Der Mediator hätte den Mut, einzugestehen, dass die Informationen zu geringwertig sind, um all diese Beurteilungen und Einschätzungen zu teilen, die in der Presse kolportiert werden. Er würde sich zum Informationsdefizit bekennen und auf Spekulationen verzichten. Stattdessen würde er darauf achten, welche Interessen und Bedürfnisse offenbart werden und darauf, was die Prozesse selbst zum Ausdruck bringen.

Die Beobachtung

Sowohl die Wahl in den USA wie der BREXIT verliefen sehr emotional und teilweise gewaltvoll, wenig reflektiert und nicht wirklich fundiert. Der Mediator würde diese Wahrnehmungen auf Fakten zurückführen und verbalisieren. Er würde auf Attributionen verzichten und sich stattdessen fragen, ob das beobachtete Vorgehen zu dem Prozess passt, der eigentlich ablaufen soll. Wo ein Zirkus inszeniert wird, liefert das Entertainment den Maßstab. Wo eine politische Auseinandersetzung gewollt ist, findet sich der Maßstab in den Themen und der Art ihrer Behandlung. In beiden Fällen könnte man denken, dass eine Auseinandersetzung nicht gewollt war. Wo die zu klärenden Fragen nicht gestellt werden, gehen alle Argumente ins Leere. Nachdem der Mediator den Kontext der Vorgänge hergestellt hat, würde er die Kriterien für das Eine oder das Andere festlegen und die Betroffenheit herausstellen. Er würde für den schmutzigen Wahlkampf nicht Herrn Trump und für die Demagogie keinen Herrn Johnson verantwortlich machen, wenn er beobachtet, dass sich alle an dem Spiel beteiligen. Die hohe Wahlbeteiligung zeigt ihm schließlich, wie wichtig das destruktive Spiel ist und wie hilflos das bürgerliche Anliegen. Die Frage, was es uns sagen will, stellt sich nicht in einem Zirkus und nicht, solange kein anders Spiel eingefordert wird.

Die Bedeutung

Sowohl die US-Wahl, wie das Referendum stellen einen meinungsbildenden Prozess dar, der in beiden Fällen mit einer Entscheidung endet. Die Entscheidung soll eine Lösung ergeben. Tatsächlich führt sie nur zu einer numerischen Mehrheit, deren Bedeutung lagerabhängig ausgelegt wird. Mit anderen Worten: die Meinung bleibt im Verborgenen. Nichts ist klar. Sowohl bei der Wahl in Amerika wie bei dem Referendum in England ist trotz des Votums der Bürger keine Lösung erkennbar - außer, dass eine Person in ein Amt gewählt wurde oder dass über die Zugehörigkeit eines Landes zu einer staatlichen Organisation entschieden wurde. Klar wurde auch, dass die Grundlage der Entscheidung und die Mehrheit bestritten ist. Wir haben also ein Ergebnis, aber keine Lösung, die das Problem, um das es geht, überwinden kann. In beiden Fällen fehlen Programme für die Umsetzung. Es fehlen Antworten auf Fragen die nicht gestellt werden. In beiden Fällen ist nicht einmal klar, was der Bürger mit seinem Votum bezwecken wollte. Es kommt der Verdacht auf, dass sich das eigentlich gewollte WOZU gar nicht realisieren lässt und dass es zum nicht mehr geht als den Appell verstanden zu werden. Das erfordert Zuwendung.

Der Zweck

Der Mediator hätte den Zweck der Abstimmung festgelegt. Die Frage nach dem Zweck der Wahl wird allerdings nicht gestellt. Sie verliert sich hinter der Lösung, obwohl sie wichtiger ist denn je und lange nicht mehr klar ist. Geht es darum, die Demokratie zu verwirklichen? Geht es darum, die Verhandlungsposition zu stärken? Geht es darum, eine Mehrheit (egal wie) zu erzeugen? Geht es darum, sich gegen das Establishment zu wenden? Geht es darum, persönliche Interessen umzusetzen?
Die unterschiedlichsten Meinungen und Prognosen geben Stoff für unzählige Artikel. Sie beantworten die Frage aber nicht. Jetzt ist eine Entscheidung gefällt. Statt zu lamentieren zu spekulieren und Vorwürfe zu unterbreiten, würde der Mediator den Zweck des nun folgenden Prozesses festlegen. Also: welches sind die Kriterien einer BREXIT Verhandlung und welches sind die Kriterien für das Amt eines Präsidenten, an dem die weiteren Schritte zu messen sind. Der (integrierte) Mediator würde sich einfach auf den nächsten Prozess konzentrieren um den Fehler des vorangegangenen nicht zu wiederholen.
Er würde sich gar nicht mit dem was geschehen ist aufhalten. Er weiß, dass sich die Frage nach dem Zweck derartiger Entscheidungen nicht nur aus unterschiedlichen Perspektiven beantworten lässt. Er weiß, dass sie auch zu selektiven Ergebnissen führt. Die Einen möchten etwas bewirken, die Anderen möchten eine Macht legitimieren. Der Mediator würde (lediglich) den Prozess beobachten und die Art und Weise der Kommunikation hinterfragen. Bei dem Folgeprozess würde er versuchen Zweck und Kriterien einvernehmlich auch mit dem Gegner festlegen (den gemeinsamen Nenner zu finden). So ließe sich Konsens herstellen.

