Die Entscheidung wird hier nur insoweit zitiert und besprochen, als sie für Fragen der Mediation und der Anwendung des Mediationsgesetzes relevant sind. Die Anwaltskammer Berlin hat den vollen Wortlaut auf ihrer Webseite http://www.rak-berlin.de veröffentlicht. Das vollständige Urteil kann dort nachgelesen werden.
Hintergrund und Fall

Es geht um ein „Musterverfahren“, das die Rechtsanwaltskammer wegen gesetzeswidriger Rechtsschutzversicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung hinsichtlich einer verpflichteten Mediation durch einen von der Rechtsschutzversicherung vorgegebenen Mediator durchgeführt hat. Die Beklagte Rechtsschutzversicherung hat ihren Standpunkt mit der Behauptung verteidigt, keine konkrete Erfolgserwartung an die Mediation zu haben, die die Unparteilichkeit der von ihr eingesetzten Mediatoren in Frage stellen könnte. Zu bemerken ist, dass die Rechtsschutzversicherung durchaus ein Interesse daran hat, die Kosten der Rechtsverfolgung so gering wie möglich zu halten.
Die Entscheidung

Das Gericht hat die Beklagte Rechtsschutzversicherung verurteilt, es zu unterlassen, in Rechtsschutzversicherungsverträgen folgende Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Rechtsschutzversicherung zu verwenden:

Bei den Leistungsarten Schadensersatz-Rechtsschutz, Arbeits-Rechtsschutz, Wohnungs- und Grundstücks-Rechtsschutz, Rechtsschutz im Vertrags- und Sachenrecht übernimmt der Versicherer für die außergerichtliche Wahrnehmung von Interessen nur die in § 5 Abs. 1 c) ARB genannten Kosten eines von ihm ausgewählten Mediators.“

Anspruch auf Rechtsschutz für die gerichtliche Wahrnehmung rechtlicher Interessen besteht erst dann, wenn sich der Versicherungsnehmer um eine Konfliktlösung durch Mediation vergeblich bemüht hat. (…).

Weiterhin wurde untersagt, im geschäftlichen Verkehr im Zusammenhang mit dem Angebot des Abschlusses von Versicherungen die Bezeichnungen „Mediator“ und/oder „Mediation“ und/oder „Mediationsverfahren“ zu verwenden, soweit die eine solche Mediation durchführende Person nicht von den Parteien des Verfahrens ausgewählt wird, sondern sich die Beklagte vorbehält, diese Auswahl vorzunehmen, und/oder der Versicherungsnehmer vertraglich von der Beklagten dazu verpflichtet wird, ein Mediationsverfahren durchzuführen.
Die Begründung

Schwerpunktmäßig befasst sich die Begründung mit der Frage, ob und inwieweit die Freiheit der Anwaltswahl wohl-bemerkt durch den Versicherer eingeschränkt werden darf. Das Urteil führt dazu aus: "... Die Freiheit der Anwaltswahl ist ... nicht mit einem Verbot sämtlicher Anreizsysteme von Seiten des Versicherers gleichzusetzen. Liegt die Entscheidung über die Auswahl des Rechtsanwalts beim Versicherungsnehmer, ist nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH eine unvollständige Deckung der Kosten zulässig, sofern die freie Anwaltswahl nicht ausgehöhlt wird, d.h. die Beschränkung der Kostenübernahme eine angemessene Wahl des Vertreters durch den Versicherungsnehmer nicht faktisch unmöglich macht. Durch somit grundsätzlich zulässige finanzielle Anreize wird die Anwaltswahl des Versicherungsnehmers nach Auffassung des BGH erst unfrei, wenn die Verbindung zwischen Anwaltswahl und finanziellem Anreiz die Grenze des unzulässigen psychischen Drucks überschreitet1. Aus Sicht des BGH ist die Grenze zur Verletzung des Rechts auf freie Anwaltswahl im Ergebnis erst überschritten, wenn die streitgegenständliche Vertragsgestaltung unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände einen unzulässigen, psychischen Druck zur Mandatierung des vom Versicherer vorgeschlagenen Anwalts ausübt, was von den nationalen Gerichten zu entscheiden sei .... Unverbindliche Anwaltsempfehlungen sind ebenso statthaft wie die reine Vermittlung eines Anwalts durch den Versicherer2...Sofern Rechtsschutzversicherungen ein einem Gerichtprozess vorgeschaltetes Mediationsverfahren vorsehen, kann letztlich nichts anderes gelten. Auch insoweit ist es dem Versicherer nach dem klaren Wortlaut des § 2 Abs. 1 MediationsG untersagt, anstelle der Parteien den Mediator auszuwählen. Anderenfalls würde die gesetzlich vorgesehene Wahlfreiheit obsolet..."

