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Das präzise Zuhören (Loopen)

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Das präzise Zuhören ist die Weiterentwicklung des aktiven Zuhörens. Es könnte auch als aktives Zuhören im 4.Grad beschrieben werden. Eine andere Bezeichnung ist das präzise Zuhören oder das Loopen. Es wurde speziell für die Mediation entwickelt und verwirklicht die kognitive Mediationstheorie.

Das Allzweckwerkzeug

Das präzise Zuhören ist ein Allzweckwerkzeug in der Mediation, das wie ein Schweizer Taschenmesser vielseitig zu verwenden ist. Im Vordergrund steht natürlich (wie beim aktiven Zuhören) das Verstehen und das Gelingen der Kommunikation. Anders als beim aktiven Zuhören geht es jedoch nicht nur um die Synchronisation der Kommunikation, sondern auch um die Synchronisation des Denkens mit der Mediation. Die Erweiterung berücksichtigt, dass die Mediation i.S.d. kognitiven Mediationstheorie auch als ein Erkenntnisprozess verstanden wird, bei dem es darauf ankommt, die Gedanken auf einen mediativen Gedankengang zu überführen.

Die schematische Umsetzung

Schon wenn Sie das folgende Schema mit dem des aktiven Zuhören vergleichen, fallen die Besonderheiten auf:

Loop

Erläuterungen der Vorgehensweise

Grundsätzlich gelten alle Ausführungen zum aktiven Zuhören. Insbesondere zur Technik des aktiven Zuhörens im engen Sinn.1 Abwandlungen ergeben sich aus der nachfolgenden Ablaufbeschreibung:

Information
Der Gesprächspartner teilt etwas mit. Der Mediator achtet auf den Kontext, den Inhalt (also auch auf die Konfliktaussagen oder -hinweise) sowie auf die Art und Weise, wie die Information vermittelt wird, also auch auf die paraverbale- und die nonverbale Kommunikation. Er achtet vornehmlich auf das Gemeinte und versucht die Bedeutungsinhalte zu erfassen.
Rückmeldung
Der Mediator meldet zurück, was er verstanden (und wahrgenommen) hat.2 Dabei verwendet er die Technik des aktiven Zuhörens, des Paraphrasierens und des Verbalisierens. Die Rückmeldung dient zur Synchronisation der Kommunikation. Es geht darum, die Bedeutungsinhalte aufzudecken und gegebenenfalls mit dem Gesprächspartner abzustimmen. Er achtet auf das Framing und die Semiotik sowie die sich daraus ergebenden Diskrepanzen und Perspektiven.3
Dimensionierung
Markant ist, dass die Rückmeldung mit der Technik des Dimensionierens gekoppelt wird. Mit dieser Technik ist es möglich, die jeweilige Information zu qualifizieren, ein- und zuzuordnen. Das Dimensionieren der Information gibt Hinweise, wie mit der Information zu verfahren ist und wo sie in der Mediation oder in dem zu bearbeitenden Fall einzusortieren ist.
Vergewisserung
Der Mediator hinterfragt das Gesagte und versucht nicht nur das Gesagte, sondern auch den dahinterliegenden Gedanken nachzuvollziehen. Auf diese Weise synchronisiert er nicht nur die Kommunikation, sondern auch den Gedankengang mit der Mediation. Die Rhetorik ist zu beachten. Es ist wichtig, sich klar auszudrücken, Tilgungen zu vermeiden oder aufzudecken und nach jedem Gedanken eine kurze Pause einzulegen, damit sich der Gedanke in den Köpfen der Parteien setzen kann.
Fortführung
Die Fortführung des Gesprächs hängt von der Aussage und dem Verhalten der Partei ab. In jedem Fall wartet der Mediator einen Moment, um der Partei die Chance zu geben, das Gespräch selbst fortzusetzen. Wenn die Partei die Chance ergreift, liefert sie die nächsten Informationen ab, auf die in der zuvor beschriebenen Weise reagiert wird.
Fragen
Führt die Partei das Gespräch nicht von alleine fort, setzt der Mediator vertiefende Fragen an, nicht nur um genau zu verstehen, sondern auch um die Gedanken der Partei auf Stimmigkeit zu überprüfen. Im Vordergrund stehen Verständnisfragen. Der Mediator achtet auch auf das, was nicht gesagt oder zu Ende gedacht wurde. Geeignete Techniken sind die Mäeutik oder der Reality Check.

