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Das Interesse in der Mediation

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Die Ausführungen zum Interesse haben eine zentrale Bedeutung in der Mediation. Sie stehen im Zusammenhang mit folgenden Beiträgen:

Ziele Interessen Motive Bedürfnisse Nutzen Konfliktarbeit (3. Phase) Zusammenhänge (Lösungspentagramm)

Der Begriff Interesse ist verschiedenartig konnotiert. Im Volksmund (und bei Anwälten) ist das Interesse meist die Zielausrichtung, was in der Sprache der Mediation der Lösung gleich kommt. In der Psychologie ist das Interesse die Attraktion. Im Französischen wird Interesse als der erwartete Nutzen verstanden. Diese Konnotation kommt der Mediation am nächsten. Die Beachtung der Interessen bedient mehrere Funktionalitäten in der Mediation:

Definition und Wortbedeutung

Der Begriff setzt sich aus den lateinischen Worten inter, was mit zwischen und esse, was mit Seilen zu übersetzen ist. Der Begriff wurde in die deutsche Sprache übernommen, hatte im Mittelalter aber eine andere Bedeutung. Interesse stand für den entgangenen Nutzen unter den durch Versäumnis erwachsener Schaden, für Zinsen und Vorteil. Im 18. Jahrhundert änderte sich die Bedeutung1 . Heute wird der Begriff Interesse laut Duden für geistige Anteilnahme, Aufmerksamkeit, Neigung, Vorliebe oder das, woran jemandem sehr gelegen ist, was für jemanden oder etwas wichtig oder nützlich ist, für den Nutzen, den Vorteil, die Bestrebung oder Belange verwendet2 .

Wegen der unterschiedlichen Konnotationen ist der Begriff in der Mediation mit Vorsicht zu verwenden. Wenn ein Anwalt beispielsweise sagt, er sei Interessenvertreter und wisse sich deshalb in der Mediation zu bewegen, kann das bedeuten, dass er in der Sprache der Mediation nicht die Interessen seines Mandanten, sondern seine Positionen vertritt. Positionen sind Lösungen. Lösungen können am Nutzen vorbeigehen, weshalb diese Konnotation den Fokus der Mediation nicht aufgreift. Besser ist es deshalb von Motiven zu sprechen. Die Motive stellen Beweggründe dar, die mit Bedürfnissen verbunden werden können und auf einen Nutzen ausgerichtet sind. Die Motive sagen also, was zu befriedigen ist, nicht wie es zu befriedigen ist. Sie lenken den Fokus also auf das, worauf es in der Mediation ankommt.

Aus der hier zugrunde gelegten psychologischen Sicht bietet sich folgende Abgrenzung an:

Interessen



Beziehen sich (anders als Motive) auf die Handlung selbst, die ppsitiv bewertet wird.

Motive



Laut Stangl sind Motive überdauernde Vorlieben und damit zeitstabile Merkmale von Menschen, die nicht direkt beobachtbar sind. Sie machen das Handeln von Personen verständlich. Motive ergeben die Neigung, konkrete Situationen positiv oder negativ zu bewerten und sie dementsprechend eher aufzusuchen bzw. zu meiden.3 Motive beziehen sich auf die Folgen von Handlungen (die als Mittel zur Zielerreichung dienen), nicht auf die Handlung selbst.

Bedürfnisse



Laut Stangl ist ein Bedürfnis das Verlangen oder der Wunsch, einem empfundenen oder tatsächlichen Mangel Abhilfe zu schaffen. Der Begriff Bedürfnis wird in der Psychologie einmal für eine zeitstabile Disposition und ein anderes Mal für den aktuellen Zustand eines Organismus verwendet.4 In allen Fällen geht es um die Abweichung von individuellen Sollwerten (Sattsein, Sicherheit,...), die ständig mit den Istwerten verglichen werden.

