Mediator erwartet wird. Das sind sie ihrem Amt schuldig.

Wenn ein Krieg ohne das Gefühl von Feindschaft nicht möglich ist, kommt die Frage auf, wo die Feindseligkeit herrührt. Ist sie originär in den Bevölkerungen wie eine Erbfeindschaft vorhanden oder wird sie der Bevölkerung eingeredet. Ich tippe im Falle der Ukraine auf das letztere und staune, wie schnell und leicht sich ein Gefühl der Feindschaft herstellen lässt. Wo findet es seinen Ursprung? Es gibt keine monokausale Herleitung. Gefühle entstehen in jedem Menschen selbst. Also sollte sich jeder einzelne Mensch fragen, was in ihm die feindliche Gesinnung auslöst. Er sollte sich auch fragen, warum er von seinen Freunden und Landsleuten die gleiche feindselige Haltung erwartet. Feindschaft kann auch instrumentalisiert werden. Dann lässt sie sich entweder auf die Schwächen der Regierungen und der Bevölkerung oder auf ein hinterhältiges Kalkül der Herrschenden zurückführen. Eine mögliche Ursache ist natürlich auch die Triebreduktion oder der erlebte Mangel in der Bevölkerung, der sich in Gewalt entlädt und nach irgendeinem Ventil sucht, um sich in einem fast beliebigen Feindbild zu entladen. Da kommt aber sicher noch mehr zusammen.

In der Mediation würden die Emotionen beachtet, identifiziert und hinterfragt werden. Dabei geht es darum, die Kontrastemotionen zu suchen. Die positiven Emotionen zeigen den Ausweg. Man würde aber fragen, wo der Hass herkommt und könnte berücksichtigen, was sich in ihm alles aufgestaut hat. Das entschuldigt nichts, macht aber verständlich und erlaubt die dazu passende Reaktion für die Zukunft. In der gelebten Realität nehmen die Emotionen einen so großen Raum ein, dass ein Verstehen verhindert wird. Emotionen können nicht denken. Wut und Hass wollen gelebt werden. Es bedarf einer Wahrnehmung der Gefühle ihrer Akzeptanz, selbst wenn es noch so schwer fällt, und eines Umdenkens, um sie in Frage zu stellen.

Die Werte

Münkler stellt heraus, dass Kriege um den Besitz eines Territoriums leichter und materiell meist in einem Kompromiss zu beenden sind. Kriege um die Identität seien kompromisslos. Hinter dem Kampf um das Territorium der Ukraine stehen Motive, die über den territorialen Besitz hinausgehen. Die Frage nach der Identität spielt dabei auch eine Rolle. Sie deutet auf einen Wertekonflikt hin. Das Wort Werte wird in den politischen Auseinandersetzungen häufig gebraucht und in gut und böse Kategorien übersetzt. Sie werden so zum Teil der Kriegsführung. Sie klingen wie ein Vorwand, der genutzt wird, um mit dem Finger auf den Feind zu zeigen und sich über ihn zu stellen. Im Zuge der Globalisierung ist die Auseinandersetzung mit der eigenen Identität ein Thema, das nicht nur die Nationen betrifft. Wenn ein Feindbild erforderlich ist, um die eigene Identität zu finden, wird sie an der falschen Stelle gesucht. Es wäre zielführender sie in sich selbst zu suchen, was durch den Krieg massiv verhindert wird.

Die Strategie

Es sind nicht nur die Emotionen, die einen Ausweg aus dem Krieg verhindern. Auch strategische Überlegungen spielen dabei eine entscheidende Rolle. Sie zeigen, warum der Ausstieg aus dem Krieg so schwer fällt. Dafür sind zwei Gründe ausschlaggebend. Der erste Grund ist die strategische Logik. Wenn eine Seite kooperiert, die andere nicht, verbessern sich deren Chancen der konfrontierenden Partei. Deshalb macht es auch wenig Sinn, nur eine Seite zu Friedensverhandlungen zu drängen. Der zweite Grund orientiert sich an der Theorie der Konfliktevolution. Sie besagt, dass ein Strategiewechsel erst dann erfolgt, wenn davon ausgegangen wird, dass die zum Sieg führende Strategie versagt. Solange also auch nur eine Seite an den Sieg glaubt, wird sie niemals (auf gleicher Augenhöhe und lösungsoffen) verhandeln. Leider führen die Kompetenz-Amnesie und die eingeschränkten Optionen unseres Gehirns im Kampf-Fluchtmodus des Reptiliengehirns dazu, die Siegeschancen falsch einzuschätzen. Der Verstand bleibt auf der Strecke.

