Einführung und Fragestellung

Wird in einem Mediationsverfahren eine einvernehmliche Lösung gefunden, so soll diese in der Regel auch rechtsverbindlich vereinbart werden. Geht es um notariell beurkundungspflichtige Lösungen, mündet das Mediationsverfahren notwendigerweise im notariellen Beurkundungsverfahren. Typische Beispiele sind Trennungs- und Scheidungsmediationen (Übertragung von Immobilien, Regelungen zum Versorgungsausgleich, Unterhaltsregelungen, Regelungen zum Zugewinnausgleich), Mediationen im Gesellschaftsrecht (Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH, Änderung von Gesellschaftsverträgen, Unternehmensnachfolgen) oder auch Mediationen mit erbrechtlichem Bezug (Erbauseinandersetzungen mit Immobilienbezug, Pflichtteilsregelungen).1

Der Übergang vom Mediationsverfahren in das notarielle Beurkundungsverfahren ist dabei nicht trivial. Es handelt sich vielmehr um eine durchaus herausfordernde Schnittstelle, bei der es darauf ankommt, Informationen korrekt und vollständig zu kommunizieren, die Parteien richtig vorzubereiten und die Übergabe bzw. die Zusammenarbeit so zu gestalten, dass die Stärken beider Verfahren (Mediations- und Beurkundungsverfahren) jeweils genutzt werden können.

Ich interessiere mich für das Thema, weil ich selbst als Büroleitung in einem Notariat arbeite. Die Notare sind ausgebildete Mediatoren. Deshalb werden im Notariat sowohl Mediationen (an denen ich als Co-Mediatorin teilnehme) als auch die üblichen notariellen Beurkundungsleistungen angeboten.

Im Rahmen meiner Untersuchung habe ich mit Notaren Gespräche geführt und diese zu ihren tatsächlichen Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit externen Mediatoren befragt. Aus der Zusammenschau verschiedener Fälle habe ich ein Worst- Case-Szenario entwickelt, um typische Probleme der Zusammenarbeit anschaulich zu machen. Diese können behoben werden, wenn Mediatoren die Funktion des Beurkundungsverfahrens und die Rolle des Notars kennen und die Schnittstelle zwischen Mediations- und Beurkundungsverfahren kommunikativ bewusst gestalten. Auf der Grundlage meiner Analyse werde ich sodann die Fallstudie zu einem Best- Practice-Beispiel fortentwickeln, um mit einem Fazit zu schließen.

Fallstudie 1: Worst-Case

Trennungs- und Scheidungsmediation

Ein Mediator, im Grundberuf Psychologe, hat mit den Eheleuten Müller2 eine Trennungs- und Scheidungsmediation durchgeführt. In sechs herausfordernden gemeinsamen Mediationssitzungen ist es gelungen, den Sachverhalt aufzubereiten, die jeweiligen Interessen herauszuarbeiten und zu einer Einigung über die Trennungs- und Scheidungsfolgen zu gelangen. Insbesondere alle Unterhaltsfragen sind geklärt, die abbezahlte gemeinsame Wohnung soll gegen Zahlung einer Abfindung von
€ 70.000,00 Frau Müller bekommen und der Versorgungsausgleich soll vom Gericht durchgeführt werden. Herr und Frau Müller sind erleichtert. Die sechsmonatigen Verhandlungen haben sich gelohnt. Anwaltskosten konnten durch das Mediationsverfahren gespart werden und es wird keine schmutzige Scheidung geben.

