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Die Sprache und die Mediation

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf der Unterseite der Rubrik Wissenschaft in der Abteilung Akademie. Es geht um die Sprache der und in der Mediation. Sie ist alles andere als eindeutig und sollte hinterfragt werden. Bitte beachten Sie auch:

Wissenschaft Sprache Kommunikation Fremdsprachen Körpersprache Sprachbarrieren Fachwörterbuch

Worum es geht: Wenn von der Sprache der Mediation die Rede ist, fällt sofort auf, dass die Mediation selbst gar nicht sprechen kann. Trotzdem verstehen wir, was damit gemeint ist, zumindest in etwa. Die Sprache ist ungenau, was schnell zu Missverständnissen führen kann. Um sich dem Thema zu nähern, sollte die Sprache der Mediation von der Sprache in der Mediation unterschieden werden.

Einführung und Inhalt: Die Mediation ist ein gesprächsorientiertes Verfahren. Ein Gespräch kommt ohne Sprache nicht aus. Bevor auf die unterschiedlichen Verwendungsaspekte eingegangen wird, soll zunächst geklärt werden, was Sprache überhaupt ist.

Was ist Sprache?

Auf den ersten Blick ist die Sprache ein Mittel zum Ausdruck und zum Austausch von Gedanken, Gefühlen, Vorstellungen, Erfahrungen und Ideen. Sie ist das wichtigste Kommunikationsmittel zwischen Menschen. Ohne Sprache gäbe es keine Wissenschaft, keine Politik, keine Lehre und keine menschliche oder gesellschaftliche Entwicklung. Sprache ist aber noch viel mehr. Vaas unterscheidet folgende Bedeutungszuschreibungen:1

  1. Sprache als ein Kommunikationssystem im Sinn der Semiotik und Informationstheorie
  2. Eine genetische und neurophysiologische Kompetenz
  3. Eine Einzelsprache wie z.B. Deutsch
  4. Ein Sprechvorgang

Für die Mediation ist die Sprache als Mittel der Verständigung von außerordentlich großem Interesse. Die Sprache ist nicht eindeutig. Wir müssen die Sprache benutzen, um die Sprache überhaupt zu verstehen. Dabei ist es hilfreich, wenn die Teilnehmer am Interaktionssystem Mediation die gleiche Sprache sprechen, um sich verständlich zu machen. Der Unterschied zur Kommunikation stellt sich heraus, wenn die Sprache in Beziehung mit anderen tritt, wo sie als ein Werkzeug der Verständigung genutzt wird.

Linguistik als Wissenschaft der Sprache

Wenn schon über die Interdisziplinarität der Mediation gesprochen wird, spielt die Linguistik eine ganz wichtige Rolle. Linguistik ist die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit der Erforschung von Sprache befasst. Sie untersucht die Struktur, den Aufbau und die Funktionsweise von Sprache sowie die Art und Weise, wie sie erworben, verwendet und verstanden wird. Linguistik analysiert unter anderem die Phonetik (Lautsysteme), die Phonologie (Lautmuster), die Morphologie (Wortbildung und -struktur), die Syntax (Satzstruktur), die Semantik (Bedeutung), die Pragmatik (Sprachgebrauch im Kontext) und die Sprachgeschichte. Ein scherpunktmäßiges Interesse der Mediation dürfte auf der Soziolinguistik und der Psycholinguistik liegen. Die Mediation interessiert sich weniger für die Frage, warum wir welche Sprtche wie benutzen als dafür, welche Bedautuingsinhalte damit transportiert wurden. Der psychoanalytische Zusammenhang wird beispielsweise im Beitrag über die Persönlichkeitspsychologie dargestellt. Letzlich ist die Sprache ein Code der die Komplexität zu verstehen versucht, indem er sie reduziert. Weil die Mediation eine Verstehensvermittlung ist, muss sie besonders sorgfältig mit der Sprache und der durch sie transportierten Informationen umgehen.

