Das Thema ist derart komplex, dass es den Rahmen eines einzelnen Artikels sprengen würde, wenn es von allen Seiten im Detail beleuchtet wird. Eine Einführung mag jedoch dazu beitragen, einen Eindruck von der Vielfalt und der Bedeutung der anwaltlichen Arbeit in Familienangelegenheiten zu vermitteln. Detailfragen lassen sich durch die Verlinkung mit Beiträgen im Wiki to Yes klären, wo auch Diskussionsforen und Möglichkeiten zur Vertiefung zur Verfügung stehen.1

Was in der Rechtssprache als eine Familiensache bezeichnet wird, ist in der Mediation eine Familienangelegenheit. Schon die Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit eine Familienangelegenheit auf eine Sache reduziert werden kann, deutet auf den Bearbeitungsumfang und den Grad der Unterstützung hin. Geht es wirklich nur um eine Sache oder geht es um den dahinter verborgenen Konflikt? Um die Sensibilität der Problematik einer effizienten Mandatsbearbeitung in familiären Angelegenheiten aufzuzeigen, sollten zunächst einige grundlegende Fragen geklärt werden.

Grundlegende Fragen vorab

Ein Mandat ist der Auftrag, jemanden in einer Angelegenheit juristisch zu vertreten. Gerade in Familiensachen kommt bereits die Frage auf, ob sich ein Familienkonflikt überhaupt mit der Brille des Juristen beilegen lässt. Die mitunter langwierigen Prozesse lassen berechtigte Zweifel aufkommen. Sie werfen die Frage nach der Effizienz auf. Die Effizienz wird als Zielerreichung mit geringstem und wirkungsvollstem Aufwand beschrieben. Lange Prozesse erfüllen diese Anforderung offenbar nicht. Sie sind also nicht effizient. Es kommen verschiedene Sichten auf. Der Klient mag die Frage nach der Effizienz anders beurteilen als der Dienstleister. Somit ist auch die Frage abzustimmen, was überhaupt das Ziel sein soll und welcher Weg dorthin führt. Falls es sich noch nicht aus der Zielfestlegung ergibt, sollte auch geklärt werden, worauf sich die effiziente Mandatsbearbeitung bezieht und was ist damit genau gemeint ist?

§11 BORA verpflichtet den Rechtsanwalt, das Mandat in angemessener Zeit zu bearbeiten und den Mandanten über alle für den Fortgang der Sache wesentlichen Vorgänge und Maßnahmen unverzüglich zu unterrichten. Dem Mandanten ist insbesondere von allen wesentlichen erhaltenen oder versandten Schriftstücken Kenntnis zu geben. Anfragen des Mandanten sind unverzüglich zu beantworten. §11 BORA beantwortet weder die Frage, was ein Mandat überhaupt ist noch was effizient bedeutet.

Der Begriff Mandat kommt aus dem Lateinischen von ex manu und bedeutet aus der Hand gegeben. Im Rechtswesen ist damit der Vertretungsauftrag gemeint, den ein Mandant seinem Rechtsanwalt erteilt. Leider lässt sich ein Konflikt nicht aus der Hand geben. Der Vertretungsauftrag kann sich deshalb nur auf Rechtsangelegenheiten beschränken. Ist es das, was die Mandanten erwarten?

Damit kommt wieder die Frage auf, was ist eine Familiensache ist. Familiensachen sind im Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) geregelt. Betroffen sind beispielsweise Ehesachen (Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung einer Ehe), Kindschaftssachen (Vaterschaftsanfechtung, Vaterschaftsfeststellung), Ehewohnungs- und Haushaltssachen, Gewaltschutzsachen, Versorgungsausgleichssachen, Unterhaltssachen und Güterrechtssachen. Mithin alles, was den familiären Lebensbereich betrifft. Wenn alle Fragen zusammengeführt werden, lässt sich das Thema dieses Beitrages dahingehend spezifizieren, dass eine effiziente Mandatsbearbeitung eine wirkungsvolle, das Ziel verwirklichende Vertretung in einer die Familie betreffenden Streitigkeit betrifft. Dass die Vertretung eine die Partei unterstützende Maßnahme sein soll, mag unterstellt werden. §1 Abs. 3 BORA verpflichtet den Anwalt sogar zu einer konfliktvermeidenden und streitschlichtenden Begleitung. Das klingt schon mehr nach einer Effizienz, die sich die Partei wünschen würde. Sie geht weit über die Vertretung in einer Rechtsangelegenheit hinaus. Wer Konflikte vermeiden können soll, muss wissen, was Konflikte sind und wie damit umzugehen ist. Inwieweit der Anwalt für die hinter den Rechtsfragen verborgenen Konflikte verantwortlich ist, lässt sich aus dem Dienstleistungsverhältnis ableiten.

Das Dienstleistungsverhältnis

Die Rechtsvertretung und die Rechtsberatung decken offenbar nur einen Teilbereich der geschuldeten Leistungen ab, die ein Mandatsverhältnis in Familiensachen nach sich zieht. Was geschuldet wird, muss sich an den Kriterien der Dienstleistung messen lassen. Der Begriff Dienstleistung setzt sich aus den Wörtern Dienst und Leistung zusammen. Während der Dienst die Tätigkeit für einen Anderen bezeichnet, meint die Leistung alle zielorientierten Handlungen und ihr Ergebnis. Ein Dienst nützt primär nicht dem eigenen Interesse, sondern dem des Dienstherrn.2 Letztlich geht es darum, den Klienten zufriedenzustellen. Der Grad der Zufriedenstellung orientiert sich an dem zu erzielenden Nutzen. Der Nutzen ist von dem Ergebnis zu unterscheiden!3

Besonders in Familienangelegenheiten beweist die Praxis, dass die Erwartung der Parteien an die Rechtsanwälte viel mehr umfasst, als lediglich eine Rechtsvertretung. In einem Workshop4 wurden Fachanwälte für Familienrecht nach dem Inbegriff Ihrer Leistungen befragt. Ihre Antworten lauteten: Zukunftsberatung, akute Hilfe abhängig vom Bedarf, Beruhigung, Notfallhilfe, Krisenintervention, Rechtsberatung und -vertretung, Ordnen, Ermitteln, praktische Lebenshilfe, usw. Nachdem die im Brainstorming erarbeiteten Begriffe geordnet wurden, konnten zwei große Tätigkeitsbereiche voneinander unterschieden werden. Der eine betraf die eigentliche juristische Arbeit. Er wurde als Rechtsdienstleistung überschrieben. Der andere wurde mit der Überschrift Seelsorge gekennzeichnet. Diese Bezeichnung will die Person in den Mittelpunkt der Leistung stellen und nicht die Sache. Nach einer Gewichtung kamen die Teilnehmer zu dem Ergebnis, dass die Seelsorge in Familiensachen mindestens 70% der anwaltlichen Tätigkeit in Familiensachen ausmacht, die Rechtsdienstleistung nur maximal 30%. Die Rückmeldung belegt, dass auch bei der anwaltlichen Tätigkeit bei Familienangelegenheiten der Konflikt nach vorne kommt und nicht das Rechtsproblem. Die Lösung des Rechtsproblems ist somit nur ein Mittel zum Zweck, dessen Tauglichkeit noch unter Beweis zu stellen ist.

