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Struktur und Strukturiertheit

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Der mediative Rahmen Systematiken Einheiten Prozesslogik Struktur Gegenstand Kooperation Zeit

Worum es geht: Die Struktur der Mediation ist ein zentrales Thema, das wesentlich zum professionelen Verständnis der Mediation beiträgt. Die Mediation besitzt nicht nur EINE Struktur. Sie besteht aus mehreren. Darüber hinaus verfügt sie über eine beachtliche Strukturierungskompetenz in der Fallarbeit.

Einführung und Inhalt: Die Struktur ist so etwas wie ein Gerüst oder eine Stütze. Sie greift die Ornungen auf, die sich aus den Systematiken ergeben. Auch die Mediation wird durch eine Struktur gestützt. Die Kenntnis der Struktur gehört zum Rüstzeug des Mediators. Wenn in der Mediation von der Struktur die Rede ist, wird zunächst an die Definition in §1 Mediationsgesetz gedacht. Dort wird nämlich ausgeführt:

Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mit Hilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben


Das Gesetz besagt allerdings nicht, was unter einem strukturierten Verfahren zu verstehen ist. Gemeint ist wohl lediglich die Abgrenzung zum intuitiven Verhandeln. Die Begründung zum Gesetzesentwurf ergibt jedoch weitere Anhaltspunkte. Dort wurde ausgeführt, dass die Mediation als strukturiertes Verfahren bestimmten Regeln folge, die von Fall zu Fall anders ausfielen.1 Geht es also nur um Regeln, wenn von Struktur die Rede ist?

Oft scheint es, als solle die Struktur durch die Vergabe von Gesprächsregeln hergestellt werden. Dabei wird übersehen, dass die Gesprächsregeln zwar ein Verhalten vorgeben, aber noch lange keine Struktur. Was der Gesetzgeber tatsächlich gemeint hat, könnte sich aus einem weiteren Zitat der Gesetzesbegründung ergeben. Dort wird ausgeführt, dass sich eine weitere Strukturierung aus den in §2 Mediationsgesetz festgelegten Regeln ergibt.2 Haben wir es jetzt mit einer engeren und einer weiteren Strukturierung zu tun?

So wie es scheint, wird die Strukturierung mit der Formalisierung gleichgesetzt, Denn die Regeln des §2 Mediationsgesetz betreffen nicht nur den näher beschriebenen Ablauf der Mediation, sondern auch die Prinzipien, die freie Mediatorenwahl, die Teilnahme Dritter sowie (eingeschränkt) die Informiertheit und die Dokumentation. Eine als Gerüst verwertbare Verfahrensgliederung ergibt sich daraus jedenfalls nicht. Der Eindruck, als könne sich die Strukturiertheit aus einer Formalisierung erschließen, drängt sich auf. Er sollte vermieden werden, denn er wird der Mediation nicht gerecht.3

Der naheliegende Gedanke einer Strukturierung stellt den durch die Phasen gatakteten Ablauf der Mediation in den Vordergrund. Aus den Phasen ergibt sich sicherlich eine Struktur. Sie mag die Struktur des Verfahrens kennzeichnen. Sie wäre allerdings zu flach, um auch die Struktur der Mediation und des zurückzulegenden Gedankenganges zu beschreiben. Auch sind die Phasen nicht das einzige strukturbildende Element der Mediation. Wenn sie mit der Komplexität umgehen will, muss sie auch eine systemische Struktur und eine inhaltliche Strukturierung anbieten können. Nur wenn der Mediator die Struktur und die Strukturierung der mediativen Elemente kennt, kann er sie den Parteien als eine Orientierungshilfe bei der Lösungsfindung zur Verfügung stellen.

Einführung

Konflikt ist Chaos. Das Chaos wird zugänglich, sobald es eine Orientierung gibt.4 Die Struktur ist ein wesentlicher Aspekt zur Orientierung. Es handelt sich um ein Wesensmerkmal, das sogar in der gesetzlichen Definition aufgegriffen wurde.5 Tatsächlich bietet die Struktur der Mediation eine Orientierung, die sich auf eine notwendige Strukturierung der Inhalte und Verfahrensschritte durch den Mediator auswirkt.

 Merke:
Leitsatz 3354 - Die Mediation ist ein strukturiertes und ein strukturierendes Verfahren, das Erkenntnisse im Konflikt ermöglichen soll.

