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Die Kommunikationsmodelle

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Seite Kommunikationsmodell, die eine Unterseite zum Kapitel Container im Abschnitt Systematik des Fachbuchs Mediation darstellt und dem folgende Kapitel zugeordnet sind:

Container Kommunikationsmodell Verfahrensziele Handhabung Effizienz Verfahrenskontrolle

Worum es geht: Die Rolle des Mediators und der Verfahrenszweck der Mediation ergeben ein spezifisches und in der Verfahrenslandschaft wohl einzigartiges Kommunikationsschema, das sich auf Verfahrensgestaltung auswirkt. Ganz gleich in welchem Verfahren sich die Beteiligten bewegen, die Kommunikation ist ihr wichtigstes Werkzeug.

Einführung und Inhalt: Die Rahmensetzung bestimmt, wie die Kommunikation auszugestalten ist. Das sich daraus ergebende Kommunikationsmodell beschreibt, wer, warum, mit wem und wie zu kommunizieren hat, damit das Verfahren zum Erfolg geführt werden kann.Das Kommunikationsmodell ist ein Kriterium zur Charakterisierung des Verfahrens.

 Verfahrenskriterium

Die Kommunikationsmodelle unterscheiden sich so stark voneinander, dass sie als ein Verfahrenskriterium aufgeführt werden, mit dem sich der Verfahrenscharakter bestimmen lässt. Das angesprochene, sekundäre Verfahrenskriterium betrifft die Kommunikation und ihre Ausrichtung.

Ganz gleich in welchem Verfahren sich die Beteiligten bewegen, die Kommunikation ist ihr wichtigstes Werkzeug. Die Rahmensetzung bestimmt, wie die Kommunikation auszugestalten ist. Das Kommunikationsmodell beschreibt, wer, warum, mit wem und wie zu kommunizieren hat, damit das Verfahren zum Erfolg geführt werden kann.

Die unterschiedlichen Kommunikationsmodelle

Die den Verfahren zugrunde liegenden Kommunikationsschemata werden auch als Kommunikationsmodelle bezeichnet. Die Kommunikationsmodelle sollen das vom Verfahren nahegelegte Kommunikationsmuster verdeutlichen.

Gericht und Schiedsgericht

Kommunikationsmodell Gericht

Die Kommunikation ist hochgradig formalisiert, sodass es ihr möglich ist, die Verweigerung oder Passivität einer Partei zu überwinden. Weil der Richter oder der Schiedsrichter eine Entscheidung über den Fall zu treffen hat, wird die Kommunikation der Parteien auf diese Person ausgerichtet. Eine direkte Kommunikation der Parteien wird dadurch beeinflusst, dass der Entscheider mithört. Seitenhiebe, Vorwürfe und Argumente bekommen dadurch eine doppelte Bedeutung. Sie dienen hauptsächlich dazu, den Richter zu überzeugen und für sich gewogen zu machen. Es ist nicht nur ein kulturimmanentes Verhalten, wenn das Eigenlob durch den Tadel des Gegners ersetzt wird, sondern auch eine Strategie des Nullsummenspiels. Die Kommunikation ist überwiegend argumentativ geprägt und orientiert sich (ausschließlich) an der Verstehensfähigkeit und -breitschaft des Richters.

Schlichtung

Kommunikationsmodell Schlichtung

Die Schlichtung ist, was die Kommunikation anbelangt, ähnlich konzipiert wie ein streitentscheidendes Verfahren. Auch hier wird der Fokus auf die Lösung gerichtet. Auch hier steht die dahin führende Meinung des Dritten im Vordergrund. Der Dritte hat jedoch weniger Macht. Auch die formelle Kommunikation tritt in den Hintergrund, weil die Parteien in der Regel die Möglichkeit haben, den Schlichterspruch abzulehnen und die Schlichtung abzubrechen. Trotzdem hat die Meinung des Schlichters ein Gewicht. Er ist - wie der Entscheider - Teil des Streitsystems, das die Parteien zu ihren Gunsten beeinflussen werden. Auch hier steht die Strategie des Nullsummenspiels im Vordergrund. Mithin ist die Kommunikation auch in diesem Kommunikationsmodell vorwiegend auf den Schlichter ausgerichtet. Sie ist wiederum argumentativ geprägt. Angriffe werden durch die Möglichkeit des Gegners, die Schlichtung abzubrechen, ausgebremst.

Mediation

Kommunikationsmodell Mediation

Ganz anders gestaltet sich das Kommunikationsmodell der Mediation. Weil der Dritte nicht Teil des operativen Systems ist und keinen direkten Einfluss auf die Lösungsfindung nimmt, macht es wenig Sinn ihn zu überzeugen oder auf seine Seite ziehen zu wollen. Die Ausrichtung der Kommunikation ist auf ein wechselseitiges Verstehen gerichtet. Argumente spielen keine oder eine untergeordnete Rolle. Der Nutzen steht im Vordergrund und die Bereitschaft, dass die Parteien den maximalen Nutzen davontragen können. Die Kommunikation ist vollständig informell. Lediglich der Grundsatz der Freiwilligkeit zwingt die Parteien so miteinander zu kommunizieren, dass niemand von dem Recht der Freiwilligkeit Gebrauch machen muss. Ziel der Mediation ist, die Kommunikation der Parteien untereinander wiederherzustellen. Weil dies nicht immer von vorneherein möglich ist verändern sich die Alt-Kommunikationsachsen im Laufe des Verfahrens.