Die Lösung ist ganz einfach

Es gibt Belege, dass Menschen in der Lage sind, auch in schwierigsten Situationen eine Lösung zu finden. Sie müssen es nur wollen oder die Suche nach der Lösung durch Verhandlungen als alternativlos ansehen. Aktuell wird versucht, den Verhandlungsdruck militärisch aufzubauen. Der Strategiewechsel tritt ein, wenn keine Seite mehr an den Sieg glaubt. Leider wird dann alles zerstört sein. Vorzuziehen wäre also ein ein anderer Weg. Er wird gangbar, wenn der Weg in die Kooperation erleichtert und der Weg in die Konfrontation erschwert wird. Strategisch betrachtet müssen die Hindernisse für eine Verhandlung weggeräumt werden, während gleichzeitig Hindernisse für die kriegerische Herangehensweise aufgebaut werden. Die Realität geht den umgekehrten Weg. Sie macht den Weg in die Verhandlung schwer und den Weg in den Krieg leicht. Es gibt viele Ideen, wie das strategische Umdenken zu realisieren ist. Dabei kann auch die Anwendung von Gewalt eine Option darstellen. Entscheidend ist jedoch, dass sie, in welcher Form auch immer, nicht zur Durchsetzung einer Lösung des Problems angewendet wird (was aktuell geschieht), sondern ausschließlich, um die Parteien (und zwar alle) an den Tisch zu zwingen. Stellen Sie sich vor, man könnte Putin, Xi, Biden und wie sie alle heißen in den Knast stecken bei Wasser und Brot und mit der Ansage, dass sie den Knast erst wieder verlassen dürfen, wenn sie den Weltfrieden hergestellt haben. Das entspräche dem Konzept der Konklave. Wahrscheinlich wäre der Weltfriede dann in weniger als einer Woche beschlossen. Die Erfahrung zeigt, dass die Verhandlung immer die letzte Option darstellt, solange es in einem hoch eskalierten Konflikt einen Ausweg aus der Verhandlung gibt.

Die Suche nach dem Ausweg

Natürlich ist die Idee, die Herrscher in den Knast zu stecken, ebenso vielversprechend wie unrealistisch. Lediglich die Bevölkerungen wären in der Lage, den erforderlichen Druck aufzubauen und eine Solidarität der Gewalt gegenüberzustellen. Damit sich daraus eine wirkungsvolle Strategie entwickeln kann, müssten sich aber die Bevölkerungen aller Nationen zusammenschließen. Das wird gerade aktiv von allen Seiten verhindert. Dann macht es wenig Sinn, den Verhandlungsdruck nur gegen eine der Kriegsparteien auszurichten. Ein solches Vorgehen würde die kriegerische Eskalation eher befördern, weil die Kriegspartei darin eine Schwäche des Gegners erkennt. Die Vorstellung, dass alle Bevölkerungen einen solidarischen Druck auf die Regierungen ausüben, über den Frieden zu verhandeln, scheint wenig erfolgversprechend zu sein. Also muss nach anderen Auswegen gesucht werden.

Warum Friedenspläne scheitern

Natürlich sind Friedenspläne eine mögliche Option. Dabei handelt es sich aber nur um Schlichtungsversuche. Dass die Friedenspläne ebenso wie alle Verhandlungsinitiativen abgelehnt wurden und unter unveränderten Bedingungen auch weiterhin abgelehnt werden, ist ohne weiteres nachzuvollziehen. Verhandlungen müssen abgelehnt werden, wenn sie auf eine Unterwerfung abzielen oder ein Schuldeingeständnis voraussetzen. Eine derartige Verhandlungsbedingung ist aktuell für keine Seite zu akzeptieren. Wenn die Verhandlungen nicht auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden, werden die dort vorgestellten Friedenspläne kontrovers diskutiert und ausschließlich dazu benutzt, die eigene Position nach vorne zu bringen. Verhandlungen sind weiterhin erschwert, solange es auch nur auf einer Seite eine öffentliche Akzeptanz des Krieges gibt, die ihre Kriegstreiber als Helden verehrt. Weiterhin muss der Lösungsrahmen, den die Verhandlungen eröffnen, einen höhenwertigeren Nutzen ermöglichen, als der mögliche Kriegsgewinn. Schließlich fokussiert jede auf die Beendigung des Krieges bezogene Verhandlung den Krieg. Dieser Fokus stellt den gedanklichen Kontext des Nullsummenspiels her und sorgt lediglich dafür, dass sich das Problem in der Lösung wiederfindet.