Der Begriff Struktur wird von dem lateinischen Wort structura hergeleitet und bedeutet so viel wie Zusammenfügung und Ordnung. Ordnung bezeichnet in diesem Verständnis die Anordnung der Teile eines Ganzen zueinander. Gemeint ist der gegliederte Aufbau und die innere Gliederung.6

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Man mag sich vorstellen, dass sich die innere Gliederung der Mediation nicht nur durch die Phasen vollständig beschreiben lässt. Die Struktur ist genauso umfassend wie das mehrdimensionale Verfahren.7 Ihre verschachtelte Struktur wird mit der nebenstehenden Skizze angedeutet. Sie kann über die nachfolgende Differenzierung vollständig erfasst werden:

  1. Die horizontale Struktur. Sie betrifft die Verfahrensebene.
  2. Die vertikale Struktur: Sie betrifft die Systemik.
  3. Die verarbeitende Struktur: Sie betrifft die Informationsverarbeitung und die inhaltliche Struktur.
  4. Die Notwendigkeit zur Strukturierung.

Die horizontale Struktur

Die horizontale Struktur ist die naheliegende Struktur des Verfahrens. Die Verfahrensstruktur ergibt sich aus der über die Phasen zum Ausdruck kommenden Verfahrensgliederung. Allerdings bezieht sie sich nur auf die Verfahrensebene. Sie wirkt sich allerdings auch auf den Gedankengang aus, der über die Phasen ebenfalls strukturiert wird.

Auch ein Gerichtsverfahren folgt Regeln, mit denen das Verfahren geteuert wird. Dort führen die Regeln allerdings auch in eine inhaltliche Struktur, weil sie die Anwendung von Rechtsnormen für den Fall vorsehen. Mithilfe der sogegannten Subsumtion wird ein vorgefundener Sachverhalt an abstrakt vorgegebene Rechtsnormen gemessen, aus denen sich wiederum die Struktur der Verhandlungsinhalte (des inhaltlichen Verhandelns) ergibt. Anders und weitergehender als im juristischen Verfahren, versucht die Mediation zwar die Komplexität des Falles insgesamt und unverkürzt zu begreifen. Sie will vermeiden, dass das Problem nur auf die in einem gesetzlichen Tatbestand vorgesehenen Fakten reduziert wird. Die Mediation sieht nicht nur das Problem, sondern auch den betroffenen Menschen und gegebenenfalls auch seine sozialen Beziehungen. Eine darauf bezogene Struktur wird von der Mediation jedoch nur bedingt vorgegeben. Die auf das Verfahren bezogene Struktur stellt lediglich die gedankliche Ordnung her. Es gibt eine Struktur, mit der die Gedanken aus dem Problem herausgeführt werden.8 Für die Frage, wie mit komplexen Sachverhalten umzugehen ist, gibt es allerdings keine Vorgaben. Deshalb ist es auch nachvollziehbar, wenn das Gesetz die Regeln der Mediation nur sehr vage angeht. Es gibt aber ein Konzept, das sich auf die Strukturen einlässt und nutzbar macht. Das gilt zumindest, wenn die Mediation als ein Erkenntnisprozess verstanden wird. 9 Die Zusammenführung der Prozesse und Strukturen ergibt sich aus der Mediationslogik.

Der strukturierte Ablauf der Mediation

Die vertikale Struktur

Die Systemik verdeutlicht das Phänomen eines Metaverfahrens, indem sie zwischen der Verfahrensebene, (also dem Mediationssytem) und der Fallebene (also dem Streitsystem) unterscheidet. Die Trennung ist zwangsläufig konsequenter als in allen anderen Verfahren, damit den Parteien eine außerhalb der Operationsebene liegende Refexionsebene zur Verfügung gestellt werden kann. Nur so wird es ihnen möglich, selbst eine Lösung zu finden, die alles im Blick hat. So gesehen ist die Verfahrensebene also nichts anderes als die Metaebene zum Fall. Die systemische Struktur wirkt sich nicht nur auf die Frage aus, wie die Systeme innerhalb und außerhalb der Mediation miteinander interagieren. Sie liefert auch die Vorlage für ein Kommunikationsmodell, dass die gedankliche Verantwortung zur Lösungsfindung den Parteien zurückgibt. Man könnte sagen, dass die Mediation unterschiedliche Strukturen zur Verfügung stellt, die miteinander verwoben sind. Damit bleibt die Frage offen, wie denn die Komplexität des Falles bewältigt wird und welche Struktur dafür zur Verfügung steht.