Die Rolle des Dritten

Die Rolle, die dem neutralen Dritten zugeschrieben wird, ergibt sich aus dem Arbeitsauftrag. Um ihn zu erfüllen wird die Rolle mit einer Verantwortlichkeit und einer Macht (Befugnis) ausgestattet.

Verfahren Rolle Auftrag
Gericht Richter Entscheidung fällen
Schlichtung Schlichter Lösung ausarbeiten und vorschlagen
Mediation Mediator Parteien helfen, selbst die Lösung zu finden.

Beeinflussung und Beeinflussbarkeit des Dritten

Das entscheidende Merkmal des Kommunikationsmodells weist den Grad der Beeinflussung nach. Je größer die Entscheidungsgewalt der neutralen, dritten Person ist, desto größer ist der Wunsch der Beeinflussung. Je höher der Grad der Formalisierung ist, desto weniger kommt es darauf an, dass die Parteien tatsächlich miteinander kommunizieren. Er geht, wenn legale Mittel nicht möglich sind, bis zur Korruption. Die nachfolgende Tabelle soll den Grad der Beeinflussung in den jeweiligen Verfahren und die Kontrollmechanismen offenlegen.

Verfahren Beeinflussung Kontrolle
Gericht Einflussnahme auf die Entscheidung Befangenheit
Schlichtung Einflussnahme auf die Bewertung Abbruch
Mediation Indetermination verhindert Einflussnahme Abbruch

Das Kommunikationsmodell der Mediation

So wie die Kommunikationsmodelle durch die jeweiligen Verfahren geprägt werden, verstärken sie die mit den Verfahren zu erzielenden Effekte. Auf das Kommunikationsmodell der Mediation gezogen, lassen sich folgende Einflüsse und Konsequenzen feststellen:

System

Das Mediationssystem besteht aus den Verfahrensbeteiligten, dem Mediator und den Medianden, die in Verhandlungen getreten sind, um eine einvernehmliche Lösung zu ermöglichen. Die Rolle des Mediators nimmt ihn aus dem Streit heraus, sodass sich das Streitsystem vom Mediationssystem unterscheiden lässt. Um die Bedeutung der Systemik herauszustellen, wurden die systemischen Zusammenhänge der Mediation im Kapitel Systemik dargestellt. Für das Verständnis der Mediation ist es wichtig, die Systeme als getrennte Entitäten wahrzunehmen.

Die systemische Sicht auf die Mediation 

Struktur

Die Abgrenzung der Systeme wird durch die Rollenverteilung möglich. §1 Abs. 2 Mediationsgesetz definiert den Mediator als eine nicht entscheidungsbefugte dritte Person. Es wurde schon darauf hingewiesen, dass der fehlenden Entscheidungsbefugnis eine eher strategische Bedeutung zukommt1 . Sie hat aber auch Auswirkungen auf das Kommunikationsverhalten, indem sie ein für die Mediation typisches Kommunikationsmodell herstellt.

Unter dem Gesichtspunkt der Kommunikation geht das Merkmal der fehlenden Entscheidungsbefugnis allerdings nicht weit genug und ist auch nicht eindeutig. Entscheidend ist, dass der Mediator eine Rolle einnimt, in der es keinen Sinn macht, ihn für die Entscheidung der Parteien zu instrumentalisieren. Wenn die dritte Person ein Entscheider ist, werden die Parteien versuchen, Einfluss auf seine Entscheidung zu nehmen, um das für sie günstige Ergebnis zu erzielen. Wenn die dritte Person ein Schlichter ist, werden die Parteien versuchen, Einfluss auf seine Bewertungen zu nehmen, um ihre Argumente und Sichtweisen zu verstärken. Erst wenn der Mediator keinen meinungsbildenden Einfluss auf die Lösungsfindung nimmt, verwirklicht er die Rolle, die ihn außerhalb des Streitsystems ansiedelt.

Um dieses bedeutsame Detail herauszustellen, ist besser statt von dem Prinzip der fehlenden Entscheidungsbefugnis von dem Prinzip der Indetermination zu sprechen. Die Indetermination bewirkt, dass es für die Parteien keinen Sinn macht, den Mediator in irgendeiner Weise für sich zu instrumentalisieren und dass der Mediator auf der operativen Ebene nicht zur Verfügung steht. Nur so gelingt es, ihn aus dem Streitsystem herauszuhalten.