Fragen erweitern das Zuhören

Die Dimensionen der Komplexität

Die Zuordnung der Informationen zu Dimensionen ermöglicht das Puzzlespiel der Mediation.4 Die vorstehende Grafik zeigt, dass der Vorgang des Dimensionierens für jede Partei gesondert durchgeführt wird. So wird es nicht nur möglich, die Information an die richtige Stelle der Mediation zu schieben. Die Informationen können auch besser gegenübergestellt und miteinander in Bezug gesetzt werden. Die Dimensionen wirken also wie Gedankenschubladen. Wenn sie für jede Partei identisch angelegt werden, bilden sie eine Gedankenbrücke. Die Gedankenschubladen sind nicht real. Sie helfen aber sehr gut dabei, die Dimensionen der Komplexität zu erfassen, zu verwalten und zu bewältigen. Eine Zusammenstellung der beachtlichen Dimensionen (Schubladen) enthält der Beitrag Dimensionen.

Die beachtlichen Dimensionen der Mediation 

Die Zuordnung der Informationsdimensionen erfolgt ganz unauffällig mit der Rückmeldung.

Beispiel 14287 - Die Mediandin sagt in der 2.Phase der Mediation: "Meine Schwester ist eine Betrügerin. Sie will nur mein Geld. Sie hat mich schon immer ausgenutzt. Das Geld fordere ich jetzt zurück mit Zins und Zinsen. Meine Schwester soll begreifen, was sie mir angetan hat. Sie soll bluten". Der Mediator ordnet die Informationen mit seiner Rückmeldung den Dimensionen und Standorten in der Mediation zu, indem er sagt: "Sie fühlen sich verletzt und meinen, dass Geschwister nicht miteinander umgehen sollten, wie sie es erfahren haben. Ist die Beziehung zu Ihrer Schwester ein Thema, über das wir reden sollten?" ... "Sie sind schließlich der Auffassung, dass Ihre Schwester Sie betrogen habe. Sie meinen, dass deren Motiv die Bereicherung gewesen sei. Ihre daraus resultierende Position ist also die zu verzinsende Rückzahlung des Geldes. Ihr Motiv ist, Ihre Verletzung zu zeigen. Steckt da auch ein Rachegedanke dahinter?" ... "Wir kommen später, in der 3.Phase, darauf nochmal zurück. Das Thema jedenfalls, über das wir aus Ihrer Sicht sprechen sollten, ist aber die Geldforderung. Ist das so korrekt?


Achten Sie auf die Worte des Mediators im Beispiel 14287, mit denen die jeweilige Information qualifiziert wird. So werden die Informationen unter die Dimensionen Meinungen, Gefühle, Motive, Positionen und Themen subsummiert. Mit der Loopfrage, "Ist das so korrekt", wird die Partei aufgefordert, auch die Dimensionierung zu bestätigen oder zu widersprechen. "Nein, das ist nicht meine Meinung, das ist ein Fakt". Dann wird der Mediator dem näher auf den Grund gehen. Er könnte beispielsweise fragen: "Woraus ergibt sich der Fakt?".