Eigenschaften und Merkmale der Sprache

Ethymologisch gesehen ist das aus dem Althochdeutschen abgeleitete Wort sicher mit dem Sprechen verbunden.2 Trotzdem betrifft die Sprache nicht nur das gesprochene Wort. Es handelt sich um einen Code, der die Möglichkeiten und Fähigkeiten der Verständigung abbildet. Das sprechen und die Verwendung von Sprache ist eine menschliche Fähigkeit, die sich durch folgende Eigenschaften auszeichnet:

  1. Kommunikativ: Sprache ist ein Kommunikationsmittel, das es Menschen ermöglicht, miteinander zu interagieren und Informationen auszutauschen.
  2. Symbolisch: Sprache verwendet Symbole, wie Wörter und Grammatik, um Bedeutungen zu vermitteln.
  3. Arbiträr: Die Verbindung zwischen den Wörtern und ihrer Bedeutung ist zufällig und von der Sprachgemeinschaft festgelegt.
  4. Produktiv: Durch die Kombination von Wörtern und Grammatik können wir unendlich viele Sätze bilden.
  5. Mehrdimensional: Sprache hat nicht nur eine semantische, sondern auch eine phonologische, syntaktische und pragmatische Dimension.
  6. Sozial: Sprache ist ein soziales Phänomen, das in einer bestimmten Sprachgemeinschaft genutzt wird und von dieser geprägt wird.
  7. Kulturell: Sprache spiegelt die Kultur, aus der sie stammt, wider und beeinflusst auch die Kultur selbst.
  8. Lernbar: Sprache wird erlernt und kann von Generation zu Generation weitergegeben werden.
  9. Variabel: Die Art und Weise, wie Sprache verwendet wird, variiert je nach sozialen, regionalen und situativen Faktoren.
  10. Regelbasiert: Sprache folgt bestimmten Regeln, die von der Grammatik und der Syntax der Sprache bestimmt werden.

Die Sprache und das Denken

Die Sprache ist nicht nur eine Ausdrucksform und ein Mittel der Kommunikation. Was bedeutet es für Sie, wenn Sie gefragt werden: "Welche Farbe hat die Zahl 5?". Denken Sie bei der Fünf an eine abstrakte Zahl oder tatsächlich, wie die Synästhesisten, an eine Farbe? Gehören Sie zu den subvokalen Lesern, die sich die gelsenen Worte innerlich vorsprechen müssen, um sie zu verstehen? Woran denken Sie, wenn Sie das Wort "Solidaritätszuschlag" und woran, wenn Sie das Wort "Zwangsabgabe" hören, was dasselbe meint. Ja, es gibt einen bidirektionalen Zusammenhang zwischen Sprache und Denken, was sich das Framing zunutze macht. Verschiedene wissenschaftliche Disziplinen, wie z.B. die Linguistik, die Psychologie, die Neurowissenschaften und die Anthropologie, befassen sich mit dem Thama und haben folgende Bezüge herausgearbeitet:

  1. Sprache als Werkzeug des Denkens: Durch die Verwendung von Sprache können Menschen Gedanken organisieren, abstrakte Ideen formulieren und Informationen austauschen, was wiederum das Denken beeinflusst und fördert.
  2. Sprache beeinflusst kognitive Prozesse: Die Sprache kann kognitive Prozesse beeinflussen, einschließlich Wahrnehmung, Erinnerung, Aufmerksamkeit und Problemlösung. Dieser Zusammenhang kommt in der Sapir-Whorf-Hypothese zum Ausdruck.
  3. Sprache und Konzeptualisierung: Kulturelle Unterschiede können in der Sprache zu unterschiedlichen Konzeptualisierungen von Zeit, Raum, Farben und anderen abstrakten Konzepten führen, woraus sich Orientierungen für Menschen ergeben.
  4. Neurobiologische Grundlagen: Sprache und Denken aktivieren im Gehirn ähnliche neuronale Netzwerke. Das Sprachzentrum des Gehirns wird auch bei kognitiven Prozessen wie Gedächtnisabruf, Problemlösung und Entscheidungsfindung aktiviert.