Hier mag auch auf die Kommentierung zu § 2 Mediationsgesetz bei Wiki-to-Yes verwiesen werden. Trotz der Regelung in § 1 Abs. 2 Mediationsgesetz bemüht das Gericht die EU-RL. Es wird ausgeführt: "...Das deutsche MediationsG basiert - jedenfalls für den (hier nicht (zentral) einschlägigen) Bereich grenzüberschreitender Streitigkeiten in Zivil- und Handelssachen - auf der Richtlinie 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen. Diese definiert einen „Mediator“ als dritte Person, die ersucht wird, eine Mediation auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen. Jedenfalls die Prämisse einer Unparteilichkeit ist nicht hinreichend gewahrt, wenn der Versicherer den Mediator auswählt, da es Ersterem im Regelfall um eine möglichst kostengünstige Streitbeilegung geht, wohingegen der Versicherungsnehmer eine seinen Interessen möglichst weitgehend Rechnung tragende Rechtsberatung wünscht. Eine solche kann sich für den Versicherer deutlich teurer gestalten als eine gütliche Einigung vor einem Mediator, bei dessen Auswahl und insbesondere bei dessen Vergütung durch den Versicherer die Gefahr einer Wahrnehmung von des Kostenminimierungsinteresse des Versicherungsunternehmens besteht...".

Korrekt wäre die Schlussfolgerung, dass die mangelnde Unabhängigkeit lediglich impliziert ist wenn die Wahl des Mediators durch einen Dritten erfolgt. Wie bei der Donatormediation beschrieben, gibt es durchaus Fälle, wo ein Dritter den Mediator stellt, weil er die Mediation bezahlt. wenn der Dominanter Einfluss auf die Wahl des Mediators nehmen will, man dies weniger mit dem Ergebnis als mit der Kompetenz des Mediators im Zusammenhang stehen. Das Urteil braucht weitere Argumente, um die Notwendigkeit der Unabhängigkeit des Mediators zu begründen. Es führt deshalb aus: "... Das Erfordernis der Besetzung von Streitschlichtungsstellen mit unparteilichen Personen, die nicht ausschließlich vom Unternehmer (der Gegenseite) beschäftigt werden oder von diesem irgendeine Art der Vergütung erhalten, da dies häufig Interessenkonflikte birgt, geht auch aus der hierzulande noch nicht umgesetzten Richtlinie 2013/11/EU über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten hervor (Erwägungsgründe (22, 32, 34), Art. 1, 2 Abs. 2 a), 6, 7 Abs. 1 d))..."

Das Urteil stellt somit fest: "... Die angegriffene Klausel ist zwar primär eine Kostentragungsklausel, die Beklagte behält sich mit der Regelung, dass der Versicherer für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung nur die Kosten eines von ihm ausgewählten Mediators übernimmt, aber implizit das Auswahlrecht vor. Dies verstößt gegen § 2 Abs. 1 MediationsG...".

Der folgende Passus betrifft den Fall, dass die Rechtsschutzversicherung die Mediation über ein Drittes Unternehmen abwickeln lässt, welches auch den Mediator stellt. Das Gericht hat sich nicht dazu geäußert, ob das zulässig sein soll. Statt dessen wird ausgeführt: "... Dass die Auswahlentscheidung auf Seiten der Beklagten faktisch möglicherweise auf Grund eines mit einem Dienstleistungsunternehmen entsprechend Anlage B 3 geschlossenen Vertrages durch diesen Dienstleister erfolgt und sich entsprechend dem Beklagtenvorbringen u.U. an objektiven Kriterien orientiert, ist für die Annahme einer Gesetzesverletzung unmaßgeblich. Denn dieses Prozedere hat in der angegriffenen Versicherungsklausel keinen Niederschlag gefunden. Es kann folglich auf sich beruhen, ob, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen eine Auswahl durch ein vertraglich mit der Beklagten verbundenes Unternehmen gesetzeskonform wäre..."