Die Synchronisation

Die Rückmeldung bildet den zentralen Schritt beim Loopen. Sie dient zur Synchronisation der Kommunikation einerseits und des Denkens andererseits. Es ist deshalb wichtig, dass die Rückmeldung des Gemeinten mit eigenen Worten erfolgt und dass nach jedem Gedanken eine kleine Pause eingelegt wird, damit sich der Gedanke setzen kann. Noch besser ist es, wenn die Frage, ob korrekt verstanden wurde, nach jedem Gedanken angebracht wird. Dadurch entsteht eine Kleinschrittigkeit im Denken, sowie eine maximale Präzision und Übereinstimmung. Noch wichtiger ist, dass sich die Gedanken auch im Kopf des Mediators sortieren, ehe er eine Frage stellt. Deshalb sollte jeder Mediator den Grundsatz beachten:

 Merke:
Leitsatz 14285 - Keine Rückmeldung ohne Frage. Die Rückmeldung ordnet und synchronisiert die Gedanken. Eine Frage ohne Rückmeldung birgt die Gefahr in sich, dass sie auf nicht abgestimmte Gedanken aufgesetzt wird.

Die Rückmeldung ist für das Verstehen mindestens genauso wichtig, wie für die Verstehensvermittlung. Idealerweise achtet der Mediator deshalb bei der Rückmeldung darauf, dass sie in einer Art und Weise erfolgt, die auch die Gegenseite verstehen kann. Es macht wenig Sinn, Vorwürfe zu wiederholen. Die hat die Gegenseite auch ohne Wiederholung bereits gehört. Die dahinter liegende Ich-Botschaft sicher jedoch nicht. Der Mediator achtet also darauf, dass er die Aussagen der Partei zurückmeldet, die nicht ohne weiteres von der Partei oder der Gegenseite verstanden oder gesehen werden. Dabei verwendet er eine Sprache, die keine Angriffsflächen bietet. Er stellt die unterschiedlichen Sichtweisen (als Meinungen) heraus, pointiert was die Parteien gemeinsam haben (könnten) und sondiert mögliche Nutzenkriterien. Auf diese Weise führt er die Gedanken der Parteien in den Gedankengang der Mediation ein.5 Damit die gegnerische Partei die Diskrepanz zwischen dem Gesagten und dem Zurückgemeldeten hört, ist ihre persönliche Anwesenheit (zumindest bei Beziehungskonflikten) außerordentlich wichtig.

Der notwendige Loop

Der Loop ist ein Bestandteil der rekursiven Kommunikation.6 Er soll bewirken, dass die Deutungshoheit der Information bei dem Sender (also der Partei) und nicht dem Empfänger (also dem Mediator oder der Gegenpartei) verbleibt. Der Loop wird mit der Frage gesteuert, ob die Rückmeldung des Mediators korrekt war oder nicht.

Die Frage: "Habe ich Sie richtig verstanden?" oder: "Ist das so korrekt?", sollte streng genommen nicht am Anfang der Rückmeldung des Mediator stehen, sondern an ihrem Ende. Noch besser ist es, wenn sie nach jedem Gedanken (gegebenenfalls auch unausgesprochen durch Blickkontakt) erfolgt. So wird sichergestellt, dass sich die Vergewisserung des Mediators und die Synchronisation auf jeden Gedanken einlässt und auch wirklich beantwortet wird. Wird sie verneint, realisiert sich der Loop, indem der Mediator das Gespräch nicht weiter, sondern zurück führt. Das mag er mit der Aufforderung verbinden: „Dann helfen Sie mir bitte, dass ich Sie richtig verstehe", oder einfach: "Wie ist es korrekt?". In beiden Fällen wird der Gesprächspartner zur Klarstellung aufgefordert. Indem die Partei die Rückmeldung des Mediators bestätigt, wird sichergestellt, dass sie und der Mediator, im Idealfall auch die Gegenseite, in dem Moment den gleichen Gedanken im Kopf haben. Nur so wird der Gedanke zu einem Baustein, auf den der nächste Gedanke aufsetzen kann.

