Das Thema Kompetenz ist auf Wiki to Yes so intensiv vertreten, wie die Diskussionen und die Auseinandersetzungen mit der mediativen Kompetenz. Der Grund, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen ist möglicherweise das Bedürfnis, über die ermittelten Kompetenzen Kriterien für die Leistung und die Ausbildung zu finden, damit sie sich zuverlässiger beschreiben und gestalten lassen.

Es ist ein gefährliches Unterfangen, wenn das Pferd von hinten aufgezäumt wird. Es ist nicht hilfreich, wenn die Leistungsmerkmale aus den Kompetenzen erschlossen werden. Die Relation ergibt umgekehrt einen Sinn, dann nämlich, wenn sich die Kriterien aus der Leistung ergeben. Der Mediator muss sich über die geforderte Leistung im Klaren sein, damit Rückschlüsse auf die Kompetenz möglich sind. Sicherlich gibt es bei der Feinabstimmung einen wechselseitigen Bezug. Auch erlauben die Antworten auf die in der Umfrage Mediationskompetenz 4.0 aufgeworfenen Fragen Rückschlüsse auf das Verständnis der Mediatoren und den Nachweis der Abweichungen von einem anzunehmenden Vorbild.

In jedem Fall liefert die Umfrage neue Impulse und gibt Anlass, sich mit der Frage der Mediatorentätigkeit auseinanderzusetzen. Das Ergebnis wird veröffentlicht werden und wir können gespannt sein.

Einige der in der Umfrage aufgelisteten Kompetenzmerkmale sollen im Folgenden aufgegriffen werden, um ihre Bedeutung für die Mediation in der Wirtschaft zu erkennen und gegebenenfalls Korrekturen in den Beschreibungen zur Mediationskompetenz vorzunehmen1 .

1. Mediative Kompetenzen

Die Befragten werden aufgefordert, anzugeben, ob und inwieweit sie als Wirtschaftsmediator über folgende Kompetenzen verfügen:

