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Staat, Justiz und Gesellschaft

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Titelseite des 12. Buchabschnitts, der sich mit dem Verhältnis von Staat, Justiz und Gesellschaft zur Mediation näher auseinandersetzt.

Fachbuch Staat Öffentlichkeit Justiz Institutionalisierung Implementierung Politik Güterichter

Worum es geht: Die (un)vermittelte Gesellschaft.
Die Mediation hat durchaus eine gesellschaftliche Dimension. Manche sehen in ihr die Chance zur Verbesserung der Streitkultur, andere sehen in ihr die Chance zur Verwirklichung der Zivilgesellschaft, wieder andere sehen in ihr eine Alternative zum Gericht. Alles hängt irgendwie miteinander zusammen und beeinflusst sich wechselseitig. Die Kapitel im 12. Abschnitt des Mediationshandbuchs setzen sich mit der Problematik auseinander.

Einführung und Inhalt: Warum wenden Politiker eigentlich nicht selbst an, was sie von den Bürgern erwarten?

Die Demokratie lebt vom Kompromiss


In diesem Zitat von Helmut Schmidt1 zeigt sich die Diskrepanz zur Mediation, denn diese lebt vom Konsens, nicht vom Kompromiss. Das 8. Buch Wiki to Yes befasst sich mit den gesellschaftlichen Einflüssen auf die Mediation, mit der Rolle des Staatses und mit deren Einflüssen auf die Gesellschaft.

Einführung

Die Gesellschaft - und mit ihr das menschliche Miteinander - sind der Acker auf dem die Mediation gedeiht. Umgekehrt kann die Mediation aber auch den Acker bereiten. Man könnte sagen, dass sich die Mediation zur Gesellschaft verhält wie der Konsens zum Kompromiss. Wenn diese Relation korrekt ist, dann lautet der Lehrsatz:

 Merke:
Leitsatz 4971 - Je mehr Raum der Konsens bekommt, umso wahrscheinlicher wird die Mediation!

Umgekehrt bedeutet diese Formal aber auch: Je mehr Raum die Mediation bekommt, umso mehr verdrängt sie den Kompromiss. Ist das gewollt? Wer die Mediation implementieren will, muss sich mit der Frage auseinandersetzen, was die Mediation bewirkt und inwieweit dieser Wirkfaktor eine Chance oder eine Gefahr für das System darstellt, in das die Mediation zu implementieren ist.

Mediation in Systemen

Ganz gleich, ob es sich um die Gesellschaft, den Staat, eine Behörde, ein Unternehmen oder eine beliebige Gemeinschaft handelt, in das die Mediation Einzug halten soll, die Systemtheorie hilft, Fragen der Implementierung zu beantworten. Sie beschreibt, wie die Mediation, selbst als ein System verstanden, mit anderen Systemen (wie z.B. die Justiz) oder mit der Umwelt (wie z.B. die Gesellschaft) interagieren kann. Wiki-Interaktion bedeutet stets Veränderung. Sie ist der Schlüssel für die Gestaltung der Zukunft. Wenn die Mediation ein Prozessmanagement ist, dann kann sie den Maßstab für die Veränderungen setzen, die den Veränderungsprozess etablieren sollen. Längst reden wir nicht mehr von einem Verfahren oder einer Dienstleistung. Wir reden von der Mediation als eine Art des Herangehens an Problemen, eine Art des Denkens. Wir reden von der Mediation als eine Art Philosophie.2

Politik und Mediation

Die Politik hat das Mediationsgesetz als einen Meilenstein herausgestellt. Tatsächlich begegnet das Gesetz einigen Irritationen, die daraus eher einen Stolperstein machen. Die politischen Ziele sind unklar. Was bedeutet es, wenn die Mediation gestärkt wird und was genau fördert die Politik, wenn sie die Mediation stärken will? Fördert sie die Nachfrage nach einem Produkt, eine friedliche Kultur, ein anderes Denken? Passt die Mediation überhaupt in eine Demokratie oder begünstigt sie nicht eher einen Systemwechsel und führt die Zivilgesellschaft herbei?

Die Politik sollte sich hierüber bewusst werden und einigen. Spätestens bei der Frage, welche politischen Ziele mit der Mediation verfolgt werden, geraten auch die Werkzeuge der Mediation in den Fokus. Zweifellos stellt die Mediation Methoden zur Verfügung,3 mit denen sich eine aktive Bürgerbeteiligung als Teil einer partizipativen Demokratie verwirklichen lässt. Auch stellt die Mediation ein Denken zur Verfügung, das jeder Demagogie entgegentritt und ein friedliches Miteinander begünstigt,4 falls so etwas überhaupt gewollt ist.5

Die Politik kann durchaus Einfluss auf die Entwicklung der Mediation nehmen. Wie ihr das gelingt ist eine Frage der Mediationspolitik, die sich unmittelbar auf die Frage der Implementierung der Mediation auswirkt. Es gibt jedoch eine Wechselwirkung, weil sich die Art und Weise, wie und als was die Mediation in die Gesellschaft implementiert wird auch auf die Politik auswirken wird. Man sollte diese Wirkungen nicht dem Zufall überlassen, wenn eine Verpuffung vermieden werden soll.6 Das wäre dann das Gegenteil von der Stärkung der Mediation.

Über das Verhältnis von Politik und Mediation

 Merke:
Leitsatz 4972 - Die Politik nimmt (unbewussten) Einfluss auf die Implementierung der Mediation, indem sie dem Konsens einen Weg bereitet - oder ihn verhindert.