Die Kommunikation

Ein Mediator jedenfalls hätte das BREXIT Referendum ebenso wie die Wahl in den USA NICHT als ein Ergebnis für eine Mediation gewertet wissen wollen. Erst recht nicht, wenn es so viele Gegenstimmen gibt und wenn es zu Äußerungen kommt, dass die zu wählenden Optionen nicht mehr sind als eine Wahl zwischen Pest und Cholera. Wenn dem so ist, dann lautet seine Feststellung, dass etwas gewählt wurde, was NICHT gewollt war! Außer, der Wähler wollte sich für eine Krankheit entscheiden. Der Mediator würde dies bei der Abwicklung der Prozesse berücksichtigen und wäre vorsichtig damit, einen Volkswillen zu zitieren, der keiner ist.

Es ist schon irreführend wenn überhaupt von einem Gewinner des Referendums oder der Wahl gesprochen wird. Wenn das Volk der Gewinner werden sollte, wurde das Ziel eindeutig verfehlt. Das Volk hat nicht mehr bekommen als Stress und Unsicherheit. Es sind Probleme geschaffen, nicht beseitigt worden. Das Volk ist definitiv der Verlierer. Man wird behaupten, das Volk habe sich für den BREXIT entschieden oder für Präsident Trump. Bei derartigen Einschätzungen wird das Volk auf seine Hälfte reduziert. Konsequent ist von einem gespaltenen Volk die Rede. Das Ergebnis ist nicht ehrlich, wenn es sich das nicht eingesteht und wenn die Einigung jetzt nicht als eine höhenwertige Aufgabe angesehen wird, über die sich übrigens auch die Entscheidung über die Wahl und den BREXIT korrigieren ließen.

Was dem Mediator auffällt ist, dass weder der Wahlkampf in den USA noch das Referendum in England auf einer rationalen Entscheidung basieren. Wie hätte die auch lauten sollen? Was sollen die Entscheidungen der Wähler zum Ausdruck bringen, was kommunizieren sie und wie? Ganz offenbar ist die Sprache des Volkes nicht die der Politiker. Worin ließe sich die Fremdenfeindlichkeit übersetzen? Ist sie der Ruf nach Eindeutigkeit? Nach dem Nicht-zu-kurz-Kommen? Zur Kontrolle könnte man die Bürger fragen, ob sie auch dann noch so ein Problem mit Fremden hätten, wenn es Ihnen gut ginge und sie sich keine Sorgen zu machen hätten. Nur wenn sie diese Frage bejahen ist überhaupt Anlass von einem Fremdenhass zu reden. Die Realität zeigt, dass Staat und Bürger weit davon entfernt sind einander zu verstehen. Man ist so weit voneinander entfernt, dass nicht einmal die Prognosen zutreffen. Die Emotionen werden nicht verstanden. Der Nutzen der Einen wird nicht als der Nutzen der Anderen gesehen. Gedanklich befinden sich die Bürger in einem Nullsummenspiel. Hier wäre der mediative Ansatz, der eine konstruktive Lösung herbeiführt.

Laut NTV1 verglich auch Martin Schulz Trumps Wahlsieg mit dem BREXIT. Es sei ein Lehrstück, sagte er. Auch insoweit kann man ihm recht geben. Viele Menschen fühlten sich nicht ernst genommen und protestierten mit ihrer Stimme. Das wäre schon eine Interpretation. Ein Mediator würde verstehen wollen, was wirklich zum Ausdruck gebracht werden soll. Er würde auch verstehen, dass ein Lager bestehend aus mehreren Millionen Menschen nicht unbedingt nur eine Sache ausdrücken will. Man müsse genau hinhören, sagte der Politiker und sprach von einem Lehrstück, um dann hinzuzufügen: "Ähnlich große Verwerfungen wie in den USA gebe es in Europa allerdings nicht". Wir lernen, dass UK offenbar nicht Europa ist und dass das mit dem Hinhören mehr braucht als nur ein Lehrstück. Es braucht die Bereitschaft lernen zu wollen. Die nächste Stufe ist die Gewalt.