  1. Fähigkeit, unter äußeren und inneren Belastungen zu handeln: Welche Belastungen sind gemeint? Belastungen in der Mediation oder die Konfrontation mit belastenden Konflikten der Parteien? Welche Belastung stellt sich her, wenn der Mediator sich auf der Meta-Ebene bewegt?
  2. Fähigkeit, Menschen und Organisationen zu beraten: Welche Beratungskompetenz ist in der Mediation gemeint? Der Mediator muss über die Mediation, damit zusammenhängend über die Verfahrenswahl, ihren Nutzen, Kosten und Risiken beraten können. Damit ist die Gestaltungskompetenz angesprochen. In fachlicher Hinsicht ist sein Beratungsauftrag mehr als eingeschränkt und nur denkbar, wo er neutral angebracht werden kann und die eigenständige Suche der Parteien nach einer Lösung nicht beeinträchtigt.
  3. Fähigkeit, Sachverhalte zutreffend zu beurteilen: Es sind aber die Parteien, die den Sachverhalt zutreffend beurteilen müssen. Ist die mediative Kompetenz dann nicht eher, den Sachverhalt zu hinterfragen? Dann geht die Fähigkeit geht in der Verstehens- oder der Verifikationskompetenz auf.
  4. Fähigkeit, persönliche und arbeitsbezogene Beziehungen zu gestalten: Wenn damit der Beziehungsaufbau in der 1.Phase gemeint ist, handelt es sich um die Gestaltungskompetenz als eine allgemeine Mediationskompetenz, die zur Durchführung des Verfahrens erforderlich ist. Wenn es darum geht den Parteien zu helfen, z.B. Mitarbeiterbeziehungen (wieder-)aufzubauen, wäre die Kompetenz nicht die Gestaltung der Beziehung, sondern die Hilfe, dass die Parteien Erkenntnisse und Einsichten gewinnen, die ihnen die (Neu-)Gestaltung ihrer Beziehung möglich macht. Dann ist die Verstehenskompetenz angesprochen.
  5. Fähigkeit zum verantwortlichen Handeln: Handelt es sich dabei nicht um eine soziale Kompetenz? Welche Handlungen des Mediators sind gemeint? Etwa dass er Zusagen einhält?
  6. Fähigkeit, die Folgen von Entscheidungen voraussehend zu erkennen: Auch hier ist zu fragen, welche Handlungen (Entscheidungen) damit gemeint sein könnten. In der Mediation wird eine Entscheidung gesucht und nicht vorhergesehen! Offenbar bezieht sich die Fähigkeit auf die (gefundenen) Entscheidungen der Parteien. Dann muss der Mediator sie nicht voraussehen, sondern hinterfragen können. Eine Vorausschau könnte mit Bewertungen kollidieren und dementsprechend gefährlich sein.
  7. Fähigkeit, ganzheitlich zu denken und zu handeln: Das ist eine allgemeine Mediationskompetenz, die mit der Verstehensfähigkeit zusammenhängt und diese konkretisiert.
  8. Fähigkeit, glaubwürdig zu handeln: Ist damit die Authentizität als Kommunikationsvariable gemeint oder die Echtheit seiner Rolle?
  9. Fähigkeit, mit anderen Personen erfolgreich zusammenzuwirken: Auch diese Fähigkeit macht neugierig, wenn sich die Zusammenwirkung lediglich auf die Mediation mithin die Lösungssuche beschränkt. Natürlich müssen die Parteien vertrauen, dass der Mediator weiß was er tut und dass er das in ihn gesetzte Vertrauen verdient. Es ist auch fraglich wo er über die Organisation des Verfahrens mit Personen, anm Ende gar mit den Parteien zusammenwirkt (-arbeitet)?
  10. Fähigkeit, mit anderen erfolgreich zu kommunizieren: das wiederum ist ein Merkmal der Verstehens- und der Vermittlungskompetenz
  11. Fähigkeit, auch unter Konflikten erfolgreich zu handeln: Welche Handlungen (des Mediators?) sind gemeint? Ist damit gemeint, dass sich der Mediator vom Konflikt nicht beeinträchtigen lässt?
  12. Fähigkeit, Veränderungen als Lernsitutation zu verstehen und entsprechend zu handeln: Wenn Veränderungen als Lernsituation verstanden werden, kann die Veränderung als Chance begriffen werden. Die Frage ist, wer diese Chance begreifen muss.
  13. Fähigkeit, zuversichtlich zu handeln: Wieder ist die Frage, wer was handelt. Wenn die Parteien handeln, mag der Mediator Zuversicht vermitteln, wo sie gerechtfertigt ist.
  14. Fähigkeit, Problemlösungen erfolgreich zu gestalten: Die Mediation ist lösungsoffen. Es geht also mehr um die Fähigkeit, Lösungen zu finden, als zu gestalten. Gegebenenfalls ist auch das Wissen gemeint, was zu tun ist, damit Lösungen nachhaltig werden.
  15. Fähigkeit, das eigene Handeln zu gestalten: Das eigene Handeln des Mediators ist stets prozessorientiert. Geht es um die Fähigkeit, den Prozess zu gestalten?
  16. Fähigkeit, andere zu verstehen und sich verständlich zu machen: Das wiederum ist eine allgemein erforderliche Mediationskompetenz.

2. Haltung

Der Befragte soll eingeben, wie er sich als Wirtschaftsmediator einschätzt. Auch diese Fragen lassen Rückschlüsse auf das Mediatorenbild zu. Die Fragen sind Selbstauskünfte. Als Mediator ...