Die Parteien bitten den Mediator, die erzielte Einigung in einer Abschlussvereinbarung gem. § 2 Abs. 6, Satz 3 Mediationsgesetz zu dokumentieren. Der Mediator weist darauf hin, dass die von ihm formulierte Vereinbarung der notariellen Form bedarf, um wirksam zu sein. Dazu sollen die Eheleute Müller einen Notar mit der notariellen Protokollierung der Abschlussvereinbarung beauftragen. Frau Müller schreibt daraufhin an den örtlichen Notar eine E-Mail (Herr Müller ist cc gesetzt, der Mediator nicht), hängt die Abschlussvereinbarung an und bittet den Notar um notarielle Beurkundung der Vereinbarung. Zwei Wochen später erhalten Herr und Frau Müller per Mail den Entwurf eines notariellen „Trennungs- und Scheidungsfolgenvertrages nebst Immobilienübertragung“. Sie sind entsetzt und erkennen die von ihnen getroffenen Vereinbarungen nicht wieder. Der Notar hat einen komplett neuen Vertrag aufgesetzt, der zudem in großen Teilen unverständlich formuliert ist. Im Abschnitt „Trennungsunterhalt“ wird zudem darauf hingewiesen, dass dazu Vereinbarungen überhaupt nicht zulässig seien. Im Hinblick auf die Eigentumswohnung fragt der Notar nach den Löschungsunterlagen der noch eingetragenen örtlichen Sparkasse, insbesondere nach dem Grundschuldbrief. An mehreren Stellen ist von „sofortiger Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung“ die Rede und immer wieder weist der Notar im Entwurf auf „Risiken“ der Gestaltung hin. Herr und Frau Müller verstehen die Welt nicht mehr und haben das Gefühl, wieder ganz am Anfang zu stehen. Die Euphorie am Ende des Mediationsverfahrens ist komplett verflogen. In mehreren Mails und Telefonaten mit dem zuständigen Sachbearbeiter im Notariat und schließlich auch mit dem Notar kann Frau Müller ihre Fragen zum Vertrag klären, es bleibt aber ein schlechtes Gefühl, insbesondere weil der Notar im Gespräch durchblicken lässt, dass die ursprünglich per Mail übersandte und vom Mediator formulierte Abschlussvereinbarung professionellen Ansprüchen an eine juristisch saubere Vertragsgestaltung nicht genügte.

Kompliziert wird es dann noch, weil sich der Grundschuldbrief der Sparkasse nicht mehr auffinden lässt und dieser in einem langwierigen „Aufgebotsverfahren“ für kraftlos erklärt werden muss. Weil Frau Müller die Abfindungszahlung von € 70.000,00 über die Commerzbank finanziert und die Commerzbank erst nach Abschluss des Aufgebotsverfahrens und der Löschung der vorrangig im Grundbuch eingetragenen Sparkasse das Darlehen auszahlen wird, muss auch der ursprünglich im Mediationsverfahren vereinbarte Zeitplan neu verhandelt werden. Erst zwei Monate nach Beauftragung des Notars findet dann der gemeinsame Beurkundungstermin statt.

Auch das Mediationsverfahren erscheint nun in einem anderen Licht. Die Eheleute Müller fühlen sich vom Mediator im Stich gelassen. Als sie dies dem Mediator mitteilen, beklagt dieser sich über den Notar, der leider ohne Sensibilität für den Verhandlungsprozess und die emotionale Situation des Ehepaars Müller „seinen Stiefel“ durchgezogen hat, anstatt einfach den verhandelten Vertrag zu beurkunden.

Wo liegen die Schwierigkeiten?

Der fiktive Fall zeigt eindrücklich, wie die Zusammenarbeit zwischen Mediator und Notar nicht gestaltet werden sollte. Folgende Punkte fallen auf:

  • Das Erwartungsmanagement des Mediators ist nicht gut. Er bereitet die Konfliktparteien nicht auf das notarielle Beurkundungsverfahren vor. Der Mediator scheint die Aufgaben eines Notars und dessen Arbeitsweise nicht gut zu kennen.
  • Das (Aus-)Formulieren der Abschlussvereinbarung durch den Mediator erweckt bei den Konfliktparteien die Illusion, dies wäre bereits die endgültige Einigung.
  • Der Mediator zieht sich zurück, nachdem (vermeintlich) eine abschließende Einigung gefunden wurde. Er lässt die Konfliktparteien im notariellen Verfahren allein.
  • Der Mediator fühlt sich nicht für den Informationsfluss aus dem Mediationsverfahren in das notarielle Beurkundungsverfahren verantwortlich und verzichtet darauf, die Schnittstelle zu besprechen und zu gestalten.
  • Die Kommunikation mit dem Notar erfolgt einseitig über die Konfliktparteien, bzw. über Frau Müller.
  • Es wird mit dem Notar vor allem schriftlich statt mündlich kommuniziert.
  • Der Mediator und der Notar machen sich jeweils gegenseitig für die Schwierigkeiten verantwortlich und zerstören damit gemeinsam das Vertrauen der Medianten in das gesamte Verfahren.
  • Der Aufwand für alle Beteiligten ist (gefühlt und tatsächlich) hoch.