Dieses Youtube-Video ist ein Interview mit Philipp Hübl über das Thema Macht und Magie der Sprache. Wie stark prägt die Sprache unser Denken? Und verstellt sie nicht unseren Zugang zur Welt und zu anderen Menschen? Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Philipp Hübl: Macht und Magie der Sprache

Die Sprache in der Mediation

Die Fähigkeit sich zu verständigen, spielt in der Mediation besonders dann eine besonders herausragende Rolle, wenn die Mediation als eine Verstehensvermittlung begriffen wird. Auch wenn die Mediatorin oder der Mediator die gleiche Sprache sprechen wie die Medianden, ist noch lange nicht gewährleistet, daß sie dasselbe verstehen. Die Sprache ist das Mittel zum Zweck. Sie wird in der Mediation dazu benutzt, die Bedeutungen zu erhellen. Wie Hübl in dem vorstehenden Video hervorhebt, ist es nicht die Sprache, die Bedeutung schafft, sondern die Einstellung dahinter. Die Mediation muss deshalb ein Framing ebenso aufdecken, wie unklare Konnotationen. Vom Mediator wird eine außerordentlich hohe, sprachliche Wachsamkeit erwartet. In gewisser Weise muss er die Sprache (die gewählten Worte) in Frage stellen. Das fällt nicht immer leicht. Erst recht, wenn es klar zu sein scheint, was der von der Partei verwendete Begriff bedeutet. Was sie meint, ist damit noch lange nicht klar. Der Mediator benutzt die Kommunikation, um sich zu synchronisieren. Er muss die Sprache an das Niveau der Parteien anpassen können, um Bedeutungen zu hinterfragen und erkennbar werden zu lassen.

Beispiel 16190 - Es geht um eine Erbschaftsmediation in einer tragischen Familiensituation. Die beiden im Streit befindlichen Schwestern sind etwa 10 Jahre auseinander. Es sind Kriegskinder, weshalb die ältere Schwester keine Ausbildung bekam und hauptsächlich auf die jüngere Schwester achten sollte. Die jüngere Schwester hat eine Ausbildung bekommen, weshalb sie den Betrieb geerbt hat. Weil die ältere Schwester nicht gefördert wurde und auch nicht abstrakt denken und nicht einmal rechnen kann, war die Erbfolge nachvollziehbar. Die ältere Schwester hat die Rollenzuschreibung nicht verstanden. "Ich bin doch die ältere. Ich muss doch meiner Schwester sagen, was zu tun ist und nicht umgekehrt". Wegen der mangelnden Abstraktionsfähigkeit der älteren Schwester war es kaum möglich, die geänderte Rollenbeziehung zu klären. Dann wechselte der Mediator in eine analoge Sprache. "Was wäre die Beziehung, wenn Sie Tiere wären?", fragte er. Jetzt antwortete die ältere Schwester: "Dann bin ich die fette Maus und meine Schwester ist die böse Katze". Anhand der Tieranalogie ließ sich die Beziehung klären.


Die Sprache spielt in der Mediation zweifellos eine wichtige Rolle. Um ihre Bedeutung herauszustellen, werden die verbale und die nonverbale Kommunikation, das aktive Zuhören und das Paraphrasieren, Fragetechniken, die Neutralität in der Wortwahl, eine deeskalierende Sprache, Reframing und positives Umformulieren, sowie sprachliche Anpassungen aufgeführt.3 Die wenigsten der Beispiele betreffen die Sprache. Sie beziehen sich auf Techniken, die sich allerdings der Sprache bedienen. Einen Hinweis auf die zu verwendende Sprache ergeben die Neutralität der Wortwahl und die deeskalierende Sprache. Sprachliche Auffälligkeiten, die eine eigene Sprache der Mediation nahelegen, haben sich zumindest aus der Analyse des Handyfalles jedenfalls nicht ergeben.4 Wohl konnte dort festgestellt werden, dass negativ besetzte Worte eher nicht verwendet wurden.

