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Verfahrensabgrenzungen

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Unterseite zum Kapitel Verfahren im Abschnitt Systematik des Fachbuchs Mediation.
Hier geht es um die Frage, wie sich die Verfahren (im weitesten Sinn) gegeneinander abgrenzen können. Beachten Sie bitte auch:

Verfahren Verfahrensabgrenzungen Verfahrenverzeichnis Verfahrenslandkarte Eigenschaften

Abstract: Immer wieder taucht die Frage auf, wie sich die Mediation von anderen Dienstleistungen und Verfahren abgrenzt. Die folgende Übersicht und Herleitung mag dazu beitragen, die korrekten Grenzen zwischen den Verfahren aufzuzeigen, um sie kortrekt gegeneinander abzugrenzen.

Einführung und Inhalt: Der Bedarf, die Verfahren gegeneinander abzugrenzen, ergibt sich nicht nur aus der fachlichen und rechtlichen Sicht, sondern auch aus den Anforderungen des Marktes und dem Bedarf der Nachfrage. Ein Konsument muss wissen, dass eine Mediation das passende Verfahren ist, um einen Mediator nachzufragen.

Kriterien zur Verfahrensabgrenzung

So wie viele Wege nach Rom führen, führen viele Wege in die Konfliktlösung. Damit sie nicht daran vorbeiführen, bedarf es der Kenntnis was mit dem jeweiligen Verfahren oder der Dienstleistung zu erreichen ist. Folgende Kriterien helfen bei der Unterscheidung:

Gericht Mediation
fremdbestimmt eigenbestimmt
formell informell
öffentlich vertraulich
lösungsgebunden lösungsoffen
ergebnisorientiert nutzenorientiert

Die oben genannten Kriterien ergeben lediglich einen Hinweis. Sie genügen nicht, um die Leistungsfähigkeit der Verfahren gegenüberzustellen. Dafür sind die den Verfahrencharakter ergebenden Eigenschaften besser geeignet.

Verfahrenskriterien Verfahrenscharakter

Nochmals zum Verfahrenbegriff

Bei der folgenden Zusammenstellung wird ein weiter Verfahrenbegriff zugrunde gelegt, der auch Prozesse umfasst. Deshalb fallen darunter auch Vorgänge wie die Beratung, die der monadischen, der dyadischen und der triadischen Instanz anhegören können.

Die Verfahren im Einzelnen

Der Begriff Verfahren wird hier wieder im weitesten Sinn verstanden. Er umfasst die monadischen, dyadischen und triadischen Streitinstanzen.1 Zur Unterscheidung ist stets der Verfahrenscharakter ausschlaggebend. Im Nachfolgenden wird versucht, die Verfahren mit Blick auf die zuvor erähnten Kriterien zu unterscheiden. Bitte bedenken Sie, dass hier von einem weiten Verfahrensbegriff ausgegangen wird, der auch die dyadischen Verfahren einschließt.

Beratung

Die Auffassung, der Mediator dürfe nicht beraten ist falsch. Er muss sogar beraten und zwar immer dann, wenn es um Verfahrensfragen geht oder darum, die Mediation einzuschätzen und die richtigen Verfahrensentscheidungen zu treffen. Das schließt die Beratung ein, wie eine wirksame Abschlussvereinbarung herbeizuführen ist. Die Beratung hat ihre Grenze in der Mediation, wenn sich dadurch das Kommunikationsmodell ändert und die Parteien den Mediator als Meinungsbildner missbrauchen2 .

Coaching

Das Coaching ist eine bewirkende Begleitung. Die Mediation ist die dazu führende Entscheidungsfindung. Weil alle Parteien an einem Tisch sitzen, ist sie möglicherweise viel direkter als das Coaching, das nur indirekte Wirkungen entfaltet.

