Die Untersuchung von Kals, Ittner und Freund1 wurde im Oktober 2017, fast zeitgleich mit der Mediationsgesetz-Evaluierung unter dem Titel Potentiale der Mediation veröffentlicht. Weil die vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Forschung zur Evaluierung des Mediationsgesetzes und die dabei durchgeführten Evaluierungen bekannt waren, mag davon ausgegangen werden, dass Redundanzen in Kauf genommen wurden. Sie lassen sich durch einen Vergleich der Umfrageergebnisse überwinden. In jedem Fall ist die von der Stiftung Mediation gesponserte Untersuchung aufschlussreich. Sie hinterfragt die Diskrepanz zwischen Bekanntheit und Nachfrage der Mediation. Das Ziel ist, ihre Nachfrage zu steigern.

Nachgefragt wird, was einen Nutzen bringt2 . Montana und Kals haben bereits in dem 2013 erschienenen Buch über die Mediation aus psychologischer Sicht3 Chancen und Hindernisse der Mediationsanwendung gegenübergestellt. Als Chancen werden eine nachhaltige Konfliktlösung durch Klärung der Tiefenstruktur, ein Zugewinn an Wissen und Erkenntnissen, das Entwickeln von Paketlösungen, die über den ursprünglichen Konfliktgegenstand hinausreichen, eine langfristige Verbesserung der Beziehung der Konfliktbeteiligten untereinander und eine veränderte Konfliktkultur, bei der eine gelungene Mediation zum inspirierenden Beispiel wird. Als Hindernisse werden der finanzielle und zeitliche Aufwand, ein mangelndes Vertrauen in die Methode, die Notwendigkeit, sich direkt mit den Konfliktbeteiligten auseinandersetzen zu müssen, Angst vor etwaigen Nachteilen oder die Sorge, zu wenig Fakten zu schaffen angenommen4 .

In der Studie von Kals, Ittner und Freund5 wurde gezielt nach den Einstellungen der Bevölkerung zur Mediation gefragt. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse sollten es der Mediation ermöglichen, eine noch breitere Akzeptanz und letztlich eine häufigere Anwendung zu verschaffen.

Die Untersuchung verwertet die Interviews von insgesamt 902 Befragten. 293 Befragte, die zu ihrer Einstellung zur Mediation befragt wurden waren selbst Mediatoren. 57 der Befragten waren Medianden. Die Untersuchung belegt nach Angabe der Autoren eine hohe Bereitschaft zur Nutzung und Förderung der Mediation, ebenso wie eine hohe Zustimmung über das Wissen, das Interesse, die Nützlichkeit und Chancen der Mediation. So betrachtet, scheinen die Barrieren die einzige Ursache ihrer geringen Nachfrage zu sein.

Die Befunde dieser Forschung führen zu wesentlichen Empfehlungen. Sie legen die Vermittlung des Wissens über die Mediation als Verfahren nahe und regen an, Neugier beim Konsumenten zu wecken. Fraglich bleibt, ob die theoretischen Umfragen eine reale Nachfragesituation überhaupt abbilden können. Die Unsicherheit ergibt sich aus folgenden Überlegungen:

Das Interesse an der Mediation und daran, für das Umfeld ein inspirierendes Beispiel zu sein (wie manche der Befragten äußerten), dürfte nachlassen, wenn ihr Beispiel ein konkret zu bezahlendes Honorar verursacht und wenn es der realen Streitlust eines Gegners gegenübersteht. Wie bei vielen Umfragen kommt es zur (meist unbeachteten) Auch-Wenn-Frage. Würde die interviewte Person mit der Frage konfrontiert, ob sie auch dann noch ein für das Umfeld inspirierendes Beispiel sein möchte, wenn dafür 1.000 € zu zahlen sind, könnte ihre Antwort anders ausfallen. Die als Chance definierte nachhaltige Konfliktlösung und die Klärung der Tiefenstruktur kann bei der Art und Weise, wie die Mediation angeboten und durchgeführt wird, nicht für jedes Mediationsmodell angenommen werden. Mithin relativiert sich die bekundete Nützlichkeit der Mediation in einer Weise, die nicht mehr erkennen lässt, welcher Bedarf der Konsumenten wie gedeckt werden soll, wenn es darum geht, ihren Streit beizulegen.

Zutreffend ist in jedem Fall, dass noch daran zu arbeiten ist, bis die Mediation korrekt verstanden wird. Dafür genügt es jedoch nicht, zu erkennen, dass der größte Teil des Eisbergs unter der Wasseroberfläche liegt. Der Eisberg ist auch ein Produkt seiner Umgebung. Es liegt also nicht nur am Konsumenten, wenn die Mediation nicht wie gewünscht nachgefragt wird. Die Untersuchung legt ein "Mehr vom Selben" nahe: mehr Forschung in diesem Bereich und mehr Initiativen und Aktionen zur Bekanntmachung der Mediation. Ob ein Mehr vom Selben jedoch zum gewünschten Ergebnis führt erscheint fraglich. Um (aus wissenschaftlicher Sicht) ein korrektes Bild zu erhalten, müssten die Umgebungseinflüsse (Gesellschaft, Berufe, Familie, Freunde, Kollegen), der Bedarf und die Interaktionsmöglichkeiten (Chancen) untersucht werden.

Festzuhalten ist, wie sehr die Forschung mit den Gedanken des Marketing zu verknüpfen ist, wo drei magische Fragen6 herausgearbeitet wurden. Sie stellen den Bedarf heraus.