Die möglichen Exit-Strategien

Es ist also mehr erforderlich, als konventionelle Schlichtungs- und Verhandlungen anbieten können. Spätestens jetzt richtet sich der Blick auf die Mediation. Kann sie tatsächlich eine Exitstrategie für den Ukraine-Krieg darstellen? Wenn der Begriff Exit-Strategie als Ausstiegs- oder Rückzugsstrategie verstanden wird, deutet schon die Bedeutung des Wortes auf ihre Erfolglosigkeit hin. Sie würde auch mit der Zielsetzung der Mediation kollidieren. Ausstieg oder Rückzug könnte von den Kriegsparteien mit dem Eingeständnis des Scheiterns gleichgesetzt werden. Das ist kaum vorstellbar, solange auch nur eine Seite an den Sieg glaubt.

Die Frage, wie der Krieg zu beenden ist, erlaubt nur 3 logische Antworten: Sieg der einen Seite, Sieg der anderen Seite oder ein Kompromiss mit Teilung des Territoriums, was bei einem Wertekonflikt, bei dem die Identität in Frage steht, keine wirkliche Option darstellt. Darüber hinaus fällt es auch schwer, eine solche Lösung zu akzeptieren, weil der Bruch mit dem UN-Recht und der illegale Einmarsch in die Ukraine damit nicht aufgearbeitet wird. Eine solche Lösung wird immer einen Makel in sich tragen. Sie wird die Sanktionen gegen Russland und andere Länder aufrechterhalten und den notwendigen Wiederaufbau der ukrainischen und der russischen Wirtschaft in Frage stellen. Anders sieht es aus, wenn die Exitstrategie in eine Migrationsstrategie umgewandelt wird.

Die Mediation als Migrationsstrategie

Es geht auch ohne Mediation. Die Historie belegt, dass schon eine einzige Rede genügt, um das Umdenken einzuleiten. John F. Kennedy hielt am 10. Juni 1963 eine höchst bemerkenswerte Rede, als die Kubakrise die Welt an den Rand eines Atomkriegs gebracht hat. Er wandte sich an das amerikanische Volk, um ihm zu vermitteln, dass das sowjetische Volk ein Volk mit Ehre sei, genau wie das amerikanische Volk. Dass es den gleichen Wunsch nach Frieden habe und dass selbst Länder wie die Sowjetunion, die die Vereinigten Staaten als Feind betrachteten, Verträge einhalten würden, wenn sie sowohl im sowjetischen als auch im amerikanischen Interesse lägen, sodass es möglich sei, mit der Sowjetunion zu verhandeln. Diese Rede hat den Atomvertrag mit Russland ermöglicht und einen Weltkrieg verhindert. Was Kennedy geleistet hat, war, das Denken aus der Konfrontation herauszuführen. Die Sichtveränderung hat zu einem Umdenken geführt und den Friedensprozess in Gang gebracht.

Abgesehen davon, dass ein Politiker diesen Formates aktuell wohl nicht zur Verfügung steht, wäre es vor dem Hintergrund der lautstarken, wechselseitigen Verunglimpfungen auch keinem der Akteure möglich, einen solchen Kurswechsel nachvollziehbar und authentisch zu erklären. Es gibt auch keine höhere Macht, die diese Rolle übernehmen könnte. Auch bliebe keine Zeit für eine langfristige Planung. Was aber möglich ist und was die Regierungen auch ihren Bevölkerungen durchaus nahebringen können, ist der Plan, sich auf einen zielführenden Weg jenseits des Krieges zu begeben, der es möglich macht, den Weltfrieden herzustellen. Er muss in eine Auseinandersetzung führen, bei der die Interessen aller Nationen Berücksichtigung finden und die einen höheren Nutzen verspricht, als jedes denkbare Kriegsende erzielen kann. Wenn ein solcher Weg plausibel angeboten wird, kann davon ausgegangen werden, dass keine Nation ein Interesse daran hat, diese Chance zu verspielen.