Zusammengefasst liegen die Probleme vor allem im fehlenden Verständnis des Mediators für die Rolle des Notars und die diesem im Beurkundungsverfahren gesetzlich zugewiesenen Aufgaben (nachfolgend 3) und in der unterlassen kommunikativen Begleitung und Gestaltung des Übergangs aus dem Mediations- ins Beurkundungsverfahren (nachfolgend 4). Einzelne Elemente des Falls entsprechen jeweils realen Erfahrungen. So passiert es etwa immer wieder, dass in einer Besprechung mehr oder weniger durch Zufall herauskommt, dass im Vorfeld eine Mediation stattgefunden hat.

Die Funktion des Beurkundungsverfahrens und die Rolle des Notars

Die Beurkundung ist ein Verfahren und kein einmaliger formaler Akt

Weit verbreitet ist die Vorstellung, der Notar lese lediglich einen Text vor und setze dann seinen „Stempel“ unter einen zu beurkundenden Text. Bei der Beurkundung gehe es im Wesentlichen darum, einer lästigen „Formpflicht“ genüge zu tun, damit der Vertrag wirksam werden kann und zur Erfüllung dieser Formpflicht benötige man eben einen Notar.

Dabei handelt es sich um eine klare Fehlvorstellung. Das Beurkundungsgesetz verpflichtet den Notar vielmehr zur Durchführung eines komplexen Verfahrens, das mit dem Auftrag der Parteien beginnt und oft erst Monate nach der Beurkundungsverhandlung mit dem Abschluss des Urkundenvollzugs3 endet. Dazwischen finden Besprechungen statt, bereitet der Notar bzw. dessen Mitarbeiter den Urkundenentwurf vor, nimmt Korrekturen vor, korrespondiert mit beteiligten Stellen (z. B. dem Grundbuchamt, der Gemeinde, dem Finanzamt, im Grundbuch eingetragenen Gläubigern, Banken, etc.) und erledigt und überwacht den Vollzug der in der Urkunde eingegangenen Verpflichtungen.

Mediatoren sollten daher die notarielle Beurkundung nicht als bloß formellen Akt, sondern als ein eigenständiges Verfahren verstehen und den Medianten dieses auch so erläutern.

Aufgaben und Rolle des Notars im Beurkundungsverfahren

Der Notar

  • ist unabhängig und unparteiisch (§§ 1 BNotO, 14 BeurkG),
  • leitet das Beurkundungsverfahren,
  • soll den Willen der Beteiligten erforschen und den Sachverhalt klären (§ 17 BeurkG),
  • soll über die rechtliche Tragweite belehren und die Erklärungen der Beteiligten klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben (§ 17 BeurkG),
  • soll darauf achten, dass unerfahrene und ungewandte Beteiligte nicht benachteiligt werden (§ 17 BeurkG),
  • ist zur Vertraulichkeit verpflichtet (§ 18 BNotO) und haftet unbeschränkt und persönlich für Verletzungen seiner Amtspflichten (§ 19 BNotO).

Aus der vorstehenden Aufzählung ergibt sich, dass der Notar eine eigenständige Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts hat. Zudem muss er inhaltlich dafür sorgen, dass die Urkunde dem Willen der Beteiligten entspricht, diese klar und eindeutig in der juristischen Fachsprache formuliert ist, alle Beteiligten rechtlich ausreichend informiert sind und keiner benachteiligt wird.

Die Rolle des Notars ist dabei durchaus mit der des Mediators vergleichbar. Dies betrifft die Unparteilichkeit, die Verfahrensleitung und das Prinzip der Eigenverantwortung der Parteien. Wie der Mediator entscheidet der Notar nicht für die Parteien, sondern soll deren Willen umsetzen.

