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Forscherforum

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Die kognitive Mediationstheorie (Theoriendiskurs)

Die Mediation ist ein Verfahren, das sich mit Erkenntnissen auseinandersetzt, um Erkenntnisse zu erwirken. Schon diese Auffassung muss nicht von allen geteilt werden. Eine generelle Vorgabe ist jedoch, dass die Parteien die Lösung selbst finden sollen. Dann sind sie es, die die dazu führenden Erkenntnisse gewinnen müssen. Es gibt bislang noch keine Theorie, die es erlaubt, die Mediation im Zusammenhang zu erläutern und herzuleiten, warum was wie in der Mediation zu tun ist, damit sich das Ergebnis der Mediation herstellen lässt. Sicherlich gibt es viele Theoriefragmente, die Phänomene der Mediation beschreiben. Eine Herleitung, die den Vorgang jedoch im Zusammenhang begründen kann, gibt es nicht. Ausgenommen ist die kognitive Mediationstheorie. Sie versteht die Mediation als einen Prozess, der die zur Lösung führenden Gedankenschritte der Parteien genau zu beschreiben vermag. Siehe die Ausführungen im Beitrag Mediationstheorie. Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass derMensch grundsätzlich in der Lage ist, Probleme selbst zu lösen. Die Frage ist also, warum es ihm nicht im Konflikt gelingt. Mithin untersuchte kognitive Mediationstheorie welche Hindernisse der Lösungsfindung im Wege stehen und wie die Mediation dazu beiträgt, diese Hindernisse zu überwinden oder von vornherein zu vermeiden. Egner hat die Theorie als eine spezielle Mediationstheorie beschrieben. Sie bestätigt ihre Herleitung aus einer sozialwissenschaftlichen Sicht, die sich mit den Fragen der Komplexität und Emergenz auseinandersetzen. Eine wissenschaftliche Herleitung der Mediation ist für die Frage der Qualität, der Abgrenzung und für das Verständnis der Mediation dringend erforderlich. Die kognitive Mediationstheorie ist eine Vorgabe, die auf ihre Allgemeingültigkeit noch zu untersuchen ist. Der wissenschaftliche Diskurs soll dieser Frage auf den Grund gehen.
Lesen Sie hierzu die Masterarbeit von Heike Egner im Repositorium unter WR2455 zum Thema "Komplexität und Emergenz in der Mediation". Sie erwähnt die kognitive Mediationstheorie, die ihre Arbeit inspiriert hat und die sie als eine spezielle Theorie der Mediation bezeichnet. Das Besondere an der Arbeit ist die Herleitung der Mediation aus einer sozialwissenschaftlichen Sicht.

Mediationstheorie (systemisch)

Versuch der Formulierung einer neuen Theorie:

Mediation ist ein Verständigungsverfahren, das auf dem Prinzip von sich selbst orga-nisierenden, d.h. ordnenden Systemen beruht. Mediation beruht danach auf dem Gedanken der Einheit in einer natürlichen Ordnung, die sich von selber herstellt. Das Verfahren wird geleitet von einer unabhängigen Person, dem Mediator, der auch sich selbst von dieser natürlichen Ordnung führen lässt.

Wir gehen in der Mediation von Grundannahmen aus; diese müssen vor Beginn der Mediation geklärt und miteinander vereinbart werden:

Wir gehen davon aus, dass streitende Menschen oder Parteien eine Lösung (nicht unbedingt eine vertragliche Einigung) suchen, die sie sowohl einander als auch sich selbst wieder vertrauen lässt. Nicht jeder Konflikt hat dieses Ziel. Der Mediator ist eine Person, die diese Verständigungssuche vermittelt. Aus der Überzeugung vom Vorhandensein einer natürlichen Ordnung, die sich von selber herstellt, also nicht besonders erzeugt werden muss, folgt alles Handeln. Diese Grundannahmen bilden den gemeinsamen Rahmen, das gemeinsame Grundverständnis der Mediation.