Konfliktarbeit als Dienstleistungselement

Mit dem sicherlich nicht religiös gemeinten Begriff der Seelsorge soll die Konfliktbetreuung der Partei umschrieben sein. Psychologisch gesehen, sollte strikt zwischen dem Konflikt und dem Streit unterschieden werden. Das eine hat nur bedingt mit dem anderen zu tun. Der Streit, für den es auch ein Tätigkeitswort streiten gibt, beschreibt die mögliche Ausprägung eines Konfliktes. Der Konflikt, für den es kein Verb gibt, liefert das Motiv zum Streiten. Auch diese Korrelation ist nicht zwingend. Es gibt durchaus auch streitige Auseinandersetzungen, denen kein Konflikt zugrunde liegt und die auch nicht zu einem Konflikt führen. Der Streit mag einen juristischen Hintergrund haben. Der Konflikt hat einen psychologischen. Ein Konflikt hat immer einen emotionalen Bezug. Definitionsgemäß beschreibt er das Aufeinanderprallen widerstreitender Interessen, aus dem sich eine schwierige Situation ableitet, die zum Zerwürfnis führen kann.5 Führt die Streitbeilegung nicht dazu, dass das Zerwürfnis abgewendet oder aufgehoben wird und dass die konflikttreibenden Emotionen überwunden werden, ist sie für eine Konfliktbeilegung untauglich.

Unterstellt, dass der Rechtsanwalt sein juristisches Handwerk beherrscht, ist die mit dem Mandatsverhältnis verbundene Konfliktarbeit nicht nur der wirkungsvollste, sondern auch der umfassendste Bereich seiner Dienstleistung. Wenn sich die Frage der Effizienz auf diesen Bereich konzentriert, hat sie die größte Wirkung. Mithin bekommt die Arbeit des Anwaltes, gewollt oder nicht, einen unausweichlichen psychologischen Bezug. Natürlich umfasst sie auch die konfliktzentrierte Kommunikation mit der Gegenseite. Sie hat zweifellos einen Einfluss darauf, wie sich der Konflikt und das befürchtete Zerwürfnisses entwickelt und bearbeiten lässt. Die Faustformel lautet: Wer viel Streit produziert, erweitert den Arbeitsumfang.

Ein erweiterter Arbeitsumfang kann dem Dienstleister im Einzelfall auf den ersten Blick finanziell durchaus entgegenkommen. Allerdings führt die Ausweitung des Streites oft in eine unkontrollierte Eskalation. "Wer Wind sät, wird Sturm ernten", sagt der Volksmund. Gerät der Streit außer Kontrolle, führt er in eine Belastung, die weder dem Anwalt noch den Parteien entgegenkommt, ganz zu Schweigen von dem damit auch gesteigerten Prozess- und Konfliktrisiko. Im besten Fall stellt sich irgendwann eine Mürbigkeit her, die hauptsächlich dem Richter entgegenkommt. Er kann die Situation leicht ausnutzen, um einen Vergleich durchzusetzen, der am Ende von keinem der Beteiligten mehr als nützlich empfunden wird, den Anwalt eingeschlossen.

Aus der Sicht der Mandantschaft ist die schnelle und endgültige Konfliktlösung sicher die höchste Erwartung an die Dienstleistung. Sie würde ihr den größten Nutzen einbringen. Macht es dann nicht Sinn, die Konfliktarbeit auch aus diesem Grund nach vorne zu stellen?

Die Parteien haben oft eine unrealistische Vorstellung davon, wie eine solche Konfliktlösung aussieht und wie sie zu erreichen ist. Sie unterscheiden meist nicht, was die juristische Arbeit ausmacht und wie sie mit der Konfliktarbeit einhergeht. Sie wollen einfach nur den Konflikt loswerden. Was sie erwarten, ist eine mission impossible. Eine gute Unterstützung beginnt deshalb mit der Klarstellung ihrer Möglichkeiten und Grenzen. Sie basiert auf der gegebenenfalls zu vermittelnden Einsicht, dass sich ein Konflikt nicht aus der Hand geben lässt. De facto bleibt die Partei der (eigentliche) Konfliktmanager. Auch wenn sie es sich anders wünschen würde, bleibt es an ihr, den Konflikt zu lösen - oder eben nicht. In der Mediation wird dieses Phänomen mit dem Grundsatz der Eigenverantwortlichkeit bedient. Auch in einem Mandatsverhältnis sollten die Verantwortlichkeiten von vorne herein klargestellt werden. Anwalt und Richter sind für eine korrekte Rechtsverwirklichung verantwortlich. Die Verantwortung für den Konflikt verbleibt bei der Partei. Trotzdem können Anwalt und Richter ihr bei der Konfliktlösung helfen. Sie müssen nur wissen wie.

Komplexität als Herausforderung

Um die Grenzen einer möglichen Unterstützung zu erkennen, müssen sich sowohl die Parteien wie die Dienstleister über die Komplexität der Fragestellung bewusst sein. Werden die Probleme nur selektiv gelöst, findet sich in dem komplexen Konfliktgeschehen immer wieder ein neuer Anlass, wo sich der Konflikt in einem neuen Streit ausleben lässt. Der erste und wichtigste Schritt, sich dem Konflikt zu stellen, besteht darin, seine Komplexität zu erkennen und zu akzeptieren. Menschen tun sich schwer damit. Sie möchten Klarheit und Orientierung, also das Gegenteil von dem, was die Komplexität verspricht. Komplexität hat aber auch Vorteile. Sie gibt den Raum zu Lösungen, die alle relevanten Aspekte in Betracht ziehen können. Komplexität lässt sich bewältigen, indem sie geordnet wird. Der Weg in die Ordnung und Orientierung lässt sich in folgende grundlegenden Schritte einteilen:

  1. Zielfestlegung
  2. Strukturierung
  3. Bewältigung
  4. Zusammenführung

Zielfestlegung

Die Parteien haben mitunter eine Idee, wie die Konfliktlösung aussieht. Je nach dem Stadium und der Eskalation des Konfliktes haben sie einen bereits verfestigten Standpunkt. Manche glauben deshalb, genau zu wissen, wie die zur Konfliktbeilegung führende Lösung zu sein hat. Sie erwarten, dass diese Lösung durchgesetzt wird.

