Arthur Trossen (Hrsg.): "Mediation (un)geregelt"
Die Konsolidierung von Mediation, Psychologie und Recht

Win-Management GmbH, 1. Auflage 2014, 960 Seiten, 75 €, ISBN: 9 783981 385434


Mit der parlamentarischen Verabschiedung des deutschen Mediationsgesetzes am 21.07.2012 wurde zweifellos ein bedeutsamer Meilenstein auf dem Weg zur Etablierung der Mediation in Deutschland gesetzt. Die Befürworter dieses Gesetzes betonen insbesondere die damit verbundene politische und gesellschaftliche Anerkennung der Mediation. Die Skeptiker kritisieren beispielsweise die mit den gesetzlichen Festlegungen einhergehenden Beschränkungen mediativen Vorgehens. Die Realität verweist auf einen nicht unbedingt goldenen Mittelweg: Einiges ist geregelt, aber längst nicht alles, und das, was geregelt ist, rechtfertigt in vielerlei Hinsicht kritische Nachfragen. In diesem Sinne ndet sich in dem von Arthur Trossen herausgegebenen Buch „Mediation (un)geregelt“ auf 960 Seiten eine umfassende und durchaus kritische Auseinandersetzung mit dem, was Mediation einerseits ist bzw. sein kann und inwieweit dies andererseits mit dem deutschen Mediationsgesetz (und zugehörigen Nebenbestimmungen) vereinbar ist.

Ein ungewöhnliches Buch – aus guten Gründen

Dabei ist nicht nur der Buchtitel wegen seiner– nach eingehender Lektüre durchaus nachvollziehbaren - Unbestimmtheit ungewöhnlich, auch zwei Gestal- tungselemente verdienen diese im wörtlichen Sinne zu verstehende Bezeichnung: Zunächst stellt sich „Mediation (un)geregelt“ sowohl als Lehrbuch der Mediation (rund 420 Seiten) als auch als Kommentar zum Mediationsgesetz (rund 220 Seiten) und anderen Vorschriften vor. Dabei erweist sich diese Aufteilung als durchaus zweckmäßig, weil im Mediationsgesetz eben vieles ungeregelt – gleichwohl bedeutsam – ist und zugleich im Lehrbuch-Teil den nachstehenden kommentierenden Ausführungen eine ordentliche Grundlage verschafft wird. Die zweite Besonder- heit besteht darin, dass die Beiträge der Mitautoren nicht jeweils als unverbundene Einzelstücke vorgelegt werden, sondern einer einheitlichen Überarbeitung durch den Herausgeber und Hauptautor unterzogen wurden. Das Ergebnis dürfte zwar mit üblichen aka- demischen Zitierweisen nur schwer in Einklang zu bringen sein, verleiht dem Buch aber ein hohes Maß an inhaltlicher und stilistischer Homogenität.

Ein Lehrbuch? Ein Arbeitsbuch!

In „Mediation (un)geregelt“ werden die mit Mediation verbundenen rechtlichen Fragen kenntnisreich und mit hohem Praxisbezug in anerkennenswerter Breite und Tiefe vorgestellt; dabei bleiben die Ausführungen im Lehrbuchteil keineswegs auf das Mediationsgesetz beschränkt, sondern thematisieren beispielsweise auch die steuerrechtliche Frage, ob Mediationskosten „außergewöhnliche Belastungen“ darstellen.

Bedenkenswerte Meinungsunterschiede in Praxis und Literatur zu mediationskonzeptionellen Fragen werden in angemessenem Umfang thematisiert, erfreulicherweise oftmals ohne eine abschließende mit vermeintliche „letzte Wahrheiten“ zu behaupten. Gerade hierin zeigt sich eine besondere Stärke des Buches: bei aller praxisbasierten und konzeptionell gestützten Information bleibt der Leser bzw. die Leserin immer gefordert, sich eigene Gedanken über das Dargestellte zu machen.

