Ich kannte den Begriff bisher noch nicht. Das hat wahrscheinlich damit zu tun, dass ich mich nicht auf Datingseiten herumtreibe. Die Nerds haben den Ausdruck wohl in ihren Sprachgebrauch integriert. Neugierig wurde ich erst durch einen Zeitungsartikel mit der Überschrift "Wie Firmen Bewerber mit Love Bombing locken". Damit bewegen wir uns in ein Phänomen der Arbeitswelt, das Coaches, Supervisoren, Mediatoren und Konfliktmanager kennen sollten. Das alleine ist schon Grund genug, dem Phänomen auf einem Mediationsportal auf den Grund zu gehen. Wer weiter recherchiert, begegnet dem Phänomen auch in anderen Lebenssituationen und findet außer Hinweisen sogar Warnungen. Damit wird Love Bombing zu einem Konfliktthema, das für den Umgang mit Beziehungen schlechthin bedeutsam wird und nicht nur bei Trennungen oder Konflikten in der Arbeitswelt eine Rolle spielt. Bevor ich darauf eingehe, soll zunächst geklärt werden worum es genau geht.

Was ist Love Bombing?

Bestandteile sind die Worte Love also Liebe und Bombing also Bombenanschlag. Das passt irgendwie nicht zusammen. Von Liebe kann man doch nicht genug kriegen, könnte man meinen. Allerdings ist echte Liebe niemals ein Bombenanschlag. Bomben implizieren eine Zerstörung. Man mag sich jetzt fragen, wer oder was zerstört wird. Im Zweifel ist es die Liebe selbst. Jedenfalls macht die Begriffskombination deutlich, dass es um alles geht, nur nicht um eine echte Liebe, dier sich für das Wohlergehen der Liebespartner interessiert. Ein Beitrag im Gesundheitsmagazin der AOK definiert Love Bombing wie folgt:1

Love bombing (Liebesbombardement) ist eine manipulative Beziehungstaktik, bei der jemand von einem „Love Bomber“ oder einer „Love Bomberin“ mit Aufmerksamkeit, Geschenken, Komplimenten und Versprechen regelrecht überschüttet wird. Der Love Bomber oder die Love Bomberin täuscht ernste Absichten vor und zielt darauf ab, eine Person schnellstmöglich von sich abhängig zu machen. Es handelt sich dabei um eine Form von emotionalem Missbrauch.


In einem anderen Beitrag war zu lesen:2

Der Arbeitgeber rollt den roten Teppich aus, und du denkst, du bist im Himmel gelandet. Das Ziel: Einen Mitarbeiter zu finden und schnell an sich zu binden. Wenn du tatsächlich bei der Firma anfängst, stellst du allerdings fest, dass vieles davon nicht eingehalten wird, der Arbeitgeber vielleicht gar nicht alles einhalten kann.


Menschen, die zu diesem Verhalten neigen, werden oft narzisstische Hintergründe und ein geringes Selbstwertgefühl zugeschrieben. Ihnen werden eine starke Selbstbezogenheit, eine Überbewertung der eigenen Person und mangelnde Empathie als Persönlichkeitsmerkmale zugeschrieben. Anders als beim Gaslighting werden aber nicht Lügen und Unterstellungen zur Manipulation genutzt, sondern eine übertriebene Zuwendung.

Was macht Love Bombing so gefährlich?

Es sind immer zwei Seiten erforderlich, die sich an dem Spiel beteiligen. Da ist zum einen der Akteur (um das Wort Täter oder Bombenleger zu vermeiden) und zum anderen der Reakteur (um das Wort Opfer zu vermeiden). Also eine Person, die handelt und eine andere, die auf das Schmeicheln und die übertriebene Zuwendung und die Versprechungen hereinfällt. In Beziehungen besteht die Gefahr, dass der Akteur zum Lebensmittelpunkt und so stark bewundert wird, dass daraus eine toxische, durch Abhängigkeit geprägte Beziehung entsteht. Wenn es zu einem Abhängigkeitsverhältnis gekommen ist, zeigt der Akteur sein wahres Gesicht. Er hat erreicht was er wollte und muss sich nicht mehr um die Gunst der anderen Person bemühen. Selbst wenn die Versprechungen - wie teilweise in der Arbeitswelt - sogar eingehalten werden, stellt es sich schnell heraus, dass sie nicht genügen, um eine solide Arbeitsbeziehung zu begründen.

Es gibt eine gesellschaftliche Relevanz

In allen Fällen geht es darum, eine Beziehung einzugehen. Deshalb wird das Love Bombing meistens beim Kennenlernen angewendet. In allen Fällen steht aber nicht die Beziehung im Vordergrund des Werbers, sondern der sich für ihn daraus ergebende, einseitige Vorteil. Die Beziehung selbst steht nicht im Vordergrund. Man kann nur hoffen, dass Love bombing kein weiteres Phänomen darstellt, das die Menschen noch misstrauischer aufeinander macht. Misstrauen haben wir genug in der Gesellschaft. Statt allem und jedem zu misstrauen, sollte das Phänomen zum Anlass genommen werden, seine Kommunikationsfähigkeiten auszubauen und sich in sozialer Kompetenz zu üben. Carl Rogers hat die Variablen einer gelingenden Kommunikation herausgestellt. Da geht es um Empathie, Authentizität und Akzeptanz.3

Die zwei Seiten der Medaille

Es ist ein Geben und Nehmen. Wer viel (Schmeicheleien und vorgetäuschte Zuneigung) nimmt, muss später viel geben. In allen Fällen sollte die umworbene Person darauf achten, was ihr wirklich wichtig ist. Damit wendet sich der Blick vom Täter weg auf die betroffene Person. Sie mag sich fragen, warum sie dafür so anfällig ist. Handelt es sich um eine Person, die schon einmal verletzt wurde und Probleme hat auf andere zuzugehen? Lautet der Name vom Rumpelstilzchen etwa "Achte mal auf Deinen eigenen Wert!"? Wer sich seines Wertes bewusst ist,4 ist für Liebe empfänglich und gegen Love Bombing immun. Mit dieser Erkenntnis kommen wir auf die Konfliktarbeit zu sprechen und die Möglichkeit, sich aus der Abhängigkeit zu befreien. 5

Arthur Trossen


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