Die systemische Struktur der Mediation

Die verarbeitende Struktur

Die Aufgabe eines jeden Prozesses bestaht darin, Informationen zu verarbeiten. Wie die Verarbeitung erfolgt, hängt von der Methodik ab, die dem jeweiligen Verfahren zugeschrieben wird. Es gibt eine noch darüber liegende Struktur, die aus der menschlichen Fähigkeit zur Informationsverarbeitung abgebildet wird. Sie beschränkt die Möglichkeiten der Informationsverarbeitung nicht nur auf den Prozess. Sie bezieht auch die Frage ein, wie Menschen (als Verfahrenbeteiligte) mit Informationen umgehen. Die Informationsverarbeitungstheorie beschreibt eine Sequenz, die sich aus der Informationsaufnahme (Wahrnehmung), der Informationsverarbeitung (Denken) und der Informationsweitergabe (Kommunikation) zusammensetzt. Die sich daraus ergebende Struktur ist mit jedem Schritt und jedem Austausch im Prozess zu koordinieren.

Über die Möglichkeiten und Grenzen der Informationsverarbeitung

Die Strukturierung

Manche Sichten auf die Mediation10 legen großen Wert auf den Hinweis, dass die verbliebene Strukturlücke durch die Fähigkeit der Mediation zur Strukturierung geschlossen wird. Sie bezeichnen die Mediation deshalb sowohl als ein strkturiertes wie auch als ein strukturierendes Verfahren. Die Strukturierung ist erforderlich, wo sich die für das Verfahren vorzufindenden, eher statisch angelegten Strukturen nicht auf die Verarbeitung der Informationen auf der Fallebene auswirkt. Die Mediation bildet dafür aus sich selbst heraus keine Struktur ab. Allerdings stellt sie die Werkzeuge zur Verfügung, die zur Strukturierung der inhaltlichen Fallebene erforderlich sind. So wie das juristische Verfahren diese Struktur über die Subsumtion herstellt, verwendet die Mediation das Dimensionieren als Werkzeug dafür. Dimensionen beschreiben die Ausdehnung. Sie entsprechenden Variablen der Komplexität. Sie ermöglichen die Identifikation der Information anhand der (Metainformation)), um sie themen- und prozessorientiert in Dimensionen zuzuordnen. Die Informationen können dann in ein logisches Verhältnis zueinander gesetzt werden, woraus sich die fallbezogene Struktur ableitet.

Dimensionen als Schlüssel zur Komplexitätsbewältigung 

Bedeutung für die Mediation

Die Strukturiertheit der Mediation stellt sich erst dann her, wenn sich die Struktur auf das Konstrukt der Mediation, auf das Verfahren und auf den Fall erstreckt, sodass die Strukturen ineinandergreifen. Die grundlegende Struktur der Mediation ergibt sich zunächst aus der Systemik, woraus die Unterscheidung für die Verfahrensebene und die Fallebene resultiert. Die Struktur des Prozesses ergibt sich aus der Phasenlogik. Die Struktur des Falles leitet sich aus den Dimensionen her. Es ist deshalb gerechtfertigt, die Mediation nicht nur als ein strukturiertes, sondern auch als ein strukturierendes Verfahren zu bezeichnen, das in der Lage ist, die gesamte Komplexität, also die Komplexität des Verfahrens und des Falles, zu bewältigen, ohne dass es (wie im Gerichtsverfahren) zu einer Reduktion der Komplexität kommt (kommen muss).

Was tun wenn?

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-19 10:05 / Version 149.

Alias: Struktur, Strukturierung, Strukturiertheit
Siehe auch: Kommentierung zum Mediationsgesetz, Kommunikationsmodell, Systemik, Die Bedeutung der Metaebene, Loopen, Dimensionieren, Metainformation
Prüfvermerk:

4 Siehe dazu die Ausführungen zur Komplexität
6 Siehe Googles deutsches Wörterbuch - 2022-04-21
7 Siehe Dimensionen
8 Siehe z.B. Zielsetzung, Themenbildung, Reihenfolge der Arbeitsschritte, Ebenentauchen.


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 09:26:35 CET.

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