Fachberatung

Eine fachliche Beratung ist dem Mediator verwehrt, wenn sie gegen den Grundsatz der Indetermination verstößt. Die Zulässigkeit einer Rechtsberatung ergibt sich aus dem Rechtsdiensteistungsgesetz. Sie ist nur Rechtsanwälten vorbehalten, wenn sie mit den Grundsätzen der Mediation einhergeht.

Gerichtsverfahren

Der Richter entscheidet auf der Grundlage des Sachverhalts und der sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Der Richter hat auch einen Schlichtungsauftrag, indem er dem Einvernehmen der Parteien einen Vorrang einzuräumen hat. In allen Fällen liegt der Fokus darauf, die ein oder andere Lösung durchzusetzen. Die Lösungsfindung ist auf Sachverhalt und Rechtsfolgen reduziert. Die Mediation sucht nach Lösungen in allen Dimensionen.

Kooperative Praxis

Kooperative Praxis – auch „Cooperative Praxis“ oder „CP-Verfahren“ genannt – ist ein Konzept, das Rechtsvertretung und die Methodik der Mediation in einen Auftrag integriert. Das Verfahren ist in den USA sehr erfolgreich und seit einigen Jahren auch in Deutschland präsent. Hier wird das Verfahren kurz vorgestellt.3

Konfliktmoderation

Mit dem Substantiv Moderation wird im Deutschen häufig eine bei Gruppen und Teams angewendete Methode beschrieben, bei der die Steuerung der Interaktion in der Gruppe im Vordergrund steht. Es gibt Überschneidungen mit der Mediation, die auch moderierende Elemente enthält. Besonders die Abgrenzung zur Konfliktmoderation stellt eine Herausforderung dar.

Ombudsverfahren

Bei einem Ombudsmann oder dem Ombudsverfahren handelt es sich nach der in der Bundesrepublik Deutschland in der Praxis üblichen Verwendung um eine außergerichtliche, aber behörden- oder organisationsinterne, Streitschlichtungsstelle, die nach einem festgelegten Verfahrensablauf schriftlich entweder einen für beide Parteien unverbindlichen Vorschlag zur Streitschlichtung ausarbeitet oder aber einen Vorschlag, der nur für die Behörde oder Organisation einseitig bindend ist. Mithin ist das Ombudsverfahren der Schlichtung näher als der Mediation, auch wenn manche Techniken konform angewendet werden. Stephan Rixen erklärt den Unterschied in einem Beitrag der Süddeutschen Zeitung4 wie folgt: "Im streng technischen Sinn ist unser Vorgehen (Ombudsverfahren) nicht mit dem von Mediatoren vergleichbar. In Mediationen können Konfliktpartner schließlich ihre Lösung erarbeiten, ohne eine feste Vorschrift beachten zu müssen. Bei uns ist das anders". Übersehen wird, dass sich auch die Mediation nicht über feste Regeln hinwegsetzen kann. Auch dort kann der Lösungsradius eingeschränkt sein. Allerdings ist das Verfahren der Lösungssuche in den Grenzen der Mediation von den Parteien selbst zu bestimmen. Den maßgeblichen Unterschied dürften die jeweiligen Kommunikationsmodelle und die Bearbeitungstiefe ergeben. Im Beitrag über das Ombudsverfahren wurden auch die Freiwilligkeit, die Kostenlast und die Auswrikungen auf die Verjährung als Unterscheidungskriterien herausgestellt.

Rechtsberatung

Eine Rechtsberatung ist nur Rechtsanwälten erlaubt. Das ergibt sich aus dem Rechtsdienstleistungsgesetz. Unabhängig davon darf auch ein Rechtsanwalt (also ein sogenannter Anwaltsmediator) keine Rechtsberatung durchführen, wenn es sich um eine parteiliche Beratung handelt. Rechtsinformationen sind in jedem Fall zulässig, auch wenn der Mediator kein Rechtsanwalt ist.

