Mut zur Lösung bei Konflikten in Klinik, Praxis und Altenpflege

Ein Leitfaden zur Anwendung von Mediation
mit Beiträgen von Erika Bergner, Benedikta Deym-Soden, Friedrich Glasl, Siegfried Lachmair, Martina Pruckner und Harald Pühl
Erschienen im Psychosozial-Verlag, Gießen, 2016, 169 Seiten, ISBN 978-3-8379-2624-8

Harald Pühl schafft es in seiner Funktion als Herausgeber, unterschiedliche Beiträge von den verschiedenen Anwendungsfeldern der Mediation und ihren jeweiligen Spezifika zu vereinen: Mediationsprozesse in Kliniken (Siegfried Lachmair) stehen vor anderen Herausforderungen als etwa eine Mediation in einem Altenheim (Erika Bergner und Friedrich Glasl). Zu Beginn der verschiedenen Beiträge gibt der Autor einen guten Überblick über die Mediation als Konfliktregulierungsverfahren mit seinen spezifischen Phasen und Prinzipien etwa in Abgrenzung zur Team-Supervision und zum Coaching.

Martina Pruckner beschreibt in ihrem Beitrag die vielfältigen Anwendungsfelder von Mediation innerhalb des großen Feldes des Gesundheitswesens: „Das Gesundheitssystem ist ein System mit Interdependenzen, die in diesem Ausmaß in keinem anderen Bereich vorkommen. Und nur ein gutes Zusammenspiel der darin Beschäftigten lässt es auch gut funktionieren (S. 26)“. Dabei geht sie insbesondere auf die unterschiedlichen Konflikte und die verschiedenen Konstellationen innerhalb des Gesundheitswesens ein.

Siegfried Lachmair untersucht in seinem Beitrag die Einsatzmöglichkeiten für Mediation in Kliniken. Er beschreibt dabei mögliche Hintergründe und Ursachen von Konflikten, skizziert den Mehrwert der Mediation und benennt explizit Ziele der Mediation im Krankenhausumfeld. Anhand eines Praxisbeispiels gibt der Autor wichtige Einblicke in seine Arbeit als Mediator über die verschiedenen Phasen der Mediation hinweg. Sein Resümee am Ende des Artikels kann wie eine Aufforderung an die Mediatoren aufgefasst werden, die Krankenhäuser mit dem Thema Konfliktregulierung nicht länger alleine zu lassen: „ In vielen Krankenhäusern jedoch fehlt es noch gänzlich an einer klaren Regelung betreffend einer Konfliktanlaufstelle für Mitarbeiter. Das heißt, die Mitarbeiter werden bei den Konflikten eher sich selbst überlassen, als Möglichkeit bleibt der Betriebsrat oder die Spitalsleitung, sofern diese dafür Ressourcen und Verständnis hat (S. 77)“.

Martina Pruckner analysiert in einem zweiten Beitrag die Besonderheiten und Herausforderungen für die Mediation in der ambulanten Pflege und Betreuung. Der Leser bekommt einen guten Überblick über die Komplexität der verschiedenen Akteure im Bereich der ambulanten Pflege und Betreuung sowie über die verschiedenen Konflikte, die Beteiligten und Konfliktursachen, illustriert mit einigen prägnanten Beispielen. Ein besonderes Augenmerk legt die Autorin auf die Mediation zur Beilegung von Konflikten in der interdisziplinären Zusammenarbeit.

Benedikta Deym-Soden legt in ihrem wissenschaftlich fundierten Beitrag den Fokus auf die Möglichkeiten der Mediation in der stationären Altenpflege. Dabei analysiert sie einige grundlegende Feldspezifika in diesem Bereich, beschreibt ausführlich die Konflikte auf den unterschiedlichen Ebenen und skizziert Eckpunkte, die eine „Elder Mediation“ leisten muss, etwa wenn es um die Verfahren zwischen den Bewohnern und den Pflegenden geht: beispielsweise eine besonders gute Gliederung, eine noch deutlichere Verlangsamung auch im Prozess des Gesprächs und keine mehrstündigen Sitzungen (S. 127).

Harald Pühl nimmt sich in seinem Beitrag die speziellen Anforderungen für die Mediation in Arztund Physiotherapiepraxis vor. Sowohl für den Fall einer Neugründung einer Praxis als auch für den Fall einer Fusion zwischen zwei Praxisteams zeichnet Pühl Fallbeispiele nach, in denen Elemente der Mediation akzeptiert wurden. Ergänzt wird das Bild um zwei weitere Fallbeispiele, bei denen es zum einen um eine gütliche Trennung eines Ärzte-Ehepaars im beruflichen wie im privaten Bereich ging und zum anderen um ein angefordertes Coaching als Einstieg für eine Organisationsberatung mit Elementen der Mediation, bei der verloren gegangenes Vertrauen im Mittelpunkt stand.

Erika Bergner und Friedrich Glasl gehen in ihrem Beitrag (am Beispiel eines unterkühlten Konflikts in einem Altenheim) den verdeckten und verleugneten Konflikten nach und zeigen dabei Strategien zur Konfliktregulierung in einem solchen Fall auf. Praktische Einblicke in die Arbeit der Mediatorin (Erika Bergner) werden ergänzt und untermauert durch theoretische Analysen (Friedrich Glasl), etwa wenn die bekannte Unterscheidung in „heiße“ und „ kalte“ Konflikte präzisiert wird in „überhitzte Konflikte“ und „unterkühlte Konflikte“ (S. 162), oder dass die Austragungsform (eines unterkühlten Konflikts) das Selbstwertgefühl zerstört und schließlich zu kollektiver Depression führt (S. 155).

Sehr gut nachvollziehbar sind das vorsichtige Herantasten der Mediatorin an den eigentlichen Konflikt, besonders in der Anfangsphase der Mediation, und die Einblicke in den Methodenkoffer, etwa wenn sie beschreibt, dass die vorherrschende Kultur der Sprachlosigkeit u. a. durch eine Visualisierung – ohne Zeichen und Symbole – allein durch Farben und Linien langsam aufgeweicht werden konnte.

Fazit

Wer als Mediator/-in im unübersichtlichen Feld der Konfliktregulierung innerhalb der verschiedenen gesellschaftspolitischen Systeme rund um das weite Thema der Gesundheit unterwegs ist, findet genauso wertvolle Anregungen wie jemand, der als Einrichtungsleitung oder Pflegedienstleitung neue Wege in der Organisationsund Teamentwicklung und für die eigene Organisation sucht. Das vorliegende Buch weist mit seinen konkreten Beispielen und theoretischen Analysen gangbare Wege auf, wie es gelingen kann, den „Mut zur Lösung bei Konflikten in Klinik, Praxis und Altenpflege“ zu finden.

Ob die in der Einleitung aufgestellte These des Herausgebers, wonach „Mediation als Form der Konfliktklärung in der Patientenund Pflegeversorgung noch so zögerlich in Anspruch genommen wird, weil interne Konflikte einseitig mit den schwierigen Rahmenbedingungen erklärt werden (S. 7)“, bleibt eine spannende Frage, die man etwa auf einem der nächsten Mediationssymposien zwischen Theoretikern und Praktikern ausführlicher diskutieren könnte.

Marc H. Pfeiffer
Dialoghaus Ludwigshafen