Allerdings wissen die Parteien nicht immer was die Lösung ist. Anwälte kennen das Phänomen, dass die Mandantschaft auf die Frage: "Was wollen Sie denn vom Gegner haben?", oft nicht mehr wissen als: "Ich will nur was mir zusteht" oder "Ich will nur was gerecht ist". Man mag sich vor Augen halten, dass die Parteien kaum in der Lage sind, eine Forderung zu stellen. Trotzdem wissen sie, dass sie nicht bekommen werden, was sie wollen. Der Widerspruch liefert einen Hinweis auf den Konflikt. Er wird deutlich, wenn der Anwalt herausarbeitet, ob die Parteien lediglich eine Information benötigen, um eine Orientierung für eine Einigung zu finden oder ob sie meinen, Gerechtigkeit durchsetzen zu müssen. Die Frage ist also, worauf es der Mandantschaft wirklich ankommt. Wenn es um die Durchsetzung einer Lösung geht, sollte sie gefragt werden, welchen Preis sie bereit ist, dafür zu zahlen. Damit ist nicht das Honorar gemeint, sondern Aufwand, Dauer und Risiken, die auch im Verlust an Zukunftschancen gemessen werden, wenn das Ergebnis mit einer optimalen Lösung verglichen wird. Je höher der Preis ist, den die Partei zu leisten bereit ist, umso größer ist die emotionale Betroffenheit und umso geringer ist ihre Fähigkeit zur Wahl von Alternativen.

Hier liegt die erste große Weichenstellung für das auszuwählende Verfahren. Unabhängig von der Bereitschaft, sich auf die Suche nach einer Lösung einzulassen, ist die Mediation (oder ein mediatives Vorgehen) immer die beste Option, wenn es darum geht, eine (noch bessere) Lösung zu finden. Den wirklich erwarteten Nutzen kann der Anwalt mit folgender Frage erkennen: "Angenommen, Sie bekommen alles, was Sie einfordern. Haben Sie dann alles was Sie brauchen?". Falls die Partei die Frage bejaht, muss sich der Anwalt vergewissern: "Auch die Zuwendung der Kinder, die Bereitschaft des Vaters, innere Ruhe, Zufriedenheit usw.". Gegebenenfalls ist zu fragen: "Geht das (mit dem eingeschlagenen Weg)?". Mit dieser Technik, die übrigens Mäeutik oder sokratische Fragetechnik genannt wird, lassen sich die verborgene Nutzenerwartung erfragen und eine Erkenntnis für die Möglichkeiten ihrer Verwirklichung herbeiführen.

Der Anwalt muss jetzt entscheiden, welche Dienstleistung er als zielführend anbieten will. Er muss sich entscheiden ob er als Mediator oder als Rechtsberater und -vertreter in Erscheinung treten will. Er darf über das Verfahren beraten. Sobald er eine Rechtsberatung im Fall vornimmt, hat er sich an die Rechtsberatung gebunden. Er kann nicht mehr als Mediator auftreten. Eine fallbezogene Rechtsberatung liegt schon in der Einschätzung: "Den Prozess verlieren Sie". Diese lapidar dahingesagte Prophezeiung setzt bereits eine Subsumtion voraus. Es ist eine Gratwanderung, die für den Anwalt nicht ohne Risiko ist6 .

Die integrierte Mediation erlaubt einen Mix, weil sie die Kompetenz der Mediation auch in anderen Verfahren (wie z.B. die Beratung) zur Verfügung stellt. Sie kommt dem Anwalt entgegen, weil er das Mediieren mit der anwaltlichen Tätigkeit verbinden kann. Als Sachbearbeiter kann er Weichen stellen, schon bevor die Partei bereit ist, sich auf eine Mediation einzulassen. Die Migrationsstrategie erlaubt es ihm, die Parteien Schritt für Schritt in eine konstruktive Konfliktlösung führen. Er würde also nicht sein Mandat verlieren, wenn die Gegenseite einer Mediation nicht zustimmen sollte. Neben der integrierten Mediation wäre auch die kooperative Praxis eine Idee, wie sich mediative Elemente in der konventionellen anwaltlichen Arbeit verwenden lässt. In beiden Fällen ist die Konfliktarbeit neben der Streitvertretung möglich.

Der Anwalt mag in jedem Fall prüfen, ob die Parteien überhaupt wissen, wie die durchzusetzende oder die zu findende Lösung ihre Zukunft gestaltet. Das Beispiel des Chaospendels beweist, dass die Vorhersage der Zukunft kaum möglich ist. Die Unbestimmtheit der Zukunft ist allerdings kein Freibrief für ein kurzsichtiges Verhalten. Es ist möglich, die Interaktionen zu steuern, woraus die Zukunft gestaltet wird. "Man erntet, was man sät", sagt das Sprichwort. Die Saat sind die Interaktionen. Sie ergeben sich aus der Befindlichkeit. Hier findet sich auch der Ansatzpunkt für eine seelsorgerische Betreuung. Vorsicht ist geboten, weil die seelsorgerische Betreuung nicht die Verstärkung der Emotionen meint. Das Phänomen wird mit der strukturellen Kopplung beschrieben. Sie stellt ein Höchstmaß an Empathie her, bei der sich der Anwalt in die Gefühle der Partei hineinziehen lässt. Ganz abgesehen von der Pflicht zur Deeskalation nach §1 Abs. 3 BORA begibt er sich in die Gefahr, die gebotene professionelle Distanz zu überschreiten. Eine bessere emotionale Betreuung lässt sich mit dem Wort Empowerment kennzeichnen. Sie zielt darauf ab, die Resilienz der Partei zu stärken.

Mit dem Empowerment werden Aspekte eines Coachings verwirklicht. Es hilft den Parteien, darauf zu achten und das zu verwirklichen, was sie konfliktbedingt oft nicht sehen können. Es hilft ihnen, sich dem Konflikt (und letztlich sich selbst) zu stellen. Ein Konflikt verzerrt die Wahrnehmung. Die eingeschränkte Sicht beginnt bei dem möglichen und langfristig zu erzielenden Nutzen. Dass Menschen den Nutzen nicht im Blick haben, ist ein ganz normales Phänomen, das uns in vielen Entscheidungsprozessen begegnet.7 Zunächst wird eine Entscheidung herbeigeführt. Dann wird überlegt, wie sie umzusetzen ist, um erst viel später zu erkennen, was sie einbringt. Bei den Parteien bleibt das retrospektive Gefühl zurück: "Das hat alles nichts gebracht. Wenn ich es nochmal zu entscheiden hätte, ... ". Diese Einschätzung der Parteien liegt zeitlich gesehen meist weit hinter der Mandatserledigung.