Das Konfrontationsdilemma

Die Mediation erwartet ein kooperatives Verhalten. Die Chance für ein derartiges Verhalten kann weder gesehen noch ergriffen werden, solange sich die Gedanken im Kontext der Konfrontation bewegen. Im Nullsummenspiel bedeutet die Berücksichtigung der Interessen der Gegenpartei automatisch das Zurücktreten der eigenen Interessen. Jetzt muss bekannt sein, dass die Mediation alle Interessen zu einem höheren Nutzen führen kann, in dem sich die Interessen der einen Partei ebenso wiederfinden wie die der anderen Partei. Die Mediation führt in ein dialektisches Denken hinein. Auch insoweit ermöglicht sie ein Umdenken. Solange dieser Schritt jedoch nicht nachvollzogen werden kann, wird jede Seite darauf bedacht bleiben, ihren strategischen Vorteil zu sichern. Die Kriegsrhetorik verlangt Täuschung. Das konfrontative, vom Misstrauen geprägte Denken sucht nach der Übervorteilung. Es steht einer Kooperation, die ein offenes Gespräch erwartet, im Wege. Welche Wirkungen sich aus dem gedanklichen Kontext ergeben, in dem wir und bewegen, belegt das Schachbeispiel. Es veranschaulicht, dass es nicht genügt, dem Gegner gute Vorschläge zu unterbreiten. Der Weg in die Kooperation wurde in dem Beispiel erst möglich, nachdem ein anderes, völlig neues Spiel eröffnet wurde, bei dem die Kooperation die zielführende Strategie darstellt. Der Name des anderen Spiels heißt in unserem Fall Mediation. Sie könnte auch das Friedensspiel genannt werden. Weil die Konfrontation nicht einfach abgestellt werden kann, kommt es darauf an, dass kooperative Spiel in einer strategischen Exklave auszuführen, wo sich die Konfrontation und die Kooperation nicht in die Quere kommen. Das verlangt ihre klare und formale Abgrenzung. In dem anderen Spiel gelten andere Regeln, nämlich die der Mediation. Für eine Migrationsstrategie kommt es also darauf an, den Weg in das andere Spiel zu weisen, das als eine wirkungsvolle Alternative darzustellen ist.

Die verkannte Mediation

Wenn die Mediation die geeignete Vorgehensweise ist, um den Weg in eine bessere Welt zu finden, kommt die Frage auf, warum diese Möglichkeit nicht ergriffen wird. Immerhin ist die Mediation inzwischen auf der ganzen Welt bekannt. Leider handelt es sich auch bei der Mediation um einen Kollektivsingular, der zu einem sehr ungenauen Verständnis der Mediation führt, sodass nicht klar ist, was genau darunter verstanden wird.

Mediation ist anders

Wenn hier von Mediation die Rede ist, wird die Mediation gemeint, die auf die kognitive Mediationstheorie zurückgeführt wird. Nach diesem Konzept ist die Mediation eine völlig andere Herangehensweise, die nicht mit der Schlichtung oder der konventionellen Verhandlung zu verwechseln ist. Sie ist nicht lediglich ein konstruktiver Dialog, der durch ein emphatisches Zuhören gewährleistet wird. Sie beschreibt statt dessen eine völlig andere gedankliche Herangehensweise an die Problemlösung. Ihre Andersartigkeit ist das entscheidende Merkmal. Sie verwirklicht die Erkenntnis von Albert Einstein, der gesagt hat, dass das Denken, das in ein Problem hineinführt, nicht aus dem Problem herausführen kann. Das Denken der Mediation ist ein Denken, das aus dem Problem herausführt. Es ist nicht linear nach vorne auf die Lösung gerichtet. Es denkt vom erwarteten Nutzen ausgehend rückwärts in die Lösung hinein, und führt dadurch die Gedanken aus dem Problem heraus. Es gelingt ihr, alle Hindernisse aus dem Weg zu räumen, die es den Konfliktparteien verwehren, selbst die Lösung zu finden.

