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Hermeneutik in der Mediation

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Die Hermeneutik wird einmal als die Lehre von der Auslegung und Erklärung eines Textes, eines Kunst- oder Musikwerks definiert und ein anderes Mal als das Verstehen von Sinnzusammenhängen in Lebensäußerungen aller Art aus sich selbst heraus (z. B. in Kunstwerken, Handlungen, geschichtlichen Ereignissen)1 Der Begriff stammt aus dem Griechischen und kann mit erklären übersetzt werden. Hermeneutik wird auch als die Kunst oder die Theorie der Auslegung verstanden. Es geht darum, die Sinnzusammenhänge in Texten jeglicher Art zu verstehen.2

Der hermeneutische Zirkel

Die Juristerei kennt feste Auslegungsregelen, wenn es darum geht, die gesetzliche Anweisung korrekt zu verstehen.3 So kennt auch die Hemrmeneutik Verfahren, mit denen die Auslegung durchzuführen ist. Ein wichtiges Verfahren ist der sogenannte hermeneutische Zirkel. Er basiert auf der Grundregel der Rhetorik, die besagt, dass vom Einzelnen auf das Ganze geschlossen werden kann. Eine sehr anschauliche Erklärung des hermeneutischen Zirkels, der auch die Relevanz für die Mediation herstellt, findet sich in dem Vortrag von Spitzer über das Gehirn. Dort geht es eigentlich um das Wissen und die Art wie das Gehirn Wissen verarbeitet.4

Spitzer führt aus, dass Wissen erforderlich sei, um an Informationen heranzukommen. Das Wissen ist also nicht mit der Information, als dem zu wissenden Fakt zu verwechseln. Es ist vielmehr die Kenntnis (oder das Wissen), wie die Information einzuordnen, zu verstehen und zu verarbeiten ist. Das Wissen ist immer vernetzt und anwendungsrelevant. In dem sehr eindrucksvollen Vortrag führt Spitzer aus, dass es ein Knowledge on demand, also ein Wissen auf Abruf oder Nachfrage, gar nicht geben kann. Wissen kann in unserem Gehirn weder auf Vorrat angelegt, noch ausgelagert werden. Eine Wissensökonomie, die das Gehirn wie eine Festplatte ansieht und Speicherplatz sichern will, deckt sich nicht mit der Funktionalität des Gehirns, das im Vergleich zum Computer über eine unendliche Speicherkapazität verfügt. Was aus der cloud, wo das vermeintliche Wissen hinterlegt wird, abgerufen werden kann, ist also nicht das Wissen, sondern die Information. Dort finden wir einzelne Fakten und vielleicht noch Erklärungsansätze. Sie führen ins Rabbit Hole, wenn sie nicht in einen größeren Zusammenhang gestellt werden können und auf einem fundierten Wissen beruhen. Das vermeintlich abrufbare Wissen ist also stets ein Detailwissen (oder genauer gesagt eine Information oder ein Fakt). Es hilft wenig, wenn es nicht in einen Zusammenhang gestellt werden kann. Mithin bedarf es eines Wissens, um die Informationen (das Wissen) überhaupt korrekt verarbeiten zu können. Wie das geschieht, erklärt sich mit der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Das Gehirn macht keinen Wissensdownload. Menschen verstehen Einzelheiten, indem sie eine Einzelheit oder ein Detail verstehen und vielleicht noch ein weiteres, verstehen sie plötzlich Zusammenhänge. Und wenn sie Zusammenhänge verstanden haben, verstehen sie dadurch die Einzelheiten besser und dann verstehen Sie wieder die Zusammenhänge besser, wenn sie die Einzelheiten in der Summe verstanden haben. So entsteht ein Kreislauf, der laut Spitzer seit über 150 Jahren als Hermeneutischer Zirkel bekannt ist.

Verwirklichung im Wiki

Das Wiki wird als ein Thinktank beschrieben. Es ist also mehr als nur eine unendlich große Bibliothek. Der Grund liegt in dem hermeneutischen Konzept. Alles hängt mit allem Zusammen. Die Ausbildung generiert Wissen, das auf Erfahrungen basiert. Sie wird mit der Praxis gekoppelt, wo es um die Umsetzung geht. Wissen, Erfahrung und Praxis wiederum fließen in die Lehre ein, die aus der Anwendung sowohl in der Ausbildung wie in der Praxis lernt und daraus ein Wissen generiert, das sie in die Lehre überführt, die wiederum die Ausbildung und die Anwendung inspiriert. So stellt sich im Wiki, vereinfacht gesagt, der hermeneutische Zirkel her.

Zirkel

Verwirklichung in der Mediation

Im konkreten Fall geht es darum, Zukunft zu gestalten. Die Zukunft ist nicht berechenbar. Trotzdem bedarf es einer Einschätzung. Vorwärts gedacht kämen dazu das heruristische und das hermeneutische Denken zum Zuge. Während heuristisches Denken auf schnelle und intuitive Lösungen abzielt, betont hermeneutisches Denken eine gründliche Analyse und Interpretation, um komplexe Informationen zu verstehen und zu interpretieren. Die Mediation ist einderseits faktenbasiert. Andererseits geht sie aber auch auf die Intuitionen ein. Je nach dem zugrunde liegenden Mediationskonzept denkt sie aber nicht vorwärts, sondern rückwärts. Das heißt, sie analysiert den möglichen Nutzen,5 um daraus die Lösung herzuleiten.

Bedeutung für die Mediation

Verstehen basiert auf Wissen so wie das Wissen zum Verstehen führt. Wenn die Mediation eine Verstehensvermittlung ist, ist das Wissen um das Verstehen und um die Vorgänge, die ein Verstehen ermöglichen, ein Wissen, über das ein Mediator verfügen sollte. Eine erste Berührung mit dem Thema und der Problematik wurde in dem Beitrag von Schmale aus einer psychoanalytischen Sicht über das Verstehen angedeutet.6 in der Praxis stellt sich der Verstehensprozess über das Loopen her. Das Loopen ermöglicht jedoch das einander Verstehen. Ob es genügt, die größeren Zusammenhänge des Konbflikte zu verstehen, ist dann eine andere Frage. Hier mag es helfen, die Logik des hermeneutischen Zirkels zu verstehen und zu wissen, wie die Mediation die Einzelheit in den Kontext des Ganzen stellt. Eine andere Anwendung ergibt sich für die Ausbildung und die dahinter verborgene Didaktik.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-04-22 14:54 / Version .

Alias: hermeneutischer Zirkel
Siehe auch: Verfahrensverzeichnis
Prüfvermerk: -


Based on work by Bernard Sfez und Arthur Trossen . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Dienstag April 23, 2024 09:10:53 CEST.

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