Das Prinzip der Indetermination 

Strategie

Die Mediation ist als ein sogenanntes Nicht-Nullsummenpiel (manche nennen sie auch ein Positivsummenspiel) ausgestaltet. Anders als im Nullsummenspiel gewinnt der Gegner nicht auf Kosten des Verlierers. Es macht also auch strategisch betrachtet keinen Sinn, den Gegner zum Verlierer machen zu wollen. Genau und spieltheoretisch betrachtet bietet die Mediation überhaupt keinen Gewinner an, sondern nur einen Gewinn. Der Gewinn besteht in der gefundenen Lösung.

Nullsummenpiel 

Formalisierung

Das Kommunikationsmodell der Mediation stellt den Rahmen für ein informelles Gespräch her. Die besten Entscheidungen werden getroffen, wenn die Parteien und deren Gedanken nicht durch Formalien begrenzt oder beschnitten werden. Die informelle Kommunikation soll öffnen. Sie soll den Raum für Ideen geben und es den Parteien erlauben, Gedanken zu entwickeln. Die fehlende Formalisierung wird durch den Grundsatz der Offenheit unterstützt. Der Formalisierungsgrad ist in der meditativen Kommunikation deshalb - zumindest zunächst - auf Null reduziert. Der Mediator kann mit den Parteien zusammen Gesprächsregeln vereinbaren, wenn es hierfür einen Anlass gibt. Er hat allerdings nicht die Möglichkeit, diese Regeln durchzusetzen.

Zweck

Der Zweck der Mediation ist darauf ausgerichtet, Gedanken zu entwickeln, die eine andere meist nicht bedachte Lösung ermöglicht. Solche Gedanken lassen sich eher in einer informellen als in einer formellen Kommunikation herstellen. Formalien sind deshalb nur nötig, wenn die informelle Kommunikation anders nicht hergestellt werden kann. Um die informelle Kommunikation zu ermöglichen, sollte die Kommunikation der Parteien und des Mediators sich selbst organisieren und den jeweiligen Bedürfnissen anpassen. Auch diese Überlegung spricht dafür, dem Mediator keine, zumindedst keine originären Direktionsbefugnisse einzuräumen. Das sich daraus ergebende Kommunikationsmodell ermöglicht das Arbeitsbündnis.

Das Arbeitsbündnis als Verfahrensritual

Bei der Mediation kommt es darauf an, Verstehen zu vermitteln, nicht die Lösungsweg. Mit dieser Ausrichtung unterscheidet sich die Mediation von der Schlichtung und dem Gerichtsverfahren. Dem Verstehensprozess kommt es entgegen, wenn dem Streitsystem eine Metaebene zur Verfügung gestellt wird. Sie erlaubt es, das Streitverhalten und die dahinter verborgenen Motive zu reflektieren. Das an die Rolle des Mediators geknüpfte Kommunikationsmodell unterstützt deshalb auch den Kognitionsprozess.

Die Abgrenzung von Mediation und Schlichtung

Ablauf

Die Mediation ist ein dynamischer Prozess in den sich die Parteien erst hinein finden müssen. Das Ziel ist, dass die Parteien selbst die Lösung finden und auch verhandeln können. Zu Beginn der Mediation sind sie dazu nicht in der Lage. Die Alt-Kommunikationsachsen tragen diesem Umstand zunächst Rechnung. Der Mediator wird zu Beginn des Verfahrens die Kommunikation auf sich lenken, um sie im Lauf des Verfahrens mehr und mehr auf die Kommunikation zwischen den Parteien umzudirigieren. Wie sich die Kommunikationsachsen im Verlauf der Mediation verändern, wird im Kapitel Alt-Kommunikationsachsen beschrieben.

Die Bedeutung und die Veränderung der Kommunikationsachsen

Bedeutung für die Mediation

Die Herstellung des zur Mediation passenden Kommunikationsmodells ist ein wesentliches Element der Mediation und ihr Wesensmerkmal. Es ist wichtig, dass der Mediator sich hierüber bewust ist, weil er bei einer Veränderung des geübten Kommunikationsmodells unweigerlich und unbewusst ein anderes Verfahrensmodell herstellt. Es wird als ein Kunstfehler angesehen, wenn der Mediator seine Rolle nicht herstellen oder einhalten kann oder wenn er das mediative Kommunikationsmodell verändert.

Umgekehrt kann der Mediator an der Art und Weise der Kommunikation der Parteien und der damit einhergehenden Kommunikationsausrichtung feststellen, ob er sich in der richtigen Rolle bewegt und ob er in der richtigen Rolle gesehen wird. Daraus ergeben sich wiederum Anhaltspunkte dafür, ob die Mediation auf dem richtigen Kurs ist. So gesehen ist das Kommunikationsmodell auch ein Benchmark der Mediation.

Was tun wenn ...

Hinweis und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-15 08:42 / Version 23.

Alias: Mediatorenrolle, Kommunikationsschema, Kommunikationsmodelle, Verfahrenskommunikation
Prüfvermerk:

1 Siehe Strategie


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 18:13:00 CET.

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