Das Mediationsdilemma

Leider ist die Mediation in dieser Kompetenz nicht ausreichend bekannt. Eine Fachzeitschrift hatte einmal erwähnt, dass es in dem Ukraine Konflikt viele Mediationsangebote gegeben habe. In Wirklichkeit gab es kein einziges. Es wurden Schlichtungen angeboten und Friedenspläne vorgeschlagen. Wenn sogar eine Fachzeitschrift beliebige Vermittlungsversuche als Mediation bezeichnet, ist nachvollziehbar, wenn die Mediation abgelehnt wird, weil ihre Fähigkeiten gar nicht gesehen werden. Etwas das anders ist, lässt sich nicht mit demselben erklären. Wenn die Gedanken im konfrontativen Kontext gefangen sind, fällt es schwer, einem Mediationsverfahren zuzustimmen, weil das Verfahren in diesem Denken nicht plausibel ist. Es bedarf also entweder eines Drucks, der keine andere Alternative erlaubt und das Umdenken innerhalb der Mediation ermöglicht oder eines Umdenkens, das bereits vor der Mediation einsetzt, um eine Herangehensweise, die keine Lösung vorschlagen kann, zu begreifen. Schließlich ist zu bedenken, dass es nicht die Entscheidung einzelner ist. Alle Stakeholder müssen ihr zustimmen. Es ist erforderlich, sich mit Feinden an einen Tisch zu setzen. Wenn sich diese Hürde nicht mit dem übergeordneten Nutzen überwinden lässt, sind Einzelgespräche erforderlich.

Ein optimistischer Ausblick

Es wird deutlich, dass es keinen Frieden geben wird, wenn wir nicht anfangen umzudenken. Wenn das gelingt, sind wir den Kriegen nicht hilflos ausgeliefert. Dann lassen sich die bestehenden Kriege nicht nur beenden, sondern weitere Kriege auch verhindern. Was wäre anders, wenn es Frieden gäbe auf der Welt? Wir könnten überall Freunde haben, reisen wohin wir wollen, uns austauschen und voneinander lernen. Wir könnten aus den Kulturen das Beste zusammenführen und eigene Defizite überwinden. Wir könnten einen fruchtbaren Handel treiben und die Ressourcen zusammenführen. Wir kämen mit nur einer Seidenstraße aus, die die Welt verbindet und alle Menschen versorgt. Wir könnten technische Entwicklungen gemeinsam vorantreiben. Wir könnten die Gelder für die Rüstung sparen und stattdessen für sinnvolle Aufgaben verwenden. Gemeinsam wäre es möglich, sich der Klimaerwärmung zu stellen. Auch wäre es gemeinsam möglich, die Armut und den Hunger zu überwinden. Es gäbe eine Rechtskontrolle, die die Einhaltung der UN-Charta sicherstellt. Wir wären Teil einer großen Weltgesellschaft, in der Militärbündnisse nicht mehr erforderlich sind. Wie hört sich das an?

Falls Sie meinen, das sei eine träumerische Illusion, die sich nicht in die Realität umsetzen ließe, sollten Sie die sich Vorstellung einer friedlichen Welt trotzdem einmal erlauben. Entscheidend ist, dass Sie dabei auf den Nutzen achten und nicht auf die Lösung. Niemand sagt, dass es ein einfacher Weg ist. Um ihn zu gehen, genügt jedoch die Erkenntnis, dass er sich lohnt. Jetzt hilft die Weisheit Laotses weiter, dass der längste Weg mit dem ersten Schritt beginnt. Sie ist mit der Erkenntnis von Konfuzius zu ergänzen, wo der Weg als das Ziel anzusehen ist. Der erste Schritt auf dem Weg und somit zur Zielerreichung, ist die Vereinbarung eines gemeinsamen Ziels, den Friedensweg zu gehen, wofür die Mediation den schnellsten und optimalsten Einstieg anbietet.

Falls Sie meinen, dass Verbrecher doch zur Rechenschaft gezogen werden müssten, ist auch diese Frage ein Teil der erforderlichen Auseinandersetzung. Entscheidend ist die Reihenfolge. Es macht einen Unterschied, ob die Verhandlungen über eine Vergeltung aus der Perspektive eines abgestimmten Friedenskonzeptes geführt werden, hinter dem alle Nationen stehen können oder aus der hasserfüllten Perspektive ungelöster Feindbilder in einer gespaltenen Welt.

Was ist also zu tun?

