Der Artikel beginnt mit der Feststellung: “Es lohnt sich für Unternehmer, Gerichtsprozesse systematisch zu vermeiden und Rechtsstreitigkeiten einvernehmlich beizulegen”. Ich würde noch einen Schritt früher ansetzen und behaupten, es lohnt sich Streit zu vermeiden, egal wo er ausgetragen wird. …

Die Idee, streit zu vermeiden, scheint aber nicht sehr naheliegend zu sein. Ja, ja wir wissen: “Kriege lohnen sich nicht”; “Im Krieg sind alle Verlierer”usw. Sind das Phrasen, Weisheiten oder Erkenntnisse? Fakt ist, die Aussagen – was auch immer sie sind – sind so alt wie die Zivilisation und trotzdem haben wir es nicht in 5.000 Jahren geschafft, Kriege abzuschaffen. Das Gegenteil ist der Fall! Aber das ist ein anderes Thema. Es scheint der Untersuchung der Studie recht zu geben. Die Weisheit braucht einen Beleg, denn keine Erkenntnis ist wichtiger als der Profit. Zur Studie:

Sie soll belegen, dass ein Unternehmen bei einem Streitwert 5 Mio. EUR 80% der Verfahrenskosten einspart, wenn eine erfolgreiche Mediation statt gefunden hat. Die Erkenntnis ist auch nicht neu. Spannender ist die Aussage, dass “nicht das von DAX-Konzernen vielgenutzte Schiedsverfahren, sondern die Mediation das größte unternehmerische Potenzial aufweist”. Man müsste jetzt in die Studie schauen können, um diese Evaluation nachzuvollziehen. Besonders interessant wäre es zu wissen, in welchem Wirkungsradius die Mediation gesehen wurde. Wurde sie nur mit Gerichtsverfahren und Schiedsgerichtsverfahren verglichen? Dann sollten die Unternehmer ein Bewusstsein darüber haben, dass die Mediation zu noch viel mehr fähig ist – auch für solche Fälle, die niemals vor Gericht oder einer Schiedsgerichtsbarkeit landen würden. Der Pressebericht führt weiter aus: “Der aktuell erschienene Academicon ADR-Report 2013 zeigt, dass gerade bei Streitwerten im Millionenbereich nicht das Schiedsverfahren, sondern die Mediation die größten Einsparpotenziale freilegt. Unternehmen, die ihre Konflikte systematisch einvernehmlich beilegen, sind erfolgreicher.” Einvernehmen ist eine Frage der Kosteneffizienz. Wenn das alles ist?

Das Inhaltsverzeichnis der 48-seitigen Studie ist das Folgende (gefunden auf: academicon.net):

INHALT

Überblick 1
Einleitung 2
Wert der Studie 2
ADR – Alternative Dispute Resolution 3
Datengrundlage 3
Ablauf der Befragung 4
Methodik 5
Außergerichtliche Streitbeilegung in deutschen Unternehmen 2013 6
Kerndaten des Marktes 6
Akzeptanz alternativer Streitbeilegung 7
Qualitätskriterien für Verfahrensleiter 9
Relevanz alternativer Streitbeilegung 11
Bekanntheit und Nutzung alternativer
Streitbeilegung 12
Einflussfaktoren bei der Entscheidung 13
Betriebswirtschaftliche Evaluation
außergerichtlicher Streitbeilegung 18
Zukunft der Streitbeilegung in Europa 27
Europäische Gesetzgebung 27
Deutsche Gesetzgebung 28
Online Dispute Resolution 28
Prognose ADR 2023 30
Implementierung von Streitbeilegung 32
First Steps 32
Marketing 33
Weiterführende Beratung 34
Glossar 35
Regressionsmodelle 42
Impressum 48

Was die Studie hergeben mag wird aus weiteren Zitaten aus dem Pressehinweis deutlich:

Obwohl die Kostenvorteile der Mediation gerade bei hohen Streitwerten greifen, wird das Verfahren noch nicht entsprechend genutzt.
Die Rechtsabteilungen großer Unternehmen zögern, Mediationsklauseln in Verträge zu integrieren und Streitigkeiten konsensorientiert zu verhandeln.
Diese Beobachtungen lassen sich teilweise durch fehlende Kostenoptimierung erklären. Bedeutsam ist aber auch das aktuelle System der Rechtsanwaltsvergütung: Anwälte verdienen Geld daran, Streitigkeiten vor Gericht zu bringen; sie empfehlen daher einen Gerichtsprozess tendenziell zu früh und schenken der Mediation wenig Beachtung.

So einfach ist es nicht. Ich frage mich, ob die Studie auch auf die konfliktstrategischen und mentalen Bedingungen eingegangen ist. Streit ist kein Produkt und die Streitbewältigung ist kein Markt auch wenn man versucht, sie zu vermarkten.