Nach Möglichkeit soll der Mediator eine Sprache benutzen, die den Parteien hilft, die Gedanken in eine positive Richtung zu lenken. Die Verwendung schöner Metaphern verfehlt den Zweck. Und wenn das Reframing und das positive Umformulieren als ein Schönreden daherkommt, verfehlt es seinen Zweck. Es macht keinen Sinn von einem Missverständnis oder einer Meinungsverschiedenheit zu sprechen, wenn die Parteien puren Hass aussprühen. Beschwichtigungen sind ebenfalls nicht zielführend. Statt die Dinge schön zu reden, sollte der Mediator die Dinge beim Namen nennen, um den Parteien zu helfen, positive Ansätze zu erkennen, auch wenn sie noch so klein und unbedeutend erscheinen.5 Es kommt nicht auf die Sprache an, sondern auf die Gedanken. Dennoch und vielleicht gerade deshalb ist es wichtig, die Sprache so präzise und verständlich wie möglich einzusetzen und sich stets zu vergewissern, was verstanden wurde. Ob dabei Worte, Bilder oder was auch immer benutzt werden, spielt keine entscheidende Rolle, solange es dem Verstehen dient.6

Auf das Verstehen kommt es an

Die Sprache der Mediation

Wenn von "der Sprache der Mediation" die Rede ist, fällt sofort auf, dass die Mediation selbst gar nicht sprechen kann. Trotzdem verstehen wir was damit gemeint ist, zumindest in etwa. Die Sprache ist ungenau, was schnell zu Missverständnissen führen kann. Mit dem Terminus Sprache der Mediation ist die Sprache über die Mediation, also die Sprache betreffend die Mediation oder die Fachsprache gemeint. Ganz abgesehen davon, dass sie (noch) nicht abgestimmt ist, fallen jede Menge Neolinguismen (Wortschöpfungen) auf, deren Bedeutung sich nicht aus sich selbst heraus erschließt. Manche Worte sind mehrdeutig und sogar logisch falsch. Auch die Interdisziplinarität fordert die Sprache der Mediation heraus. Es gibt Wörter, die in den Disziplinen zwar gleichförmig vorkommen, aber unterschiedlich konnotiert sind. Um der Fachsprache auf den Grund zu gehen, finden Sie Ausführungen zur Terminologie der Mediation.

Die Fachsprache der Mediation

Bedeutung für die Mediation

Die Sprache ist ein Mittel zum Zweck und deshalb wie ein Werkzeug zu behandeln. Es hängt vom Mediationsverständnis ab, wie die Sprache inzusetzen ist. Wenn die Mediation nach dem Konzept der kognitiven Mediationstheorie ausgeführt wird, ist die Sprache ein Medium der Erkenntnisgewinnung. Die Erkenntnisse resultieren nicht aus der Sprache, sondern aus den dadurch aufgedeckten Zusammenhängen. Für die Entwicklung der Mediation selbst wäre es hilfreich, sich auf eine verbindliche Sprache und vor allem eine allgemeingültige Terminologie zu verständigen.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-04-14 19:19 / Version 20.

Aliase:
Siehe auch: Kommunikation, Fachwörterbuch, Fremdsprachen, Körpersprache, Augensprache
Prüfvermerk: -

1 Vaas (Sprache) - 2022-07-22
4 Siehe Mediation anschaulich, Seite 116 ff.
5 Siehe dazu auch Law of Attraction und Umformulieren
6 Siehe auch die Verstehenstechniken im Beitrag Verstehen


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Seite zuletzt geändert am Dienstag April 16, 2024 19:29:40 CEST.

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