Einflüsse der Justiz

In der modernen Justiz kommt der Servicegedanke immer stärker auf. Nicht nur deshalb stellt sich die Justiz der Mediation. Es ist ein Spagat, denn die Erweiterung ihres Portfolios um das "neue Produkt" stellt nicht nur ihre Funktion als Rechtsprechung in Frage, sondern bewirkt auch, dass die Justiz als Marktteilnehmer in Erscheinung tritt. Unter dem Oberbegriff Gerichtsmediation werden die gerichtsinterne Mediation,das Güterichterverfahren, die GerichtsintegrierteMediation und die gerichtsnaheMediation zusammengefasst. Mit dem Mediationsgesetz wurde eine Unterscheidung zwischen der Mediation als Verfahren und der Methode eingeführt. Der Güterichter wendet nach § 278 Abs. 5 ZPO die Methode der Mediation an, ohne dass das Mediationsgesetz auf diese Art der Mediation anwendbar wird.

Die Bedeutung der Justiz im Umfeld der Mediation

 Merke:
Leitsatz 4973 - Mediation ist keine Rechtsprechung. Auch nicht wenn sie im Gericht stattfindet!

Anforderungen des Rechts

Gerechtigkeit ist ein Gefühl. Weil die Mediation auf dem Weg ihrer Komplexitätsbewältigung auch mit Gefühlen umgeht, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein meditatives Ergebnis als gerecht empfunden wird, paradoxerweise höher, als wenn ein Recht gesprochen wird, das zumindest eine Partei emotional nicht nachvollziehen kann.

 Merke:
Leitsatz 4974 - Die Einigung ist stets in der Lage, das Recht zu korrigieren!

Die Frage ist also nicht: Wird Gerechtigkeit gesprochen sondern haben wir den Mut und die Kompetenz uns zu einigen. Der Richter hat nach § 278 Abs. 1 ZPO den Auftrag, in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Beilegung des Rechtsstreits oder einzelner Streitpunkte bedacht zu sein. Die gerichtliche Lösung ist also auch aus der Sicht des Gesetzgebers gegenüber einer Einigung der Parteien nachrangig. Wie die Gesellschaft mit der Justiz und diese mit der Rechtsprechung umgeht ist im 5. Buch behandelt.

Versicherung

Auch wenn der Gedanke nahe liegt, ergeben sich nicht nur Berührungspunkte mit der Rechtsschutz-,7 sondern auch mit der Haftpflichtversicherung. Zwar ist die Haftpflichtversicherung nicht die unmittelbar in Anspruch zu nehmende Partei. Dennoch hat sie ein nicht unerhebliches Interesse daran, wie ein Streit über eine Schadensersatzpflicht beispielsweise auszugehen hat. Anders als die Partei hat sie keinen emotionalen Bezug zur Schädigung, sodass die Entscheidung der Versicherung diese Dimension des Streites oft ausblendet. Vielleicht ist das der Grund, warum der Haftpflichtversicherung oft vorgeworfen wird, sie habe ein eigenes Interesse an der Zahlungsverweigerung. In jedem Fall hat sie ein Interesse und wäre im Falle einer Mediation zu beteiligen.

In der Mediation würden die emotionalen Aspekte nicht nur angesprochen, sondern in die Verhandlung mit einbezogen. Das erlaubt es der Versicherung erstens, den Fall vollständiger wahrzunehmen und zweitens mitzudenken, wie diese Ebene der Konfliktbewältigung abgedeckt werden kann.

Einflüsse der Wirtschaft

Welche Auswirkungen hätte es auf die Wirtschaft, wenn die Parteien statt zum Gericht zur Mediation gingen? Welche Auswirkungen hätte es auf die Wirtschaft, wenn Betriebsrat und Geschäftsführung nicht mehr streiten müssten? Würden die Gewerkschaften überflüssig und würden die Richter und Rechtsanwälte arbeitslos, gäbe es Entlassungen? Wie werden sich die Marktteilnehmer (z.B. die Gewerkschaften, Richter und Rechtsanwälte ) verhalten, wenn sich ihr Markt verengt? Eine Wohlfahrtsanalyse würde helfen, diese Frage zu beantworten. Die Mediatoren glauben, der Markt sei zumindest theoretisch für die Mediation als Produkt unbegrenzt. Die Statistik belegt jedoch ein anderes Bild.8

 Merke:
Leitsatz 4975 - Je mehr sich die Mediation etabliert, umso schärfer wird der Wettbewerb, wenn er nicht an mediativen Grundsätzen ausgerichtet wird!

Der Wettbewerb begünstigt die Konfrontation und damit einhergehend die Ausgrenzung, die Lobbyarbeit, die Übervorteilung, das Schlechtreden und alles, was sich ein Mediator nicht eingestehen kann. Es kommt zu einem verdeckten Wettbewerb. Die Coopetitionwäre ein Konzept, das eher zu einem Mediationsmarkt passen würde und einen konstruktiven Wettbewerb ermöglicht. Wiki-to-Yes folgt diesem Ansatz.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-02-19 15:12 / Version 230.

Alias: Gesellschaft
Geprüft:

2 Das ist die Sicht der integrierten Mediation
4 Beispiel für die Wirkungen des meditativen Denkens im Politikbereich https://www.in-mediation.eu
5 Es gibt positive Ansätze. Siehe die Nachricht Eine neue Debattenkultur, wo von einer neuen Debattenkultur (nicht Streitkultur!) und hoffnungsvoller Politik die Rede ist


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag März 29, 2024 02:14:55 CET.

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