Die Mediation ist nutzenorientiert. Sie verändert deshalb die Gedankenfolge eines Entscheidungsprozesses. Es macht Sinn, diese Logik auch in der anwaltlichen Beratung anzuwenden. Der meditative Erkenntnisprozess hinterfragt zunächst den Nutzen (3.Phase), um erst dann zu überlegen, wie er zu erreichen ist (4.Phase). Die Lösung wird gesucht und nicht vorgegeben. Erst wenn die Lösung gefunden ist, kommt es zur Entscheidung (5.Phase). Der Nutzen ergibt die Kriterien für die Entscheidung.

Im Mandatsverhältnis könnte die Partei wie folgt nach dem erwarteten Nutzen befragt werden: "Wie soll sich die Trennung anfühlen nach 1, 2 oder 5 Jahren?". Eine andere Frage könnte lauten: "Wie soll es sich anfühlen, wenn Sie den Konflikt hinter sich gebracht haben?". Die Antwort wird wahrscheinlich etwa lauten wie: "Ich will meinen Seelenfrieden" oder "Ich will meine Ruhe". Gerechtigkeit ist durchaus auch eine mögliche Antwort. Dann sollte hinterfragt werden, wie sich Gerechtigkeit anfühlt. Wichtig ist, dass der Anwalt Lösungen vom Nutzen unterscheiden kann, wenn er diese Fragetechnik anwendet.

In der Mediation erfolgt die Ausrichtung des Verfahrens gleich zu Beginn in der 1.Phase. Sie wird als grobe Zielvereinbarung bezeichnet, die den Gesamtnutzen skizziert und den Weg bestimmt, wie er zu erreichen ist. Die Zielvereinbarung lautet etwa: "Wir suchen eine Lösung mit der wir alle zufrieden sind". Der Mediator unterscheidet dabei zwischen dem Nutzen auf der Verfahrensebene und dem Nutzen auf der Fallebene und erörtert mit den Parteien, wie das Eine das Andere beeinflusst. Die Entscheidung für die Mediation ist eine Entscheidung für einen Weg, nicht für eine Lösung.

Strukturierung

Die Komplexität mag mit allen Einflüssen gleichgesetzt werden, die auf das Konfliktgeschehen einwirken. Sie zu kennen heisst, den Konflikt besser steuern zu können. Um sich dieser Einflüsse bewusst zu werden, sollte der Rechtsanwalt wissen, wie sich die Komplexität in einer Familiensache bemerkbar macht:

Parallelprozesse
Die juristische Scheidung ist nur ein Aspekt der Scheidung. Parallel dazu laufen eine psychologische, eine soziale und eine wirtschaftliche Scheidung. Mithin besteht die Scheidung aus mehreren Prozessen. Jeder Prozess hat unterschiedliche Anforderungen, Einsatzzeiten und Dauern. Eine juristische Scheidung kann in einem halben Jahr abgewickelt werden. Eine psychologische Scheidung dauert etwa fünf Jahre. Die soziale und die wirtschaftliche Scheidung können noch länger dauern. Jeder Prozess entwickelt ein Eigenleben. Weil er nur Teil eines Ganzen ist, beeinflussen sich die Prozesse wechselseitig. Die juristische Scheidung fällt leicht, wenn die psychologische Scheidung vollendet ist. Sie wird in die Länge gezogen, wenn auch die psychologische Scheidung nicht abgeschlossen werden kann, usw. Die Scheidung ist erst vollständig abgeschlossen, wenn alle Prozess abgewickelt sind.
Familiensystem
Wenn von Parallelprozessen die Rede ist, sollten auch Einflüsse der Angehörigen beachtet werden. Die Rivalität beschränkt sich nicht immer nur auf die zu scheidenden Eheleute. Manchmal werden sie für andere Interessen der Angehörigen instrumentalisiert. Dahinter können sich durchaus positive Absichten verbergen. Trotzdem behindern sie den Prozess, den die Parteien letztlich mit sich ausmachen müssen. Zu beachten ist auch, dass die Parteien nur ein Teil eines Systems Familie sind, das neu zu ordnen ist. Die Vorstellung, dass die Familie aufgelöst ist, stimmt mit der Realität besonders dann nicht überein, wenn Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind. Unklarheiten führen zu Reibungen, Sie determinieren die Interaktionen und entscheiden darüber, wie die langfristige Zukunft der Familie zu gestalten oder zu zerstören ist. Dabei treffen ganz unterschiedliche Familienbilder aufeinander, die nicht einmal innerhalb der Kernfamilie abgestimmt sind. Selbst die Kinder getrennt lebender Eltern haben ein anderes Familienbild als die Eltern. Während die Eltern die Familie mit dem jeweils neuen Partner wieder als komplett wahrnimmt, sehen die Kinder den neuen Partner als Stiefelternteil und wissen dies genau zu differenzieren. Eine Klärung hilft, Konflikte beizulegen oder zukünftige Konflikte zu vermeiden.
Streitsystem
Die Streitparteien sind nicht zwingend identisch mit den Konfliktparteien. Streitparteien sind die aktiv- oder passivlegitimierten Parteien. Konfliktparteien sind die Personen, die das Konfliktgeschehen aktiv beeinflussen. Oft kommt es zu einem konkurrierenden Konglomerat von Interessen, die direkten oder indirekten Einfluss auf das Konfliktgeschehen nehmen und sich nur bedingt von denen der Parteien lösen lassen. Hier ist es hilfreich, wenn die Einflüsse bekannt sind und auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet werden. Sinnvoll ist es hier auch die externen Berater und Dienstleister einzubeziehen.
Wer Teil des Streitsystems wird, sieht den jeweiligen Gegner, nicht das ganze System. Die Perspektive legt die Konfrontation nahe. Eine Vermittlung erfordert die Sicht aus der Metaebene. Nur sie erlaubt eine Sicht auf das ganze Streitsystem, also Partei und Gegenpartei.
Helfersystem
Besonders wenn Kinder aus der Ehe hervorgegangen sind, werden Jugendämter, mitunter Kinderschutzbund usw. eingeschaltet. Auch Großeltern wollen mitreden. Das Helfersystem hat durchaus eigene Interessen, die nicht unbedingt mit denen der Eheleute einhergehen. Auch hierdurch werden Parallelprozesse ausgelöst, die sich auf die Scheidung störend auswirken können und durchaus dazu beitragen, eine Inbalance zu stärken als zu beseitigen. Der Anwalt sollte darauf achten, dass alle Prozesse die gleiche Zielausrichtung haben. Sicher, alle meinen es gut. "Gut gemeint ist das Gegenteil von Gut", sagt der Volksmund. Es muss also klargestellt (vereinbart) werden, was gut ist. Auch diese Frage sollte die Zielvorgabe nicht an einer Lösung, sondern an dem Nutzen ausrichten. Wenn die Lösung z.B. lautet, den Umgang mit dem Vater zu ermöglichen, ist die Vorgehensweise eine andere als wenn der Nutzen der Maßnahme im Vordergrund steht. Der Nutzen wäre beispielsweise, die Beziehungen in der Familie so zu gestalten, dass eine vorbehaltlose Begegnung der Eltern und Kinder möglich wird. Wieder sollten Kriterien festgelegt werden, an denen sich der Erfolg messen lässt und worauf sich Eltern, Kinder und das Helfersystem einstellen können.
Streitkontinuum
Eine Streitbeilegung erfolgt auf unterschiedlichen Ebenen. Auf ein Streitkontinuum, also ein Universum des Streitens bezogen, lassen sich fünf Dimensionen herausarbeiten, auf denen der Streit abgewickelt werden kann. Die sich gegenüberstehenden Dimensionen sind: Fakten vs. Emotionen und Beziehungen, Positionen (Forderungen) vs. Interessen und Bedürfnisse, sowie die Zeitachse. Die juristische Streitbewältigung befasst sich mit Fakten und Positionen. Sie deckt also nur einen Teil des Kontinuums ab. Die Interessen werden mit Rechtsfolgen gleichgesetzt, woraus sich schon eine Verschiebung ergibt. Eine vollständige Streitbewältigung erfordert das Eingehen auf alle Dimensionen, wo Positionen mit Bedürfnissen abgeglichen werden und Fakten mit Emotionen.
Konflikt
Natürlich nimmt der Konflikt selbst einen großen Einfluss auf das Geschehen. Er sollte nicht mit den zu lösenden Problemen gleichgesetzt werden. Oft ist der Konflikt der Auslöser der Probleme. Das Problem ist dann nicht der Konflikt, es macht den Konflikt aber erkennbar. Wenn das Problem gelöst wird, ohne dass es zu einer Auflösung des zugrunde liegenden Konfliktes kommt, wird es zu weiteren Streitigkeiten kommen. Ein Konflikt kommt nicht selten allein. Wichtig ist es, deren Zusammenspiel zu erkennen. Der Konflikt zwischen den Parteien wird als ein sozialer Konflikt wahrgenommen. Das täuscht darüber hinweg, dass es auch psychologische Konflikte gibt, die sich auf den sozialen Konflikt auswirken.
Rechtssytem
Die Rechtsverfolgung unterliegt eigenen Regeln und einer eigenwilligen Kommunikation. Nicht immer fühlen sich die Parteien abgeholt und finden sich darin wieder. Trotzdem wollen sie das Rechtssystem für ihre eigenen Interessen instrumentalisieren.
Das juristische Denken ist auf Fakten und Rechtsfolgen konzentriert. Ob und inwieweit die mögliche Rechtsfolge mit den Interessen übereinstimmt, unterliegt zumindest keiner tatbestandlichen Prüfung. Um eine Übereinstimmung herzustellen, erwartet die Subsumtion entweder eine Anpassung des Sachverhaltes oder der Interpretation des Rechts. Die zur Verwirklichung des den Interessen angepassten Rechts führt zu einer Kommunikation, aus der sich oft eine Eigendynamik ergibt. Sie wird von den Parteien nicht immer verstanden. Vor allen Dingen rechnen die Parteien die Schriftsätze nicht dem Urheber, also dem gegnerischen Anwalt zu, sondern der gegnerischen Partei. Sie nehmen die Ausführungen persönlich und empfinden sie als verletzend. Die juristische Kommunikation wird zu einer Stellvertreterkommunikation, wenn Fakten und Rechtsfolgen die Auseinandersetzung über Bedürfnisse und Interesse ersetzen. Was Juristen nicht mehr bemerken ist, dass die juristische Sprache in der Bevölkerung als eine Sprache der Gewalt wahrgenommen wird. Die Kenntnis der Zuschreibungen hilft, die Kommunikation zu optimieren.
Zeit und Konfliktdynamik
Was oft übersehen wird, ist der zeitliche Aspekt. Emotionen bleiben nie wie sie sind. Zeit heilt Wunden, sagt der Volksmund. Deshalb ändert sich auch die Bewertung des Konfliktes mit dem Zeitablauf. Der Anwalt bekommt das Siegesgefühl nach dem gewonnenen Prozess mit. Bekommt er auch mit, wie die Parteien 1,2 oder 5 Jahre danach über das Prozessgeschehen denken?

Bewältigung

Bewältigen heißt, sich dem Konflikt zu stellen. Die Mediation gibt auch dazu eine Anleitung, die zumindest nach den Grundsätzen der integrierten Mediation aktiv in einem Familienmandat zu verwerten ist. Die Idee ist, nicht gegen den Konflikt zu arbeiten, sondern den Konflikt für sich arbeiten zu lassen.