  1. bin ich neutral und unabhängig gegenüber anderen: Neutralität und Unabhängigkeit sind in § 1 Abs. 2 Mediationsgesetz geregelt. Die Kompetenz ist mit Einschränkung des §3 Abs. 1 Mediationsgesetz keine Option. Sie ist eine Bedingung.
  2. bin ich parteilich für das Kollektiv: Was ist damit gemeint, wenn zuvor die Neutralität und Unabhängigkeit beschworen wurde? Geht es um Allparteilichkeit oder um die systemische Sicht, die das Kollektiv als symbolische Partei einführt? Vielleicht ist es auch eine Fangfrage, denn die Parteilichkeit ist in der Mediation grundsätzlich ausgeschlossen. Um Interesse wahrzunehmen, bedarf es keiner Parteilichkeit!
  3. belasse ich die Verantwortung bei den Beteiligten: Die Eigenverantwortung ist ebenfalls im §1 Mediationsgesetz geregelt und keine Option.
  4. enthalte ich mich jeder Bewertung: Das ist eine Anforderung der Meta-Ebene, die der Mediator repräsentiert. Trotzdem ist die Aussage In dieser Absolutheit schwierig zu bestätigen. Richtig wäre es, die meinungsbeeinflussende zur Lösung führende Bewertung zu unterlassen. Bewertungen über Prozessverhalten beispielsweise sind ebenso angebracht wie zulässig, damit korrekt durch die Mediation navigiert werden kann.
  5. nehme ich alles gleich wichtig: Was nicht gleich wichtig ist, sollte nicht gleich wichtig genommen werden. Die Frage ist, wer bewertet was wichtig ist.
  6. bin ich ein Vorbild wenn es darum geht, verschiedene Sichtweisen einnehmen zu können: Das wäre sicher ein wünschenswertes Verhalten, wenn Vorbild so verstanden wird, dass der Mediator auf die unterschiedlichen Sichtweisen hinweist.
  7. ist meine Intuition ziemlich gut, wenn es um das Verständnis der Gefühle und Motive anderer geht: Der Bezug zur Haltung erschließt sich nicht. Empathie ist aber stets hilfreich in der Mediation und eine der Variablen der Alt-Kommunikation.
  8. würdige ich die Existenz vorhandener Bedürfnisse, ohne diese inhaltlich erkunden zu wollen oder zu müssen: Bedürfnisse erschließen Motive, Motive erschließen Interessen, Interessen erschließen Lösungen. In dem Umfang und Zusammenhang sind die Bedürfnisse in jeder Mediation zu beachten.
  9. betrachte ich den Frustrationsabbau als eine Folge veränderter Handlungen: Welche Haltung sollte sich aus dieser Sichtweise erschließen?
  10. bin ich empathisch: Siehe oben.
  11. würdige ich die Existenz von Frustrationen lediglich:
  12. bin ich der Meinung, dass Mediation Ergebnisse fokussiert: Welche Mediation soll das sein?
  13. bin ich der Meinung, dass Mediation Bedürfnisse fokussiert: Auch diese Einschätzung ist abhängig vom Mediationsmodell
  14. bin ich der Meinung, dass es statt um den Abbau von Frustrationen primär um die Erhöhung von Frustrationstoleranz geht: Diagnosen gehören nicht in die Mediation. Die Fragestellung des Mediators ist deshalb eine andere.
  15. beschäftige ich mich mit dem beobachtbaren Verhalten und nicht mit dem Unbewussten der Beteiligten (Eisbergmodell): Wie in den Beispielen davor wird eine Tätigkeit abgefragt keine Haltung. Die Mediation fragt (soweit erforderlich) nach Bedeutungen über die sich das Verstehen herstellt.
  16. frage ich nach den Sichtweisen der Beteiligten: Wenn die Parteien die Lösung finden ollen, ist es ein guter Tipp sich nach deren Sichtweisen zu erkundigen.


Wenn man von den in der Umfrage genannten Fähigkeiten auf die Tätigkeit (des Mediators) zurückschließt, fragt es sich, ob wirklich eine Mediation gemeint ist oder doch eher ein Coaching. Sicherlich gibt es hinreichend Anlass, die Abstimmung. und Abgrenzungsbemühungen zu diskutieren. Dazu bietet der Forumsbeitrag Mediationskompetenzen eine Gelegenheit.