Beispiel 14286 - Die Mediandin sagt in Phase drei: „Es ist wichtig, dass die Kinder nach der Trennung ihre Ruhe und feste Regeln haben. Daher ist es besser, sie bleiben nur bei mir, als dass sie dauernd von mir zu dir hin und her geschoben werden“. Der Mediator reagiert, indem er zunächst darauf hinweist, dass in der 1.Phase verabredet wurde, die Lösungen noch zurückzustellen. Er fragt, ob das noch gelten soll. Dann weist er in seiner Rückmeldung auf folgendes hin: "Sie sprechen von den Kindern und meinen, dass es deren Interesse sei zur Ruhe zu kommen. Ist das korrekt?". Wenn die Mutter bestätigt fährt der Mediator fort: "Damit sprechen Sie die Kindesinterssen an. Wir wollen später sehen, wie wir die herausfinden können. Aber was haben Sie davon?". Je nach dem was die Mutter antwortet, ergibt sich ein Motiv, das in der 3.Phase festgehalten wird. Sagt sie z.B.: "Dann bin ich eine gute Mutter", nimmt der Mediator das Motiv, eine gute Mutter sein zu wollen mit, um dann (iregendwann) zu klären: "Was ist eine gute Mutter". Die Antwort der Mutter ergibt die Lösungskriterien, die zu dem benannten Motiv passen.


Weitere Beispiele und Übungen zum Loopen finden Sie in der Trainingsdatenbank über das Loopen (Sie ist allerdings nur für Premium-User zugänglich):

Übungen zum Loopen

Anwendungsmöglichkeiten

Das präzise Zuhören ist sozusagen das Schweizer Taschenmesser des Mediators. Es hilft ihm, die Interaktionen in der Mediation noch präziser zu gestalten, sodass die Mediation noch effizienter wird. Das Werkzeug ist allerdings nicht ausschließlich an die Mediation gebunden. Auch in anderen Kontexten ist es geeignet, einen der Mediation entsprechenden Erkenntnisprozess auszulösen. So kann das präzise Zuhören auch zur Umwandlung von Killerphrasen in konstruktive Verhandlungen genutzt werden.

Killer

Herausforderungen

Was auf den ersten Blick so kompliziert erscheint, ist nach einer gehörigen Übung recht einfach zu bewältigen. Am Anfang kann der Mediator sich behelfen, indem er für jede Partei eine "Verstehenskommode" mit den entsprechenden Schubladen aufzeichnet. Letztenendes geht es darum, der Information eine Meta-Information zuzuordnen. Sie hilft, die Information zu qualifizieren. Informationen, die der gleichen Dimension zuzuordnen sind, können direkt miteinander verglichen werden. Informationen, die einer anderen Dimensionen zugeordnet werden, sind nicht vergleichbar. Das bedeutet: Meinungen sind Schlussfolgerungen aus Fakten und schon deshalb von den Fakten zu unterscheiden. Sobald der Mediator die Informationen nach Dimensionen qualifiziert hat, weiß er, wie er mit der Information umzugehen hat. die Dimensionierung präzisiert deshalb die mit den Phasen erteilten Aufträge.

Tutorial zum präzisen Zuhören

Bedeutung für die Mediation

Das präzise Zuhören erlaubt nicht nur eine Synchronisation der Kommunikation sondern auch des Denkens. Die Mediation ist Klärung. Und zwar eine Klärung, die beide Seiten verstehen sollen. Das präzise Zuhören trägt zur Klärung bei, in dem es hinterfragt und dimensioniert.

Entscheidend ist, jede Information zu qualifizieren. Die Qualifikation bildet die Metainformation einer Information heraus und ordnet die Information einer Dimension zu. Die Informationen können auf diese Weise einander zugeordnet werden. Gleichzeitig werden sie über die Dimensionierung in die Mediationslogik eingebunden.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-04 20:52 / Version .

Alias: präzisesZuhören, präzises Zuhören, Loop, Loops, Rückmeldung
Siehe auch: Verstehen, Ratgeber für Interventionen, Dimensionierung
Prüfvermerk:

2 Die Aufgabe wird im Aufgabenverzeichnis erfasst als Bedeutungserhellung (Relevanz: Pflicht)
4 Siehe dazu anschaulich Dimensionen
6 Siehe unter Kommunikation.


Based on work by Arthur Trossen und Stefanie Sampaiode Medeiros und anonymous contributor und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag März 19, 2024 08:10:08 CET.

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