Metaperspektive
Nur wer alles im Blick hat kann gut beraten. Der Blick auf alles wird aus einer außerhalb des Streitsystems angesiedelten Position möglich. In der Mediation wird diese Perspektive erleichtert, indem der Mediator nicht in einer Weise an der Lösungsfindung beteiligt wird, die ihn in eine Pflicht nimmt, eine Lösung herbeizuführen und die es den Parteien unmöglich macht, seine Meinung für eine von ihnen präferierte Lösung zu beeinflussen. Anwälte sehen sich als Parteivertreter für diese Sicht oft außerstande. Sie meinen oft, diese Sicht sei ihnen verwehrt. Das ist nicht ganz richtig. Anwälte müssen auch ein Urteil einschätzen können. Sie müssen also auch die neutrale Sicht des Richters einnehmen können. Es wird von ihnen auch von den Parteien erwartet. Der Anwalt hat also verschiedene Rollen, in die er während der Beratung schlüpfen kann und sollte. Er kann dies der Partei verdeutlichen, wenn er die Sichtwechsel ankündigt: "Wenn ich mich in die Lage des Richters versetze, wird er beobachten, wie ....". In gleicher Weise kann er sagen: "Wenn ich mich in die Lage des Mediators versetze und das ganze Streitsystem im Blick habe, mit allen Einflüssen, dann fällt auf ..."
Rumpelstilzcheneffekt
Die Konflikteigenschaften finden sich bei dem Märchen Rumpelstilzchen wieder. Es kommt immer zur Unzeit, löst böse Gefühle aus und wirkt bedrohlich. Wie im Märchen zeigt der Konflikt aber auch, wie er zu beseitigen ist. Der wahre Name von Rumpelstilzchen muss genannt werden, um die Bedrohung zu beenden. Ähnlich ist es mit dem Konflikt. Sobald der korrekte Name des Konfliktes von der Partei gesagt ist, verschwindet er. Im schlimmsten Fall ist der erste Schritt zu seiner Beseitigung getan. Den wahren Namen des Konfliktes herauszufinden ist nicht immer leicht. Der Konflikt will sich erhalten. Deshalb führt er in die Irre und suggeriert falsche Namen. Die Hinweise auf den richtigen Namen sind sehr versteckt. Sie finden sich nicht im Verhalten des Gegners, sondern sagen etwas über die Person aus, die mit dem Konflikt Emotionen verbindet. Wegen dieses Phänomens wird der Konflikt auch als Arschengel bezeichnet. Der Engel zeigt, was die Beeinträchtigung ausmacht. Der richtige Name ist genannt, sobald die Eigenverantwortung am Konflikt erkannt und eingestanden wird. Der wahre Name des Konfliktes ist nicht: "Du hast mir mein Leben kaputt gemacht", sondern: "Was war ich dumm, dass ich mich auf Dich eingelassen habe". Er ist nicht "Du hast mich dazu gebracht dass ich Dich hasse" er ist die Erkenntnis, warum der Hass in einem selbst aufkommt. Im den zuerst genannten Beispielen ist die Partei stets in einer Opferrolle, in den zweiten Beispielen bekommt sie die Kontrolle zurück. Der Fokus wendet sich von der anderen Partei ab. Die wahre Botschaft des Konfliktes ist also die Selbsterkenntnis. Es scheint dem Konflikt wichtig zu sein, dass sie verstanden wird. Redet man also über die falschen Themen, löst sich der Konflikt nicht nur auf, er wird gegebenenfalls sogar verstärkt. Bleibt die Selbsterkenntnis aus, wird der Konflikt sich bei der nächsten Gelegenheit wieder zeigen. Sein positiver Effekt ist die Selbststärkung. Ein gelöster Konflikt wird den Menschen auch in anderen Konstellationen nicht mehr behelligen können. Die psychologische Stärkung könnte ein Ziel sein, das den Nutzen der Mandatsbearbeitung erkennbar macht.
Konfliktlandkarte
Bei einer Trennung kommen oft mehrere Konflikte zusammen. Um den Überblick nicht zu verlieren, hilft eine Konfliktanalyse. Sie lässt sich in einer Konfliktlandkarte ausdrücken, wo alle Konflikte nach Konfliktdimensionen sortiert aufgezeichnet werden. Die Konfliktlandkarte erlaubt es, den Konfliktmotor, also den treibenden Konflikt zu erkennen.
Familienlandkarte
Die unterschiedlichen Bilder auf Familie lassen sich in einer Familienlandkarte abbilden. Hier wird deutlich, wer nach der Trennung noch wie zur Familie gehört. Auch bei der Regulierung des Umgangsrechts wird deutlich, welche Logistik erforderlich ist, um die Umgänge zu koordinieren und zu leisten.
Emotionen
Das menschliche Bewusstsein erfasst nur ca 5% der Realität. Das Unbewusste muss also Entscheidungen treffen, damit der nicht sichtbare Teil der Realität bewältigt werden kann. Emotionen sollen dem Menschen helfen, das Leben zu bewältigen. Sie sind wie Hinweisschilder für die zu treffenden Lebensentscheidungen. Grundsätzlich strebt der Mensch immer ein gutes Gefühl an. Schlechte Gefühle sagen ihm, dass er auf dem falschen Weg ist. Ähnlich wie beim Konflikt lassen sich Emotionen überwinden, wenn der Hinweis verstanden wurde. Emotionen können sich allerdings irren. Vor allem sind sie eine Momentaufnahme und nicht in der Lage, vorauszudenken. Das ist die Aufgabe des Verstands. Der Verstand muss prüfen, ob die Gefühle berechtigt sind und wie sie in der Zukunft verändert werden können. In einem familienrechtlichen Mandat ist es also wichtig, die Emotionen zu erkennen und korrekt zu interpretieren.
Bedeutungen