Aus der systemischen Sicht betrachten wir die Streitparteien als ein System, sowie die Mediationsleiter, verkörpert durch den Mediator oder die Mediatoren als ein wei-teres System, die zusammen mit den Streitparteien unter dem Begriff „Mediation“ ein Gesamtsystem bilden. Hiervon ausgehend betrachten wir den Ablauf der Mediation unter dem Gedanken von sich selbst organisierenden Systemen, ihrem Bezug untereinander und in dem Verhältnis zu ihren Umwelten. Weiter betrachten wir die beteiligten Menschen als Elemente, aus denen sich die Systeme zusammensetzen.

Wie nun kommt der Mediationsprozess in Gang? Das ist die Stelle, an der das Prin-zip „Ordnung durch Unordnung“ („Order-from-noise“) zum Zuge kommt. Das Prinzip „Ordnung durch Unordnung“ meint die natürliche Tendenz der Systeme, sich selbstständig zueinander und den Elementen in ihrem Inneren aus Unordnung zu ordnen. Dieses Prinzip wird vom Mediator angestoßen, indem er zunächst die Unordnung vergrößert und damit die „Stabilität“ des Konflikts erschüttert. Soweit der Beginn, - der reicht jedoch allein nicht aus, den Mediationsprozess „geordnet“ zu führen und zu Ende zu bringen. Der Mediator muss hierfür auch das eigene System dieser natürlichen Ordnung überlassen und darf nicht willkürlich handeln. Dreh- und Angelpunkt ist eine innere Haltung, die sich aus nichts anderem ableiten lässt als aus ihm selbst. Sie bildet für ihn den alleinigen Bezugspunkt, aus dem sich die Kommunikation entwickelt. Die spezielle Haltung des Mediators ist somit keine irgendwie moral- oder wissenschaftsbestimmte Haltung, sondern allein in den genuinen Eigenschaften seiner Person begründet. Da für alle Beteiligten das gleiche Prinzip der sich selbst organisierenden Systeme gilt, folgt zwangsläufig, dass dem Mediator im Kernprozess der Mediation kein Vorrang vor den Konfliktparteien zukommt. Hierauf beruht wesentlich seine Neutralität, weniger auf der Befolgung der Verfahrensvorschriften. Seine besondere Kompetenz im Verfahren liegt allein in der Gestaltung und Einhaltung des Mediationsrahmens. Erlernte Techniken und Methoden dienen lediglich als Ergänzung seiner Haltung; sie stellen keine unabdingbare Basis der Mediation dar.

Der Mediator ist zwar Teil eines Gesamtsystems, in dem sich die Personen befinden, das sich selbst organisiert. Dennoch kommt es darin auch auf sein individuelles Handeln an. Es ist nicht gleichgültig was er tut. Sein Handeln muss sich in vollkommener Übereinstimmung mit dem Gesamtsystem wie auch mit seiner eigenen genuinen menschlichen Natur befinden.

Ich gehe 100% konform lieber Werner. Bleibt die Frage nach den Wirkmechanismen. Für eine Theorie müssen wir auch an alle Mediationen denken. Also auch an die, bei denen der Konflikt nicht das Ziel hat, eine Lösung zu suchen, die sie sowohl einander als auch sich selbst wieder vertrauen lässt. Für mich steht das Nachdenken (die Refexionsfähigkeit) im Vordergrund, die ja auch durch die "Ordnung durch Unordnung" ausgelöst wird und durch das Wecken von Zweifeln, das mit der Unordnung einhergeht. Als Mediator muss man behutsam damit umgehen, weil nicht jeder Mensch die Zweifel und die Unordnung ertragen will. Ich hatte letztens eine spannende Disjussion mit einem Kollegen, der sagte, für ihn steht die Emotion im Vordergrund und das sei der Anker an dem sich alles bewegen lässt. Er grenzte die Emotion von der Kognition ab. Für mich gibt es da keinen Unterschied. Denn schon wenn ich mir die Emotion bewusst mache oder darüber spreche bin ich im kognitiven Bereich. Das gleiche gilt für die Unordnung. Alles kommt darauf zurück, wie wir Menschen mit Informationen oder besser gesagt mit fehlenden Informationen umgehen. Und das ist wie das gehirn ein außerordentlich komplexer Vorgang. Je besser der Mediator ihn kennt, umso besser kann er mediieren.