Sodann wird ausgeführt: "...In Bezug auf den Unterlassungsantrag zu I. 1. b) (Klausel 2.8 des Anhangs, Abs. 2 Satz 1, Abs. 3) soll der Beklagten im Ergebnis untersagt werden, dem Gerichtsrechtsschutz in den vier Leistungsarten ein obligatorisches „Mediationsverfahren“ vorzuschalten und die Übernahme der Gerichtskosten von einem entsprechenden Bemühen abhängig zu machen. Lediglich ein kurzer Hinweis erwähnt, dass auch die Begründung tragend sei, wonach die Beklagte eine als „Mediation“ bezeichnete Streitlösung durch einen von dieser ausgewählten Mediator zur Voraussetzung des eigentlichen Versicherungsschutzes macht.
Bedeutung für die Mediation

Folgende Punkte sind bemerkenswert:


Der Versicherer hat keine Erfolgserwartung an die Mediation: Das Argument des Versicherers ist ganz sicher kein (nicht das einzige Kriterium) zur Beurteilung der Unabhängigkeit. Hier kommt es auch auf die Sicht der Parteien an, also darauf, in wessen Lager sie den Mediator sehen. Dieser wäre nach § 3 Abs. 1 ohnehin verpflichtet, auf Bedenken gegen seine Unabhängigkeit, mithin die Auftragsvergabe durch die Rechtsschutzversicherung darzulegen3

Der Versicherer deckt für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung nur die Kosten einer Mediation. Redliches Bemühen zur Konfliktlösung zählt also nur, wenn es durch Mediation erfolgt. Es gibt auch andere Verfahren der Streitbeilegung. Mithin ist von dieser Regelung nicht nur die Anwaltschaft betroffen. Auch Coaches, Berater, Supervisoren, kurz alle, die außergerichtlichen Support bieten können werden von der Regelung benachteiligt, weil die Parteien ihre außergerichtlichen Bemühungen in Folge dieser Klausel ausschließlich auf die mediation eines bestimmten Anbieters ausrichten. Das ist sowohl politisch als auch im Verständnis der mediation bedenklich.

Das Gericht stellt auf die Unabhängigkeit ab, nicht auf die Freiwilligkeit. Es wird auch völlig ignoriert, dass die mediation nicht in allen Streitigkeiten das opportune Verfahren ist.

Familienrechtsschutz ist nicht erwähnt.

Der Mediator wird von der Versicherung ausgewählt. Die dadurch provozierte Frage lautet: warum vertraut die Versicherung nicht den Mediatoren, die ihre Dienste auf dem Markt anbieten. Immerhin finden sich dort solche, die eine ausreichende, sogar bessere Ausbildung nachweisen können als die, die von der Rechtsschutzversicherung eingesetzt werden. auch das Qualifikationsmerkmal zertifizierter Mediator scheint für die Rechtsschutzversicherung geringere relevant zu sein.

Mediation statt Rechtsberatung: Korrekt zu Ende gedacht und die Mediation korrekt verstanden bedeutet die Klausel der Rechtsschutzversicherer, dass die Parteien bei der außergerichtlichen Konfliktbeilegung KEINE Rechtsberatung erstattet bekommen; Weil sie sie nicht nötig haben? Weil sie bereits in der Mediation enthalten ist? Man mag sich daran erinnern: Die Mediation ist KEINE Rechtsberatung. Sie erluabt Rechtsberatung NACH der Lösungsfindung und keinesfalls eine parteiliche. Rechtsberatung findet NEBEN der Mediation statt - wenn die Parteien dies für nötig erachten oder der Streit dies erfordert. Was sagt uns also jetzt die Klausel der Rechtsschutzversicherung? Die Anwaltskammer wollte erreichen, dass sich die Rechtsschutzversicherung auch nicht mehr so nennen dürfe. So weit hat sich das Gericht aber nicht auf die Klageforderung eingelassen.

Der Fall zeigt wieder einmal, wie wichtig es ist, die Mediation korrekt zu verstehen und nicht einfach als ein Vehikel für billige Lösungen zu missbrauchen.