Konflikte und Emotionen deuten daraufhin, dass die Bedeutung der Auseinandersetzung meist auf einer ganz anderen Ebene liegen als das Problem. Es wäre fatal, den Streit mit dem Konflikt gleichzusetzen und zu glauben, der Konflikt ließe sich mit der Lösung des Problems beseitigen. Die Bedeutungen erschließen sich über die Motive. In der Mediation werden sie als Interesse bezeichnet. Hier kommt es oft zu Verwechslungen, weil das Interesse in der Anwaltssprache das ist, was der Mediator unter der Position versteht. Die Position ist auf die Lösung gerichtet. Das Interesse auf den Nutzen. Es ist wichtig, dies auseinanderzuhalten. Grundsätzlich lassen sich den familienrechtlichen Konflikten bei Trennung und Scheidung folgende Bedeutungen zuordnen: Der Zugewinn ist eine Vermögensbilanz. Er ist der Blick auf die Vergangenheit. Für die Parteien ist er eine emotionale Bilanz. Ist die emotionale Bilanz ausgeglichen, wird es keinen Streit um die Vermögensbilanz geben. Ist sie defizitär, wird die Zugewinnausgleichsforderung dementsprechend überhöht sein. Der Unterhalt ist gegenwartsbezogen. Er betrifft die aktuelle Leistungsfähigkeit und den Wohlstand. Die Parteien schauen sehr darauf, was unter dem Strich für den einen oder anderen Ehegatten übrig bleibt. Der Versorgungsausgleich ist in die Zukunft gerichtet.
Paarkonflikt
Ein besonderes Augenmerk verdient der Paarkonflikt. Er ist bei Streitigkeiten anlässlich der Trennung und Scheidung oft im Vordergrund. Hier geht es darum, Verletzungen zu heilen. Sie werden meist an der Gerechtigkeit und der Verantwortlichkeit festgemacht. Die Verletzung wird mit Hass und Wut konnotiert und von unterschiedlichen Bewertungen gespeist, die wiederum auf unterschiedliche Sichten auf die Beziehung erschwert werden. In der Kommunikationswissenschaft ist bekannt, dass Sachinformationen sich kaum vermitteln lassen, wenn die Beziehung unklar ist. Im Kern geht es bei der Überwindung des Paarkonfliktes darum, eine übereinstimmende Sicht auf die Beziehung herzustellen. Sie Sicht wird durch die unterschiedliche Wahrnehmung der Trennungsursache, des Trennungsgeschehens und der Trennungsverarbeitung erschwert. Hinzukommen Verschiebungen bei den Trennungsphasen im Scheidungszyklus.
Autonomisierung
Alle zuvor genannten Prozesse (soziale, juristische, wirtschaftliche und psychologische Scheidung) haben als (Fern-)Ziel gemeinsam, die Autonomie der getrennten Ehegatten wiederherzustellen. Juristisch ist damit die Auflösung der Rechtsbeziehungen gemeint. Psychologisch ist damit die Auflösung der Paarbeziehung gemeint, die den mitunter langwierigen Prozess der Reindividualisierung beschreibt. Je mehr die Parteien sich auf die Herstellung einer Paaridentität eingelassen haben und je mehr sie sich emotional und arbeitsteilig verwoben haben, umso schwieriger und schmerzhafter wird es, die jeweiligen Individualitäten wieder herzustellen8 . Die Herstellung der Autonomie, also der Selbstbestimmtheit und der Wiedererlangung der vollständigen Individualität wird als Autonomisierung bezeichnet. Es ist ein Blick, der in die Zukunft weist. Es ist der maximale Nutzen, den die Scheidung bewirken kann. Die Parteien sind daran oft gehindert, diesen Blick ins Auge zu fassen. Zu sehr hängen sie in den aktuellen Gefühlen fest. Sie beschreiben die kaputte Welt. Wie kann es dann möglich sein, an eine heile Welt zu denken? Für den Sachbearbeiter einer Familienangelegenheit kommt es deshalb darauf an, stets den Blick auf das Fernziel herzustellen.
Elternbeziehung
Die Paarbeziehung ist von der Elternbeziehung zu unterscheiden. Die Parteien haben es - je nach Konflikteskalation - verlernt diese Unterscheidung zu treffen. Der sogenannte fundamentale Attributionsfehler erlaubt es ihnen, den oder die Ex als durchaus sc flechten Menschen darzustellen. Weitere, im PAS verwirklichte Wahrnehmungsirritationen führen zu der Einschätzung, nicht nur sich, sondern auch das Kind vor den Verletzungen des Ehegatten retten zu müssen. Hier ist es wichtig die Beziehungsebenen zu trennen und die Verantwortungen zu klären. Unabhängig von den rechtlichen Lösungen sind die Eltern, ebenso wie die Behörden und Berater angehalten, die sich im Kindeswohl verwirklichende, kindliche Persönlichkeitsentwicklung9 zu kennen und zu fördern.
Rosenkrieg
Die höchste Form der Konflikteskalation spiegelt sich im Rosenkrieg. Eine Auflösung dieses Zustandes lässt sich kaum durch Zwang erreichen. Zwang führt bestenfalls zur Unterwerfung. Fehlt ihr die Einsicht, bleibt der Konflikt erhalten und bricht irgendwann an anderer Stelle wieder auf. Die Parteien kämpfen solange gegeneinander bis beide vernichtet sind. Damit ist dann zwar eine Gleichheit hergestellt, sie mag einen emotionalen Nutzen (Befriedigung) ergeben. In jeder anderen Hinsicht bedeutet sie jedoch ein Scheitern. Der Schaden ist unermesslich, nicht nur für die Eheleute. In solchen Fällen bedarf es einer Autorität, die NICHT die Lösung, sondern die Verhandlung sicherstellt. Die Parteien müssen förmlich zum Verhandeln gezwungen werden. Eine Alternative darf sich ihnen nicht bieten. Für die Parteien ist die Verhandlung der fernliegendste Weg. Der Krieg ist der naheliegende. Es gibt zwei Gerichtsmodelle, die beschreiben, wie die Parteien zur einvernehmlichen Verhandlung und Einsicht bewogen werden können. Die CochemerPraxis verhindert kriegerische Ausbrüche, indem den Parteien (zumindest in Kindschaftssachen) die Unterstützung versagt wurde. Das Altenkirchner Modell setzt auf Konzepte der integrierten Mediation, wo der gerichtliche Zwang die Verhandlung sicherstellt, die meditative Kompetenz jedoch zur Einsicht führt.