Wenn wir jetzt auf die eingangs erwähnte Einschätzung zurückkommen, dass der Frieden ein Prozess ist, in dem sich der Krieg erübrigt und dass ein zur Balance führendes Umdenken der Schlüssel dafür ist, zeichnet sich ein Handlungsspielraum ab. Der Prozess beginnt, indem wir zunächst einmal überlegen, was wir selbst tun können, anstatt auf die anderen zu schauen. Mediatoren könnten Vorbilder sein. Sie könnten beweisen, dass eine Solidarität jenseits der Gewalt wenigstens unter den Mediatoren weltweit möglich ist. Sie könnten der Welt und allen, die es angeht, aus dieser Solidarität heraus erklären, wie der Friedensprozess mit Hilfe der Mediation in die Wege zu leiten ist und wo ein Umdenken notwendig ist. Sie könnten helfen, die richtigen Fragen aufzuwerfen und ganz im Sinne der NIMBY-Strategie Dialoge führen. Sie könnten selbst einen Beitrag leisten, sorgfältiger mit der Sprache umzugehen und helfen, die Informationen korrekt zu verstehen. Eine Initiative könnte darin bestehen, dass sich die Mediationsverbände zusammenschließen, um eine Expertise über die Möglichkeiten der Mediation als ein Manifest zur Beendigung der Kriege in die Kreise der Entscheider zu schleusen. Sie könnten statt eines Friedensplanes einen Friedensprozessplan entwerfen und zur Diskussion stellen.

Friedensprozessplan

Ein Plan zum Einstieg in den Friedensprozess müsste mit einem Statement analog zur Rede Kennedy's beginnen und die Völker (nicht die Kriegsverbrecher) als ehrenwerte Nationen wertschätzen, die sich an Vereinbarungen halten, wenn sie den Interessen entsprechen. Das Statement könnte einräumen, dass auf allen Seiten Fehler gemacht wurden und dass versucht werden sollte, daraus zu lernen, um eine neue Friedenskultur auf der Welt zu schaffen. Es sollte alle betroffenen Nationen, also die USA, EU, Ukraine, China und … eingeladen werden auf gleicher Augenhöhe darüber zu verhandeln. Als das gemeinsame Ziel wird der Weltfrieden festgelegt, ohne dass die Lösung in Form von Bedingungen oder Schuldzuweisungen vorgegeben wird. Ideal wäre es, wenn die Verhandlungen in der Form einer Mediation geführt werden, die das Umdenken ermöglicht. Die Verhandlungen lassen die Lösung offen, stellen aber sicher, dass nur ein Ergebnis akzeptiert wird, dass die Zufriedenheit aller herausstellt. Um die Verhandlungen in der strategischen Exklave zu sichern, sit ein Waffenstillstand zu vereinbaren, der den Status quo der Konfrontation aufrecht erhält. Die Sicherung des Waffenstillstandes wird von allen Nationen gewährleistet. Sanktionen werden ausgesetzt und am Ende nur noch als ein Mittel gesehen, die gemeinsamen Beschlüsse durchzusetzen.

Warten auf den Schmetterling

Es gibt viele Ansätze, wie der Krieg zu beenden ist. Man sollte auch nicht verschweigen, dass es sehr schlaue Ansätze und Erkenntnisse gibt, wie die Welt aus dem Schlamassel herausgeführt werden kann. Letztlich entscheidet das Zusammenspiel und der kleinste gemeinsame Nenner. obwohl wir dazu neigen, linear nach vorne zu denken, bedingt die Komplexität der Welt eine andere Logik. Ihre Logik lässt sich anhand der Chaostheorie beschreiben, wo der Flügelschlag eines Schmetterlings durch die Verkettung unterschiedlicher Einflüsse und Kausalitäten in der Lage ist, einen Hurrcane auszulösen. Wäre doch möglich, dass nur ein Gedanke wie in der Rede Kennedys den Schmetterlingseffekt auslöst. Es besteht also noch Hoffnung.

Arthur Trossen


Gerne können Sie Ihre Meinung zu dem Artikel im Kommentar unterhalb des Beitrages äußern oder im Forumsbeitrag Funktioniert eine Mediation im Krieg? darüber diskutieren und sich an der an der Entwicklung der Forschungsarbeit im Thinktank beteiligen.
1 Siehe dazu und weitere Fundstellen unter Krieg
2 Siehe dazu die Ausführungen in Soziologie
3 Siehe Freud (Warum Krieg?) - 2023-09-27
4 Unternehmen haben das erkannt, weshalb sie nach heterarchischen Strukturen suchen. Siehe Soziologie
5 Siehe dazu auch Startprobleme
6 Das wird in Wikipedia angenommen: https://de.wikipedia.org/wiki/Krieg
7 Siehe Thamm (Die düstere Allianz) - 2023-09-25
8 Siehe das Video unter Ziel
9 Anlehnung an eine weitere Indianerweisheit. Siehe Die zwei Wölfe
12 Siehe zur Abgrenzung Parteien