Mediatoren und Notare unterscheidet jedoch, dass Notare in ihrer Person zur rechtlichen Beratung, Belehrung und Formulierung verpflichtet sind, während der Mediator diese Aufgabe delegieren kann bzw. muss.4 Ist die Abschlussvereinbarung beurkundungspflichtig, liegt es nahe, die rechtliche Prüfung, Beratung und Formulierung an den Notar zu delegieren.

Mediatoren und Notare sprechen eine gemeinsame Sprache

Anders als Richter und (viele) Anwälte denken Notare nicht in Positionen. Sie interessieren sich in der Regel nicht dafür, wer gegen wen welchen aus Ereignissen in der Vergangenheit ableitbaren rechtlichen Anspruch hat, sondern sie arbeiten zukunftsbezogen. Der Notar gestaltet also Verträge, die für die Zukunft relevant sind.

Ein typischer Beurkundungsauftrag lautet etwa so: Eltern möchten Ihr Einfamilienhaus bereits zu Lebzeiten ihrer Tochter übergeben. Sie wollen nicht, dass später einmal „der Staat“ zugreift, wenn sie zum Pflegefall werden. Steuern sollen auch keine anfallen. Zudem wollen sie sich aber absichern, dass die Tochter sie zu Lebzeiten nicht vor die Türe setzen kann. Der Sohn soll anderweitig gleichgestellt werden. In einer Besprechung würde ein Notar die von den Beteiligten formulierten Interessen noch weiter herausarbeiten und konkretisieren und sodann Gestaltungsoptionen vorschlagen und mit den Beteiligten erörtern. Diese tägliche Arbeit von Notaren ähnelt strukturell den Phasen 3 und 4 des Mediationsverfahrens, wobei Notare gegenüber Mediatoren regelmäßig den Vorteil haben, dass sich die Interessen recht einfach ermitteln lassen und keine Konflikte die Verhandlungen behindern.

Für unser Thema ist wichtig, dass Notare und Mediatoren eine gemeinsame Sprache sprechen, ähnlich an ihre Fälle herangehen und vergleichbar mit den Beteiligten kommunizieren. Beide sind es gewohnt, die Interessen, Wünsche und Ziele der Beteiligten herauszuarbeiten und auf dieser Basis nach Gestaltungsoptionen zu suchen.

Abgrenzung und Überschneidung von Mediations- und Beurkundungsverfahren

Das normale notarielle Beurkundungsverfahren beginnt mit einem konkreten Beurkundungsauftrag. Die Beteiligten sind sich einig (über die Gründung einer GmbH, den Kauf einer Immobilie, den Inhalt eines Ehevertrages)5 und der Notar soll dann den Willen der Beteiligten in einer Urkunde umsetzen.

Das Mediationsverfahren setzt zeitlich und strukturell früher an. Zu Beginn eines Mediationsverfahrens sind sich die Beteiligten gerade nicht einig (und könnten einem Notar auch noch keinen Beurkundungsauftrag erteilen). Das Mediationsverfahren kann jedoch dazu führen, dass sich die Beteiligten einig werden. Hier kann der entsprechend ausgebildete Notar Mediations- und Kommunikationstechniken auch im normalen Beurkundungsverfahren einsetzen.

Sobald im Mediationsverfahren eine solch prinzipielle Einigung gefunden worden ist, kann aus dem Mediationsverfahren heraus ein Beurkundungsverfahren mit einem konkreten Beurkundungsauftrag eingeleitet werden. Dies wird regelmäßig in Phase 4 und 5 des Mediationsverfahrens der Fall sein, wenn gefundene Lösungen rechtlich geprüft und in eine Abschlussvereinbarung umgesetzt werden müssen.

Aus Sicht des Mediators bedeutet dies, dass ab der Beauftragung des Notars Mediations- und Beurkundungsverfahren parallel laufen. Die Herausforderung für den Mediator besteht dann darin, das Beurkundungsverfahren und den Notar in das bereits laufende Mediationsverfahren zu integrieren. Mediations- und Beurkundungsverfahren enden dann gemeinsam.