Zusammenführung

Die Ausführungen belegen, wie komplex die Bewältigung einer Familienangelegenheit ist. Sie zeigen auch, wie wichtig es ist, das ganze Bild im Auge zu haben und auf alle Beteiligten zu beziehen.

Kontext
Das ganze Bild ergibt den Kontext. Er geht gerne aus dem Blick verloren. Die Parteien verlieren sich in Detailstreitereien. Die Salamitaktik verschärft den Effekt. Sie ist Teil einer Konfrontationsstrategie.
Information
Grundsätzlich meinen es die Parteien gut. Oft fehlen ihnen einfach nur Informationen, um die richtigen Entscheidungen treffen zu können. Wiki to Yes, eine neue Konfliktplattform ist eine Anlaufstelle, wo alle Informationen verfügbar sind, wo sich Berater und Mediatoren interdisziplinär informieren und auf die sie verweisen können. Hier haben die Parteien Gelegenheit, relevante Fragen nachzulesen, um sich in Ruhe mit ihrem Konflikt auseinandersetzen zu können.
Interaktionen
Die Zukunft gestaltet sich nicht durch die erreichten Lösungen,10 sondern durch die damit einhergehenden Interaktionen.11 Diese wiederum sind durch die Vorstellungen geprägt, die die Parteien voneinander haben. Ein Mediator weiß, dass die so diametral gegenüberstehenden Wahrheiten, sich nicht unbedingt widersprechen. Bei den Wahrheiten handelt es sich meist um Bewertungen. Korrekturen erfolgen über das präzise Zuhören wo zwischen Fakten, Meinungen und Emotionen unterschieden wird.
Strategie
Die unterschiedlichen Prozesse erwarten unterschiedliche Strategien. Nicht immer gehen sie in die gleiche Richtung. Von der Konflikttheorie wissen wir, dass auch der Konflikt eine eigene Strategie verfolgt. Die Strategie beschreibt den Weg von A nach B. Die Harmonisierung der Strategien wird mit der Nutzenorientierung, also der Ausrichtung auf das Fernziel möglich. Die Grundregel lautet: nur wer ein gemeinsames Ziel hat, kann einen Gemeinsamen Weg gehen. Frieden (oder die Beilegung des Konfliktes) ist, was die Parteien gemeinsam haben. Die Strategie sollte dorthin führen. Eine Suche legt die Kooperation nahe und mit ihr ein paralleles Denken.
Paralleles Denken
das juristische Denken und die Entscheidung für die eine oder andere Lösung führen in ein konträres Denken, das den Widerspruch offenlegt ohne ihn aufzulösen. Die Mediation führt in ein dialektisches Denken, das ohne Weiteres auch in der Beratung oder der Mandatsabwicklung möglich ist. Bei dem Gespräch mit dem Gegner stellt sich ein paralleles Denken bereits her, wenn gemeinsam nach den Pros und dann gemeinsam nach den Cons gesucht wird.
Gemeinsamkeiten
Die Mediation unterstützt auch ein paralleles Denken, indem sie die Lösung aus den Gemeinsamkeiten, nicht aus dem Streit heraus aufbaut. Wegen der Wahrnehmungsperspektive der Parteien ist der Blick auf Gemeinsamkeiten versperrt. Es macht also Sinn, von außen darauf hinzuweisen.
Nutzenorientierung
Der Nutzen sollte stets im Vordergrund stehen. Er ergibt sich aus den Motiven. Motive greifen nicht an. Sie beschreiben eine heile Welt in der Zukunft, über die man auch nicht streiten muss, wenn zunächst die Motive der einen Partei getrennt von der anderen ermittelt werden.
Kommunikation
Die Kommunikation ist das wichtigste Werkzeug - auch der Juristen. Die psychologischen Komponenten der Kommunikation sind ihnen oft verschlossen. Kommunikation ist vielschichtig und läuft auf verschiedenen Ebenen ab.
Die Parteien beherrschen das Hase und Igel Spiel. Das bedeutet, sie wechseln die Kommuniaktionsebenen ständig. Der Mediator / Sachbearbeiter ist dazu berufen, dies zu verhindern. Sachfragen müssen auf der Sachebene abgehandelt werden, Emotionen auf der emotionalen Ebene.
Die unterschiedlichen Kommunikationsebenen werden auch durch die Intelligenzzentren des Menschen befeuert, Ein Herz-Mensch drückt sein Anliegen in Gefühlen aus. Ein Kopf-Mensch in Formeln. Beide meinen dasselbe, verstehen sich aber nicht. Hier bedarf es einer Übersetzungshilfe.
Streitvermeidung
Die Kommunikation sollte auch darauf ausgerichtet werden, dass Streit vermieden wird. Hierbei hilft die Kompetenz der Mediation. Statt Appellen werden Ich-Botschaften herausgestellt, statt zu argumentieren werden die Motive erarbeitet. Lösungen werden erst angegangen, wenn die Kriterien geklärt sind.
Dimensionieren
Die vielfältigen Aspekte der Komplexität werden durch das Dimensionieren geordnet und der Verhandlung zugeführt. Das präzise Zuhören steuert die Informationsverarbeitung, in dem die Information qualifiziert und einer Dimension zugeordnet wird. Dimensionen auf der Fallebene sind zum Beispiel: Fakten, Meinungen, Emotionen, Beziehungsebenen. Dimensionen auf der Verfahrensebene sind zum Beispiel: Argumente, Positionen, Themen,. Motive, Lösungen. Mit der Zuordnung lassen sich die Informationen in eine logische Beziehung setzen und auf der gleichen Ebene miteinander vergleichen. So wird vermieden, dass Fakten mit Meinungen verwechselt werden und Argumente mit Motiven.
Motivation
Was den Menschen antreibt ist (psychologisch betrachtet) die Motivation. Im Konflikt werden die Parteien üb er die Emotionen motiviert. Die Emotionen wollen befriedigt sein. Damit einher geht die Motivation zur Mangelbeseitigung. Die Lehre vom Lösungspentagramm besagt, wie der zu beseitigende Mangel herausgefunden wird und wie er sich zu Bedürfnissen, Motiven, Positionen und Lösungen verhält.
Verteilung
Die juristische Logik ist: Was der andere verliert, gewinne ich. Es ist die Logik eines Nullsummenspiels. Die Parteien können aus der binären Logik herausgeführt werden, wenn lese eine dritte Alternative gibt, oder wenn der Kuchen (die Verteilungsmasse) vergrößert wird. Eine Vergrößerung der Verteilungsmasse wird oft möglich, wenn andere Ebenen (z.B. Interesse, Emotionen) in die Verteilungsmasse hereingenommen werden. Familiensachen geben viele Möglichkeiten, den Kuchen zu vergrößern. Etwa wenn die Finanztöpfe Unterhalt, Versorgungsausgleich und Rente miteinander verrechnet werden. Wenn eine Verteilung unausweichlich ist, sollten die Kriterien der Verteilung zunächst festgelegt werden ehe die Verteilung vorgenommen wird.
Ganzheit
So sehr die Parteien bei den Konfliktfragen zur Selektion neigen, so sehr haben sie doch im Blick, was unter dem Strich insgesamt herauskommt. Was juristisch getrennt wird, führen die Parteien zusammen. Dass ein Elternteil beispielsweise das Kind vorenthält, der andere trotzdem zahlen muss, empfinden die Pflichtigen als Ungerechtigkeit. Auch wenn es juristische Verpflichtungen gibt, die durchaus als gerecht und ausgewogen empfunden werden können, ist es den Eltern jedoch leicht möglich, sie zu Unterwandern. Es kommt zu Gegenreaktionen und Kompensationen (Wenn ich schon Deine Liebe nicht bekomme, dann will ich wenigstens Dein Geld, Wenn ich nicht das Kind bekomme, dann bekommst Du auch kein Geld). Wie der Summenstrich zu ziehen ist, ergibt sich aus den Kriterien der Trennung. Wenn es um Gerechtigkeit geht, mögen zunächst die Kriterien für die Gerechtigkeit herausgearbeitet werden. Sehen sie z.B. eine Halbteilung vor, können die verschiedenen Finanztöpfe miteinander und mit dem Topf Emotionen verrechnet werden. So lässt sich eine Gesamtschau herstellen, die unter dem Summenstrich einen Ausgleich ermöglicht, wo sich niemand benachteiligt fühlen muss.

Abschlusskontrolle

Wenn die Kriterien für den zu erzielenden Nutzen herausgearbeitet wurden, haben sowohl die Parteien wie die Sachbearbeiter genaue Anhaltspunkte anhand derer sie die Zielerreichung verifizieren können. Der Sachbearbeiter oder Mediator sollten nach jeder Session prüfen, ob die Parteien das Gefühl haben, inwieweit sich der Nutzen bereits hergestellt hat. Es macht auch Sinn, sich die Erlaubnis einzuholen nach einem Zeitablauf nochmals zu fragen.

3 Siehe dazu auch Ergebnis
4 Workshop Scheidungsmanagement / Beck Verlag, von Arthur Trossen und Eberhard Kempf im Mai 2002
5 Siehe Lexikon online, "Konflikt" lexikon.stangl.eu/konflikt/
7 Der BREXIT ist ein sehr gutes Beispiel für dieses Phänomen. Siehe Entscheidungsprozesse
10 Argument siehe Chaos
11 Siehe das Phänomen der self-fulfilling prophecy