Restaurative Circles

Die sogenannten restaurative Circles oder Kreisgespräche streben eine Konfliktverwandlung auf gleicher Augenhöhe an. Es geht um ein (bewusst oder unbewusst) an die Mediation angelehntes Vorgehen. Es gibt zumindest keinen offiziell bestellten (externen) Mediator. Wohl aber einen Faciliator mit ähnlichen Funktionen, der auch aus der Teilnehmergruppe bestimmt werden kann.

Schlichtung

Die Praxis tut sich schwer mit der Abgrenzung zwischen der Schlichtung und der Mediation. Wenn behauptet wird, dass der wesentliche Unterschied in dem Umstand besteht, dass die Parteien den Schlichter meist während des Verfahrens bitten, einen unverbindlichen Einigungsvorschlag zu unterbreiten und dass der Mediator in den meisten Fällen von einem solchen Vorschlag absieht5 , ergibt sich kein valides Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden Verfahren. Und doch ist der Unterschied gravierend.

Was die Verfahren gemeinsam haben ist: beides sind Verfahren der Streitvermittlung. Der Unterschied liegt im Verfahrensschwerpunkt. Während die Schlichtung die Lösung fokussiert, liegt der Verfahrensschwerpunkt bei der Mediation im Verstehen. Mithin ist die Schlichtung eine Lösungsvermittlung, während die Mediation eine Vermittlung ist. Die Schlichtung verfolgt eine an den Positionen (Forderungen) orientierte Top-down-Logik, während die Mediation eine Bottom-up-Logik verfolgt, aus der heraus die Lösung entwickelt (gefunden) werden soll. Der Schlichter soll den Sachverhalt und die sich daraus ergebende Lösungssituation (in Gerichtsverfahren die Rechtslage) einschätzen, bewerten und zu einem Lösungsvorschlag führen. Der Mediator hat den Auftrag dafür zu sorgen, dass die Parteien in die Lage versetzt werden, die erforderlichen Einschätzungen und Bewertungen selbst vorzunehmen, um aus dieser Erkenntnis heraus selbst eine Lösung entwickeln zu können6 .

Die Grenzziehung zwischen beiden Verfahren lässt sich mit dem Kommunikationsmodell messen. Das Kommunikationsmodell der Mediation wird mit dem Grundsatz der Indetermination gesichert. Es verhindert, dass der Mediator zum Meinungsbildner wird, was umgekehrt vom Schlichter erwartet wird.

Im Interesse eines umfassenden Clearings ist auch eine Abgrenzung zur Verbraucherschlichtung oder zur obligatprischen Schlichtung erforderlich. Auch wernn diese Verfahren eine Mediation ermöglichen, unterscheiden sie sich in den rechtlichen Voraussetzungen und Grenzen (z.B. hinsichtlich Verjährung, Prozessvereitelung und Vollstrckung).7

Supervision

Die Supervision ist ein Beratungs- und Lehrmodell.

Therapie

Therapie bedeutet Behandlung (auch Dienst, Pflege, Heilung).8 Sie zielt darauf ab, Behinderungen, Krankheiten und Verletzungen einer Heilung zuzuführen, also die körperliche und seelische Integrität herzustellen. Es geht stets um die Behandlung einer Krankheit. Ausgangspunkt ist stets eine Krankheitsdiagnose. Auch wenn die Mediation Heilungseffekte herbeiführen kann, ist die Heilung nicht ihr Ziel. Die Mediation kennt auch keine Diagnosen. Die Mediation endet stets in der Entscheidung. Wenn sich Impulse für eine Heilung herstellen, könnte die Entscheidung auch lauten, eine Therapie in Anspruch zu nehmen. Eine Mediation kann deshalb ergänzend und vorbereitend zur Therapie herangezogen werden. Sie kann eine Therapie aber nicht ersetzen auch wenn sie nahe an die Therapie herankommt. Wie die Ausführungen zum Streitkontinuum ergeben, deckt auch die Therapie nicht alle Dimensionen der Konfliktbeilegung ab. Die Mediation kann deshalb eine sinnvolle Ergänzung zur Therapie darstellen.9

Verbraucherschlichtung

Wenn es sich um ein sogenanntes Streitbeilegungsverfahren der Verbraucherschlichtungsstelle handelt, dann ergibt sich die Abgrenzung allein aus der Betreiberschaft des Verfahrens heraus. Das Verfahren der Verbraucherschlichtungsstelle kann im übrigen eine Schlichtung ebenso sein wie eine Mediation.