Motive und Motivation in der Mediation

Das Lösungsmotiv

In der Mediation treffen ganz unterschiedliche Motive aufeinander. Um sie besser auseinanderhalten zu können, empfiehlt es sich, zwischen dem Verfahrensmotiv, also dem Interesse an der Mediation, und dem Lösungsmotiv, also dem Interesse an der Lösung, zu unterscheiden. Das Verfahrensmotiv betrifft die Verfahrensebene. Es verwirklicht sich in der Bereitschaft, eine Mediation durchzuführen.

Mediationsbereitschaft

Wenn im Zusammenhang mit der Mediation von Interessen die Rede ist, wird in der Regel das Lösungsmotiv, also das Interesse an der Lösung angesprochen. Die sogenannte Interessenerhellung, also die zur Lösung führenden Interessen und Motive, ist ein elementarer Bestandteil der Mediation, mit weitreichenden Aufgaben:

Interesse zur Bedeutungserhellung

Beispiel 11714 - Der Trainer betritt den Kurs und fragt: "Wie geht es Euch?". Was hat er gemeint?


Die Frage nach der Bedeutung des Gesagten oder Getanen ist ein wesentliches Element im Prozess der Vermittlung. Die Bedeutung erschließt sich über das Motiv. Das Motiv (Interesse) ergibt den Zugang, die Bedeutungswirklichkeit zu verstehen. Was der Trainer im vorstehenden Beispiel gemeint hat, wird deutlich, sobald bekannt ist, was die Frage bezwecken sollte.

Beispiel 11715 - Die Motive des Trainers können sein: keins (überflüssige Floskel), Höflichkeit, Neugier, wirkliches Interesse, Lernerfolg abfragen, Zeitgewinn, ...


Das Motiv erhellt sich mit der Frage nach dem WOZU. "Wozu willst du das wissen?", "Was hast du davon, wenn du das weisst?", oder noch deutlicher: "Welchen Nutzen erwartest Du, wenn Du das sagst?". Mit diesen Fragen wird das Motiv aufgedeckt und es wird klar, was mit der Frage des Trainers gemeint war.

 Merke:
Leitsatz 14463 - Die Bedeutung des Gesagten oder Getanen erschließt sich über das Motiv und den Handlungszweck

Interesse als Steuerungselement

Nicht ohne Grund ist die Interessenerhellung ein zentraler, von anderen Phasen abgegrenzter Arbeitsbereich in der Mediation. Die Unterscheidung zwischen Interesse und Lösung und die darauf bezogene Abgrenzung der Arbeitsbereiche, trägt dazu bei, dass die Parteien zumindest in einer Etappe der Mediation nicht an Lösungen denken müssen. Der Mediator wird sie sogar davon abhalten, an Lösungen zu denken:

Beispiel 11716 - Der Mediator meldet der Partei folgendes zurück: "Sie sagen, Ihre Schwiegermutzter solle sich aus den Angelegenheiten Ihres Mannes heraushalten". Nach Bestätigung der Partei fragt der Mediator: "Was haben Sie davon, wenn sie es tut?"...


Wenn der Fokus auf die Motive gerichtet wird, müssen die Parteien sich den Nutzen vorstellen, den sie hinter der Lösung vermuten. Gedanklich liegt der Nutzen in einem Zeitraum hinter dem Problem. Die Gedanken der Parteien werden also über die Motive in die heile Welt geführt. Die Parteien werden aufgefordert, sich zu überlegen, in welcher Situation sie sich befinden möchten, wenn der Konflikt überwunden ist.

Gedankenwelten in der Mediation

Interesse als Nutzenerwartung

Es ist außerordentlich wichtig, dass der Mediator zwischen Interesse und Lösung unterscheiden vermag. Wie schon das Apfelsinenbeispiel zeigt, verdichtet der Fokus auf die Lösung den Lösungsrahmen, während das Interesse den Lösungsrahmen erweitert. Das als Motiv verstandene Interesse besagt, worin der erwartete Nutzen besteht, den es anzustreben gilt. Es schaut auf den Vorteil, der hinter der Lösung liegt und keinesfalls mit der Lösung gleichgesetzt werden sollte.