Folgerungen für die Schnittstelle zwischen Mediation und Beurkundung

Vorbereitung der Konfliktparteien auf das Beurkundungsverfahren

Der Mediator sollte die Konfliktparteien darauf vorbereiten, dass der einzuschaltende Notar bisherige Verhandlungsergebnisse möglicherweise in Frage stellt, Alternativvorschläge unterbreitet und die Ausformulierung in der juristischen Fachsprache übernehmen wird. Dies sollte gegenüber den Konfliktparteien als Mehrwert und als Teil der Phasen 4 und 5 des Mediationsverfahrens dargestellt werden. Der Mediator sollte zudem klarstellen, dass er sich weiterhin für das Gesamtverfahren zuständig fühlt, während des Beurkundungsverfahrens jedoch ein wenig zur Seite treten und dem Notar die Führung überlassen wird.

Begleitung des Beurkundungsverfahrens durch den Mediator, Sicherstellung des Informationsflusses

Von der Kommunikation her kommt es darauf an, den Notar möglichst vollständig über den Sachverhalt, die Interessenlage der Beteiligten und die gefundene Lösung zu informieren. Nur so kann das Potential des Beurkundungsverfahrens bestmöglich genutzt werden. Der Informationsfluss sollte durch den Mediator koordiniert und gesteuert werden. Im Beurkundungsverfahren selbst hat der Notar „den Hut“ auf, der Mediator sollte jedoch das gesamte Beurkundungsverfahren begleiten und in der Kommunikation zumindest immer cc. gesetzt sein.

Vorzugsweise sollte die Übergabe des Mediationsfalls an den Notar in einer mündlichen Besprechung und nicht auf schriftlichem Weg erfolgen.6 Aus dem Gesprächen mit den Notaren, bei denen ich beschäftigt bin, weiß ich, dass diese gerade in komplexen Trennungs- und Scheidungssachen großen Wert auf eine gemeinsame Vorbesprechung mit allen Beteiligten legen.7 In dieser Besprechung kann der Sachverhalt geklärt, es können Rückfragen gestellt und es kann ein gemeinsames Verständnis für den konkreten Beurkundungsauftrag entwickelt werden.

Notare werden sich darüber freuen, wenn dieses Gespräch unter Beteiligung des Mediators stattfindet, der mit für einen strukturierten und bruchlosen Informationsfluss aus dem Mediations- in das Beurkundungsverfahren sorgen kann. Die intensiven Vorarbeiten aus dem Mediationsverfahren münden auf diese Weise sinnvoll in das Beurkundungsverfahren. Aus notarieller Sicht handelt es sich weitgehend um eine normale Vorbesprechung mit der Besonderheit, dass die Beteiligten in der Mediation bereits einen längeren gemeinsamen Weg zurückgelegt haben. In der gemeinsamen Vorbesprechung bekommt der Notar ein Gefühl für diesen Weg und kann anschließend angemessen und sensibel mit dieser Vorgeschichte umgehen.

Aus Sicht des Mediators und der Konfliktparteien ist dabei noch wichtig zu wissen, dass Notare nicht nach Zeitaufwand abrechnen. Die Vorbesprechung(en), Telefonate und Rückfragen, Entwurfserstellung und Beurkundung sind komplett in der Beurkundungsgebühr mit enthalten und verursachen also keine Zusatzkosten.

Das kreative Potential der Notare nutzen

Wie oben erläutert, sind es Notare gewohnt, auf der Grundlage von Interessen zu gestalten. Sie untersuchen keine in die Vergangenheit gerichteten juristischen Ansprüche, sondern schlagen zukunftsgerichtet rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten vor. Gerade in den Rechtsgebieten, in denen Notare tätig sind (Immobilienrecht, Gesellschaftsrecht, Erbrecht, Familienrecht), verfügen sie über einen riesigen Fundus an Gestaltungsvarianten, die sie in ihrer täglichen Arbeit fallbezogen einsetzen.

Daher kann es gut sein, dass sich der in der Mediation erarbeitete Lösungsraum im Beurkundungsverfahren aufgrund von Ideen und Vorschlägen des Notars noch erweitern lässt. Dieses kreative Potential der Notare sollten Mediatoren kennen und im Sinne der Konfliktparteien aktiv nutzen.

So können Mediatoren den mit der Beurkundung betrauten Notar als „Verbündeten“ betrachten. Notare sind kein „Störfaktor“, die bereits gefundene Ergebnisse willkürlich in Frage stellen, sondern es handelt sich um Vertragsgestaltungsexperten, die in Zusammenarbeit mit dem Mediator und den Konfliktparteien einen eigenen Beitrag zu einer noch besseren Lösung leisten können.