Die Fragestellung

Ein Mediator würde ganz andere Fragen stellen und den Weg in die Entscheidung völlig anders gestalten. Hier liegt die Chance zum Lernen. Sowohl das Referendum wie die Wahl erzwingen eine Entscheidung des Volkes, die nur ein Entweder-Oder erlaubt. Die binomische Entscheidung wird in einer komplexen Fragestellung abverlangt, die weder mit Ja noch Nein und erst recht nicht mit der Benennung einer Person zu beantworten ist. Bereits diese Komplexität wird geleugnet. Die Fragestellung zielt auf eine Lösung, die das Problem nicht lösen kann. Jede Antwort bedeutet eine Selektion. Sie steht für unterschiedliche Erwartungen, die nicht einmal angesprochen werden. Die mit dem Votum verknüpften Interessen treten hinter Behauptungen und Vorwürfen zurück. Die Gegnerschaft steht im Vordergrund nicht der Konsens. Die Art der Fragestellung verstärkt die Polarisation.

Stellen Sie sich vor, beim BREXIT hätte die Frage geheißen: "Möchten Sie auch dann aus der EU austreten, wenn dies mit wirtschaftlichen Nachteilen verbunden ist?". Oder bei der Wahl in Amerika hätte die Frage gelautet: "Möchten Sie, dass Amerika auch dann wieder groß wird, wenn es seine Rolle als Vorbild verliert?". Ein Mediator würde auch fragen "Warum möchten Sie, dass Amerikas wieder groß wird, was macht es so klein und was versprechen Sie sich davon, wenn es wieder groß ist?". Beim BREXIT wäre die Frage: "Angenommen UK ist nicht mehr Teil der EU, was versprichst Du Dir davon?". Selbstbestimmung wäre gegebenenfalls die Antwort. Dann wäre die Frage: "Muss ich aus der Familie austreten, um mich selbstbestimmt zur fühlen?" usw.

Die Kriterien

Ein Mediator würde die Kriterien für die zu treffende Entscheidung herausarbeiten. Das ist etwas anderes als Argumente. Das faszinierende an der Mediation ist, dass sie die Kriterien hinterfragt, BEVOR die Entscheidung gefällt wird. Das faszinierende ist auch, dass sie in einen Dialog tritt und Erwartungen erhellt, statt Behauptungen aufzustellen. Die politische Realität funktioniert anders herum. Hier kommt man mit wilden Behauptungen weiter. Hier lässt man sich auf Prognosen ein, die längst nicht mehr in der Lage sind, den Trend einzufangen. Sowohl beim BREXIT wie bei der US-Wahl ist das Ergebnis der Umfragen eine Überraschung, wenn es mit den Prognosen verglichen wird.

Die politische Realität will erst einmal gewählt sein, um dann erst den Nutzen und den Weg dorthin zu überdenken. Der BREXIT ist ein gutes Beispiel dafür. Auch die US Wahl wird zeigen, dass der Präsident seine Wahlversprechen nicht einhalten kann. Er braucht Mehrheiten, die er nicht einmal in der eigenen Partei findet. Die Kriterien, die den Bürgern Zufriedenheit geben, sind nach wie vor nicht bekannt. Das Vertrauen in die Politik wird weiter abnehmen. Bemerkenswert ist auch, dass weder die Politiker die Bürger noch die Bürger die Politiker richtig einschätzen können, eigentlich ein klassischer Fall für eine Mediation. Weil die Entscheidungen immer noch selektiv sind und nicht das Ganze in den Blick nehmen können, wird es auch weiterhin keinen Konsens geben. In dieser Komplexität ist es leicht, immer eine Gegenposition zu ergreifen - ob sie Sinn macht oder nicht. So wird man wenigstens wahrgenommen.

Mediatives Denken

Was hilft, wäre Verstehen. Viel tragen die Entscheidungen sowohl im BREXIT wie bei der US Wahl nicht dazu bei. Wenn Fremdbestimmung und Fremdheit abgelehnt werden, heisst das für einen Mediator, dass es ein mögliches Bedürfnis nach Selbstbestimmung und Selbstwahrnehmung gibt, das offenbar nicht befriedigt ist. Er würde versuchen, das Bedürfnis zu lokalisieren, das den Bürger motiviert sich so zu benehmen. Es heisst, dass Angst ein bestimmendes Gefühl ist und dass sich ein mangelndes Vertrauen gegen Fremdheit ausrichtet. Wen wundert es? Sicher ist eines: Sowohl der BEXIT wie auch Trump können daran nichts ändern. Nicht einmal ein Umdenken würde dazu beitragen. Notwendig ist ein Andersdenken. Ein Umdenken führt zur Umkehr. Ein Andersdenken führt zur Überwindung. Genau hier ist das Problem. Wer will sich schon überwinden? Man könnte dem Prozess der im BREXIT kommen wird und der Präsidentschaft eine Chance geben und Erwartungen äußern statt Unfähigkeit zu diagnostizieren. Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Wenn das Sein als Chaos beschrieben wird, wird sich das Bewusstsein dem anpassen.