Verhandeln

Die Verhandlung kann viele Gesichter haben. Sie reichen vom intuitiven, bis hin zum emphatischen Verhandeln. Letztlich ist auch die Mediation eine Verhandlung, die jedoch durch die vorgeschalteten Phasen 1-3 ausführlich vorbereitet wird. Die Verhandlung isyt oft leichter zugänglich als die Mediation. Sie sollte jedoch von der Mediation strikt unterschieden werden.


Bedeutung für die Mediation

Ein Clearingverfahren gibt es nicht. Stattdessen gibt es eine Neigung der Dienstleister, sich für zuständig zu erklären. Ganz nach der Metapher von Maslow: "Wer gelernt hat mit dem Hammer umzugehen, für den ist jedes Problem ein Nagel". Wenn der Dienstleister für den Klienten die optimale Dienstleistung anbieten will, muss er sie gegen andere mögliche Dienstleistungen abgrenzen können. die Prüfung der Geeignetheit der Mediation beschränkt sich also nicht nur auf die Frage der Mediation. Sie bezieht auch andere Verfahren ein und vereinbart mit den Parteien den optimalen Weg zur Konfliktbeilegung, der sich gegebenenfalls durch eine Kombination von Verfahren herstellen lässt. Die Verfahrensabgrenzung ist ein Gewinn für alle. Sie führt zur Zufriedenheit der Kunden und verhindert, dass die Mediation scheitert.

Die Verfahrensabgrenzung spielt auch eine Rolle bei der Frage der Vor- und Nachbefassung und der notwendigen Dienstleistungergänzung. Die Mediation endet stets mit der Entscheidung und bei der Parteilichkeit. Die Faustregel zur Abgrenzung lautet deshalb:

 Merke:
Leitsatz 10351 - Die Mediation endet bei der neutralen Entscheidungshilfe. Individuelle Dienstleistungen, wie die Beratung oder die Hilfe bei der Umsetzung (Vollstreckung, Coaching, Therapie) können von der Mediation nicht abgedeckt werden.

Die unvollständige Dienstleistung Geeignetheit der Mediation

Es gibt begrenzte Möglichkeiten, die Begleitung nach der Mediation etwa durch Einzelgespräche zur Sicherung der Mediation in die Mediation einzubeziehen. Eine davon gelöste Befassung mit der individuellen Partei ist jedoch anderen Verfahren und Dienstleistungen zu überlassen. Es macht gegebenenfalls Sinn, dass die Dienstleister sich abstimmen. Die Vertraulichkeitsvereinbarung sollte diese Notwendigkeit geegebenenfalls beachten.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Alias: Dienstleistungsabgrenzung, Verfahrensabgrenzung
Siehe auch: Geeignetheit, Systematik, Konfliktkongruenz, Konfliktzuweisungsprinzip,Dienstleistungenverzeichnis, Dienstleistung
Bearbeitungshinweis: Textvollendung und Programmvollendung erforderlich
Diskussion (Foren): Siehe Mediationsvideos, Besser als Therapie?

1 Siehe unter Systematik
3 Siehe auch Kooperative Praxis
5 Gefunden bei www.dispute-resolution-hamburg.comdownload am 1.8.2017
6 Ausführlich zur Abgrenzung zwischen Schlichtung und Mediation siehe Streitvermittlung
8 {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="5820"}/Therapie
9 Siehe dazu auch {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="4538"}


Based on work by anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag März 29, 2024 10:00:31 CET.

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