Notare selbst formulieren lassen

Die meisten Notare mögen es nicht, bereits ausformulierte Vereinbarungen zu bekommen. Für Notare ist es nämlich sehr zeitaufwändig und haftungsträchtig, einen von Dritter Seite ausformulierten Text prüfen und ggf. überarbeiten zu müssen. Außerdem führt die Überarbeitung durch den Notar oft zu (vermeidbarem) Frust bei den Beteiligten, wenn diese ihren Ursprungstext nach der Überarbeitung oft kaum mehr wiedererkennen. Notaren ist es daher viel lieber, sie bekommen die gewünschte Lösung lediglich in Stichpunkten bzw. Eckpunkten skizziert. Auf der Grundlage der gemeinsamen Besprechung können sie dann den ausformulierten Entwurf der abschließenden Vereinbarung selbst8 und mit den ihnen vertrauten Formulierungen9 erstellen.

Fallstudie 2: Best-Practice

Ein Mediator, im Grundberuf Psychologe, hat mit den Eheleuten Müller eine Trennungs- und Scheidungsmediation durchgeführt. In sechs herausfordernden gemeinsamen Mediationssitzungen ist es gelungen, den Sachverhalt aufzubereiten, die jeweiligen Interessen herauszuarbeiten und zu einer Einigung über die Trennungs- und Scheidungsfolgen zu gelangen. Insbesondere alle Unterhaltsfragen sind geklärt, die abbezahlte gemeinsame Wohnung soll gegen Zahlung einer Abfindung von € 70.000,00 Frau Müller bekommen und der Versorgungsausgleich soll vom Gericht durchgeführt werden. Herr und Frau Müller sind erleichtert. Die sechsmonatigen Verhandlungen haben sich gelohnt. Anwaltskosten konnten durch das Mediationsverfahren gespart werden und es wird keine schmutzige Scheidung geben.

Der Mediator freut sich gemeinsam mit den Eheleuten Müller, bremst sodann aber deren Euphorie, weil die gemeinsame Arbeit noch nicht vollständig getan sei. Er erklärt, dass es nun darum gehe, die bisher in Stichpunkten formulierte Einigung in eine rechtlich verbindliche und wirksame Form zu gießen.

Da die Regelungen ohnehin notariell beurkundungsbedürftig seien, kann ein von den Eheleuten Müller bestimmter Notar insoweit in das weitere Verfahren eingebunden werden.10 Erfahrungsgemäß ist es so, dass der Notar auch noch neue Gesichtspunkte aufwirft, kritische Fragen stellt, vielleicht auch noch Gestaltungsvarianten in den Raum stellt und über den rechtlichen Rahmen berät und belehrt.

Der Mediator nimmt dann das weitere Verfahren in die Hand. Er kontaktiert die von den Parteien bestimmten örtlichen Notar und vereinbart einen gemeinsamen Termin. In dem zwei Wochen später stattfindenden Besprechungstermin, an dem die Parteien, der Notar und auch der Mediator teilnehmen, wird dem Notar der Sachverhalt und die gefundene Einigung erläutert. Der Mediator übergibt dabei das in Stichpunkten formulierte Verhandlungsergebnis.11 Der Notar schaut bereits während der
Besprechung ins Grundbuch, stellt Rückfragen, erläutert rechtliche Problemstellungen (Löschung Sparkassengrundschuld, Problematik von ungesicherten Vorleistungen, Unmöglichkeit des Verzichts auf künftigen Trennungsunterhalt), stellt Gestaltungsalternativen vor (Umschreibung des Eigentums erst nach Zahlung der Abfindung oder unabhängig von der Zahlung der Abfindung) und gewinnt ein Verständnis für den bereits im Mediationsverfahren zurückgelegten Weg, die Hintergründe der gefundenen Einigung, die damit bezweckten Ziele und die Atmosphäre zwischen den Vertragsparteien.

