Wenn Sie das Tagesgeschehen um Brexit, Trump-Wahl usw. verfolgen, dann fällt folgendes auf:

Der Populismus wird als ein Erklärungsversuch gehandelt. Genau betrachtet würde er die Entscheidungen der Wähler aber weder erklären noch rechtfertigen. Viel zu komplex sind die Vorgänge, um sich durch eine monokausale Herleitung erklären zu lassen. Vielleicht ist der Populismus gerade deswegen auf dem Weg, eine Modeerscheinung zu werden. Er suggeriert Erklärungen und lenkt zugleich von Erklärungen ab. Das macht ihn so interessant. Das Wort "Populismus" wird übrigens nicht von den Menschen verwendet, die als Populisten bezeichnet werden, sondern von denen die anderen Populismus vorwerfen. Es ist nicht wirklich klar, ob es die Anti-Popularisten sind oder die Elitaristen. Der Begriff führt in eine Polarisierung und erlaubt die Abgrenzung, aus der sich eine Ausgrenzung herleiten lässt. Das ist politisch attraktiv und im Wahlkampf gut zu verwenden. Der Begriff ist auch dedshalb attraktiv, weil er zu erklären scheint, was man sich rational nicht erklären kann.

Das Wort Populismus ist zur rechten Zeit aufgekommen. Es wurde wohl von der Presse aufgebracht, um die überraschenden Ergebnisse der Wahl in den USA und der BREXIT-Entscheidung in UK zu erklären. Die Suggestion wird dankbar von den Politikern aufgegriffen. Hat es doch etwas Entlastendes, wenn die Populisten für irritierende Volksentscheidungen verantwortlich gemacht werden. Der Ausgangspunkt der Überlegung ist, dass die Entscheidung des Volkes unüberlegt und falsch, ja sogar gefährlich sei und auf fehlerhaften Informationen beruhe, die Fakten vermissen lassen. Die Fehlinformationen wurden - so wird behauptet - von den Populisten, den Volksaufhetzern ja sogar ausländischen Demagogen lanciert, um das Volk aufzuhetzen. Schade, dass etwa 50% der angesprochenen Wähler in UK und USA das anders sehen dürften. Deshalb führt die Verwendung des Wortes in politischen Parolen eher zu einer Polarisierung als zu einer Konsensualisierung. Unter meditativen Gesichtspunkten betrachtet, handelt es sich deshalb auch nicht ums eine friedensbildende Maßnahme.

Was ist Populismus überhaupt?

In Deutschland hat das Wort einen anderen Geschmack als im Ausland. Hier wird der Populismus meist der rechten Szene zugeordnet. Wertfrei betrachtet, ist es ein Instrument der Meinungsbildung im Volk. Die kann durchaus auch positive Effekte haben. Gerhard Pretting führt beispielsweise aus1 , dass es den amerikanischen Populisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts gelang es, das politische System ihrer Heimat nachhaltig zu verändern. Zu ihren Forderungen gehörten unter anderem die Direktwahl der Senatoren, die Einführung von Vorwahlen, die progressive Einkommenssteuer und, als Zugeständnis an die Moderne, das Frauenstimmrecht. Populismus, das lernen wir jetzt, kann auf ein Ziel gerichtete Veränderungen herbeiführen.

Beigeschmack

Populismus ist Meinungsbildung. Meinungen bilden sich auch aus Vorurteilen. Nach der Erkenntnistheorie handelt es sich um eine von Wissen und Glauben unterschiedene Form des Fürwahrhaltens2 . Fürwahrhalten heisst, nicht wahr sein. Darüber ist man sich nicht bewusst, wenn man nicht präzise zuhört, also sich der Meinung bewusst wird und sie auf Fakten bezieht. Den Beigeschmack bekommt der Populismus dann, wenn sich die Meinungsbildung auf Tatsachen bezieht, die der Wahrheit nicht entsprechen. Hier finden wir den historischen Grund, warum der Populismus in Deutschland in die Nähe von Demagogie rückt und wo der Aufruf zum Anti-Populismus zugleich ein Aufruf zum Anti-Nationalismus, Anti-Rassismus und Anti-Faschismus verstanden wird.

Empfänglichkeit

Der Populismus entsteht meist in Zeiten sozialer Verwerfungen. Auch hat er einen Bezug auf bessere Zeiten. Amerika soll wieder groß sein, UK soll wieder stark sein. Markant ist die unbestimmte Schuldzuweisung. Das Establishment, die Kapitalisten, die Rechten, die Linken, ... Auch wenn man es gerne so darstellt, macht der Populismus keinen Halt vor Bildung. Meinungen kann jeder haben. Meist haben sie einen emotionalen Bezug. Hier findet sich der Einstieg für Mediatoren. Die Mediatorenfrage würde lauten: "Was soll anders sein?", um dann, nach der Antwort zu fragen: "Was hast Du jetzt davon?" und um gegebenenfalls zu verifizieren: "Und dass gelingt Dir mit ....?"

Tendenz

Aus der Ferne betrachtet fällt auf, dass Menschen, die gegen den Populismus wettern, sich selbst mit Parolen und wüsten Behauptungen nicht zurückhalten. Hat das Informationsdefizit in der Bevölkerung nicht bereits dazu geführt, dass vorschnelle Meinungen gebildet werden konnten? So wie die so bezeichneten Populisten das Establishment bekriegen, bekriegt das Establishment nun die Populisten. Die Populisten tragen die Namen der jeweiligen politischen Gegner. Endlich kann man den Wahlkampf wörtlich nehmen und zum Kampf aufrufen. Wie so oft im Konflikt erleben wir, wie die Vorwürfe der einen Seite auf sie mindestens ebenso gut zutreffen wie auf die Gegenseite. Der Weg aus dem Populismus ist nicht der Anti-Populismus, auch nicht der Elitarismus. Die (integrierte) Mediation könnte helfen. Besonnenheit, Korrektheit der Informationen könnte helfen. Präzise Zuhören ist das Tool. Hinterfragen statt behaupten.
Wer präzise zuhört erkennt, die verschiedenen Perspektiven im Beitrag. Er erkennt was Meinungen sind und was Fakten. Er behandelt die Meinung wie ein kostbares Gut bevor er sich festlegt.

Siehe auch