Besonders empfehlenswert erscheinen mir in diesem Zusammenhang bereits das einleitende Kapitel „Grundsätzliches“, in dem der eigene Kenntnisstand über „Mediation an sich“ noch einmal reinventarisiert werden kann, sowie die durchaus kritischen Ausführungen zur Zielsetzung des Mediationsgesetzes.

„Mediation (un)geregelt“ ist keine geschmeidige Lektüre, sondern auch für den aktiv tätigen Mediator eine Herausforderung, bisherige „Gewissheiten“ über Mediation und das eigene Tun kritisch zu hinterfragen. Dabei gerät man in dem Buch auch an einige Eigenwilligkeiten, die man nicht unbedingt teilen muss. Hierzu gehören etwa Begrifflichkeiten, die von üblichen Definitionen abweichen (beispielsweise Konfliktdimension anstelle von Konfliktart), aber auch inhaltliche Positionierungen wie etwa zur Freiwilligkeit, bei der allzu sehr an Äußerlichkeiten (Erscheinen der Konfliktparteien, Unterzeichnung des Mediationsvertrags) angeknüpft wird. Insgesamt fordert das Buch zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Gelesenen geradezu heraus und wird damit zu einem echten Arbeitsbuch, das möglichst mit griffbereitem Bleistift für eigene Notizen und Anmerkungen in die Hand genommen werden sollte.

Besondere Herausforderung

Für zwei Lesergruppen stellt sich „Mediation (un) geregelt“ vermutlich als schwere Kost, aber keineswegs als unverdaulich dar:
• Für Mediationsanfänger dürften einige Ausführungen zu viel Erfahrungswissen über Mediation voraussetzen, hier wird ein späteres, erneutes Durcharbeiten des Buches sicherlich für zusätzlichen Erkenntnisgewinn sorgen.
• Dem nur gering juristisch vorgebildeten Leserkreis dürfte zu manchen Erörterungen oder Ausführungen das erforderliche Basiswissen fehlen, beispielsweise im Zusammenhang mit der Erörterung von Haftungsfragen. Hier kann die Durcharbeitung des Buches aber zu durchaus hilfreichen Hinweisen bei rechtlichen Fragen führen.

Kein ungetrübtes Lesevergnügen

Der Gesamteindruck von „Mediation (un)geregelt“ wird – bei aller inhaltlicher Qualität - durch einige ge- stalterische Unzulänglichkeiten getrübt, die in einer Folgeau age beseitigt werden sollten. Hierzu gehö- ren verlorengegangene Referenzierungen, die im Text mit einem knackigen „Fehler! Verweisquelle konnte nicht gefunden werden.“ ausgewiesen werden, eben- so wie der Hinweis im Index, dass sich die Zahlenan- gaben auf die Absatznummern beziehen – tatsächlich handelt es sich um Seitenangaben. Auch würden in einem so umfangreichen Werk lebende Kolumnentitel und eine Nummerierung von Kapiteln, Abschnitten und Unterabschnitten die jederzeitige Orientierung, in welchem größeren Zusammenhang die jeweiligen Ausführungen stehen, deutlich erleichtern.

Fazit

„Mediation (un)geregelt“ ist ein gleichermaßen umfassendes wie interessantes Buch zu den rechtlichen Aspekten der Mediation, das zur stetigen Auseinan- dersetzung mit dem Dargebotenen geradezu herausfordert. Inwieweit Leser und Leserinnen einen Gewinn aus der Lektüre dieses Buches ziehen, hängt wesentlich von ihnen selbst ab: Wer bereit ist, sich einzulassen, kann großen Gewinn daraus ziehen; wer lediglich die Bestätigung eigener Meinungen und Einschätzungen erhofft, wird es schnell wieder beiseitelegen.

Meine Einschätzung: Das Buch gehört in jeden guten „Mediatoren-Haushalt“ – und ein gespitzter Bleistift sollte immer direkt daneben liegen.

Dr. Karl Heinz Blasweiler, Lüdenscheid
MEDIATOR 01/2015
Neuerscheinung 29