Auf der Grundlage dieses Gesprächs erstellt der Notar den Entwurf der „Mediationsabschluss-, Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung“ und stellt diesen Entwurf den Vertragsparteien und dem Mediator zur Verfügung. Die Eheleute Müller fühlen sich insgesamt gut aufgehoben, vertrauen auf die Kooperation von Mediator und Notar und sind nicht überrascht von dem notariellen Entwurf, sondern finden Ihre Vorstellungen darin wieder. Nach der Klärung von letzten Rückfragen kann sodann kurzfristig ein Beurkundungstermin stattfinden. Nach der Beurkundung wird die notarielle Urkunde sodann im Notariat weiter betreut und vollzogen. Nach weiteren acht Monaten ist der verloren gegangene Grundschuldbrief für kraftlos erklärt und Frau Müller als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Herr Müller hat seine Abfindung erhalten und das Scheidungsverfahren ist einvernehmlich eingeleitet. Die ehemaligen Konfliktparteien sind froh, die schwierige Trennungs- und Scheidungssituation mit Hilfe des Mediators und des Notars eigenverantwortlich gemeistert zu haben. Beide können befreit in die Zukunft blicken. Auch der Mediator und der Notar haben das Gefühl, gut kooperiert und gute Arbeit geleistet zu haben.

Fazit

Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit zwischen Mediatoren und Notaren gut funktionieren kann. Aus dem Mediationsverfahren heraus kann die besondere rechtliche und vertragsgestaltende Expertise des Notars in den letzten Phasen des Mediationsverfahrens sehr gut integriert werden. Im Gegensatz zu einseitig beratenden Rechtsanwälten ist der Notar allen Beteiligten verpflichtet und wird damit stets ausgewogene Gestaltungen vorschlagen.

Damit es nicht zu unangenehmen Überraschungen kommt, ist es jedoch entscheidend, dass der Mediator Rolle und Aufgaben des Notars kennt. Dann kann er die Erwartungen der Konfliktparteien richtig einstellen und zugleich dafür sorgen, dass der Informationsfluss aus dem Mediationsverfahren in das Beurkundungsverfahren optimal gelingt.

Dem beurkundenden Notar wird die Arbeit erleichtert, wenn das Beurkundungsverfahren mit einer gemeinsamen Besprechung startet und die Ausformulierung der Abschlussvereinbarung dem Notar überlassen wird.

Thurid von Keller


Bild von Bild von Brett Hondow auf Pixabay
Siehe auch: Notarmediator

1 Siehe zur Formbedürftigkeit von Rechtsgeschäften den Beitrag Abschlussvereinbarung
2 Die Namen der Parteien sind selbstverständlich anonymisiert worden
3 Etwa der Eigentumsumschreibung im Grundbuch
4 Der nichtjuristische Mediator darf nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz in der Regel keine Rechtsberatung anbieten.
5 Dies schließt nicht aus, dass über einzelne Punkte und/oder die genaue Gestaltung noch verschiedene (oder überhaupt keine) Vorstellungen existieren.
6 Als Mittelweg sind auch Videokonferenzen denkbar.
7 Anders ist dies nur, wenn beide Seiten anwaltlich vertreten sind und von den Anwälten ein Verhandlungsergebnis (ausformulierter Text oder Stichpunkte) zur Verfügung gestellt wird. Dann erfolgt die Kommunikation über die Anwälte.
8 Nach Aussage der befragten Notare werden über 95 % der beurkundeten Texte im Notariat und nicht von Dritten entworfen.
9 Dabei handelt es sich vor allem um die im Notariat genutzten Textbausteine, die die Notare erstellt haben. Diese sind bereits in einer Vielzahl von Fällen erprobt worden, sind in sich schlüssig und passen untereinander zusammen. Angepasst auf den Einzelfall und ergänzt durch fallspezifische Besonderheiten können diese Textbausteine dann zusammengefügt werden.
10 Nach § 2 Abs. 6 Satz 2 MediationsG hat der Mediator die Parteien ohnehin auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Vereinbarung durch externe Berater prüfen zu lassen. Gerade in Trennungs- und Scheidungsmediationen sind häufig bereits Anwälte beteiligt, die dann ebenfalls in die Überprüfung eingebunden werden können.
11 Alternativ stellt er es vorab dem Notar bereits zur Verfügung.