Apfelsinenbeispiel Nutzenerwartung

Interesse als Lösungskriterium

Wenn die Interessen mit Motiven gleichgesetzt werden und den erwarteten Nutzen beschreiben, bekommt die 3.Phase nochmals einen anderen, für die Mediation ausschlaggebenden Aspekt. Die Evaluierung des erwarteten Nutzens weist nämlich zugleich die Anforderungen aus, an denen sich die zu findende Lösung zu orientieren hat. Das Interesse bildet deshalb den Maßstab für die Frage, ob eine Mediation erfolgreich war oder nicht. Wenn die Lösung zur Nutzenbefriedigung führt, kann von einer gelungenen Mediation gesprochen werden. Bewirkt die Abschlussvereinbarung zwar eine Einigung, die sich aber nicht an dem zuvor herausgearbeiteten Nutzen messen lässt, kann kaum von einer erfolgreichen Mediation gesprochen werden. Mit der Herausarbeitung der Motive ergeben sich also zugleich die Kriterien, an denen die Lösung als nützlich zu messen ist.

 Merke:
Leitsatz 14464 - Die Interessen (Motive) beschreiben die Kriterien des erwarteten Nutzens, an denen sich die Lösung auszurichten hat!

Interesse am Konflikt

Der Mensch tut nichts ohne einen Nutzen. Diese Erkenntnis legt die Überlegung nahe, dass sich der Mensch auch von dem Konflikt einen Nutzen verspricht. Warum sonst sollte er sich in dem Konflikt engagieren? Konsequent wäre also die Überlegung, dass sich die Konfliktmotivation erübrigt, sobald sich der Nutzen des Konfliktes verwirklicht hat. Um den Nutzen des Konfliktes herauszuarbeiten gibt es zwei Ansatzpunkte.

Der eine Ansatzpunkt konzentriert sich auf die Konfliktbotschaft an die Partei selbst. Die Konfliktbotschaft ergibt sich aus dem Konfliktverständnis und der Annahme, dass die Konflikt einen Handlungsbedarf beschreibt, der nicht den Gegner sondern die Partei selbst betrifft.

Das Konfliktverständnis erhellt die Konfliktbotschaft

Der andere Ansatzpunkt konzentriert sich auf die Befriedigung. Der Mediator weiß, dass die Lösung des Problems nicht zwingend auch die Lösung des Konfliktes darstellt. Der Konflikt erübrigt sich deshalb erst, wenn die von ihm erwartete Befriedigung eintritt. Die Konfliktmotivation lässt also ebenfalls einen Nutzen erwarten, der sich nicht zwingend aus der Lösung ergibt. Die Lehre vom Lösungspentagramm erläutert das Verhältnis von Nutzen, Motiven und der durch den Konflikt vorgegebenen Nutzenerwartung.

Konfliktmotivation (Lösungspentagramm)

Bedeutung für die Mediation

Die Interessenerhellung ist ein zentrales Element der Mediation. Sie lässt sich am besten mit der Motiverforschung beschreiben. Der Mediator ist gut beraten, wenn er die Motive nach dem Verfahrensmotiv und dem Lösungsmotiv unterscheidet und auf die Konfliktmotivation bezieht. Die Unterscheidung hilft bei der Bewältigung der Komplexität und verdeutlicht den möglichen Lösungsrahmen.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2023-05-15 07:32 / Version 47.

Aliase: Interessen
Siehe auch: Lösungspentagramm, Interessenkollision, 3.Phase, Konfliktmotivation, Mediationsbereitschaft
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Based on work by anonymous contributor und Bernard Sfez . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag März 19, 2024 04:38:07 CET.

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