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Wertschätzung

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen. Bitte beachten Sie auch:

Konflikt Haltung Wertschätzung Achtsamkeit Mediationskompetenz Eintrag Wikisuche

Wertschätzung, Respekt und Achtung sind Begriffe, die sich auf die positive Bewertung oder Einstellung gegenüber einer Person oder Sache beziehen. Wenn die Wertschätzung der Oberbegriff ist, fallen darunter auch Dankbarkeit, Lob, Anerkennung, Bewunderung, Vertrauen und Toleranz. Das Wort Wertschätzung setzt sich zusammen aus: Wert und Schätzung. Hier kommen nicht nur die Begriffe Bewertung und die Einschätzung zusammen, sondern auch die unterschiedlichen Sichten auf eine Person. Die Selbstsicht, die Fremdsicht und die Selbst-Fremdsicht. Was aber ist Wertschätzung genau, wer entscheidet darüber und warum ist sie uns so wichtig?

Was ist Wertschätzung?

Während der Selbstwert die Selbstachtung meint, beschreibt die Wertschätzung die Achtung des anderen Menschen. Das eine geht mit dem anderen einher. Ihr Gegenteil ist die Geringschätzung, die sich in der Missachtung äußern kann. Fühlt sich ein Mensch nicht hinreichend beachtet, neigt er dazu, die Wertschätzung dem oder den anderen Menschen, von denen er Wertschätzung erwartet, zu verweigern. Es kommt zu einer paradoxen Situation, die sich am folgenden Beispiel bemerkbar macht:

Beispiel 11986 - Zwei Freunde unterhalten sich. Der eine ist verärgert über das Verhalten seines Chefs. Er ist wütend, weil der Chef ihn vermehrt grundlos zurechtgewiesen hat. Der Ärger macht sich in seinem Kopf breit. Er schimpft bei jeder Gelegenheit über den Chef. Dabei benutzt er Kraftausdrücke und betont, der Chef könne ihn mal ...: "Das ist ein Nichts, ein Niemand!", betont er in seinem Ärger. Sein Freund antwortet darauf: "Für ein Nichts nimmt Dein Chef aber viel Raum ein in deinem Kopf!".


Oft hat die wahrgenommene Geringschätzung gar nichts mit dem anderen Menschen zu tun. Manchmal geht es nur darum, die eigene Wertschätzung einzufordern. Es klingt wie ein untauglicher Versuch.

 Merke:
Leitsatz 5925 - Grundsätzlich betrifft die Wertschätzung stets das Sein. Das Lob hingegen betrifft das Handeln.

Das Sein scheint sich aus dem Verhältnis zu dem oder den Anderen zu definieren. Nicht von beliebigen Anderen, aber von denen, die in der einen oder anderen Weise wichtig sind.

Wer entscheidet über welchen Wert?

Wer hat die Hoheit über das was gewertschätzt werden soll?
Die These könnte lauten: Je mehr man sich selbst in Frage stellt, umso wichtiger wird die Einschätzung der Anderen. Ein doppelsinniges, abgewandeltes Bibel-Zitat von Hirschhausen lautet:1

Liebe Dich selbst, umso mehr können Dich die Anderen gern haben!


Zweifellos entscheidet jeder selbst über seinen Wert (oder sollte es zumindest). Warum ist es dann wichtig, dass Andere den Wert erkennen? Wenn der Wert das Sein definiert und nicht das Handeln, geht es darum, den Menschen zu sehen, den Menschen in seiner Bedeutung.

Beispiel 11987 - Der Sohn ist stolz auf seine musischen Fähigkeiten. Der Vater würde in ihm gerne einen durchsetzungsfähigen Unternehmer sehen. Immerhin war das auch sein Lebenstraum. Die Leistungen seines Sohnes nimmt er gar nicht wahr. Stattdessen nimmt er alle Defizite wahr, die den Sohn (aus seiner Sicht) daran hindern, durchsetzungsfähig zu sein.


Fühlt sich der Sohn vom nörgelnden Vater gewertschätzt?
Die Frage hängt wohl davon ab, welche Bedeutung dem Vater zugeschrieben wird und wieviele andere Werte noch im Blick sind, die den Sohn als solchen und als Mensch definieren.

Wertschätzung ist relativ. Sie stellt einen Bezug zu sich selbst und der anderen Person heraus. Wäre Einem die andere Person gleichgültig, käme es nicht darauf an was sie über Einen denkt. Man sollte sich fragen: "Warum ist mir das Urteil der anderen Person so wichtig und wozu brauche ich das?". Wenn die Frage nach dem Zweck (dem Nutzen) der eingeforderten Wertschätzung beantwortet ist, mag man sich fragen: "Brauche ich das wirklich? Kann ich den Zweck gegebenenfalls aus eigener Kraft herstellen?".

Die Relation der Wertschätzung drückt sich auch im Selbtverständnis aus. Wie kann man einen Wert bei einer anderen Person erkennen, wenn es den Wert im eigenen Denken gar nicht gibt? Wie kann man der anderen Person ihren Wert zugestehen, wenn man sich den eigenen Wert nicht zugesteht? Jeder hat die Wahl zu entscheiden, wo er hinschauen will. Manchmal lohnt es sich, auf sich selbst zu achten.

Selbstwert 

Gibt es Wertschätzung im Konflikt?

Im Konflikt sind Personen aufeinander fokussiert. Immerhin nehmen sie sich wichtig genug, miteinander zu streiten. Ist es nicht auch eine Form der Wertschätzung, sich auf den anderen so intensiv einzulassen? Allerdings wird diese Art der Einlassung nicht als Wertschätzung wahrgenommen. Würde sich der Gegner im Streit allerdings ignoriert (nicht wahrgenommen) fühlen, wird deutlich, wieviel Wertschätzung ein Streit mit sich bringt und dass Streit eine Form der Zuwendung ist.

Beispiel 11988 - Das 13-jährige pubertierende Mädchen regt die Mutter ständig auf und provoziert sie. Die Mutter weiß sich keinen Rat und wendet sich an ihre Freundin. Die Freundin erklärt: "Sei stolz darauf, dass Deine Tochter Dich gewählt hat (und nicht eine beliebige andere Person), um sich an Dir zu reiben".


Der Streit ist sicher eine Form der Wertschätzung, die man nicht unbedingt haben möchte. Andererseits ist es auch eine Möglichkeit, Wertschätzung zu erzwingen. Spätestens vor Gericht kann man dem Streitangebot nicht mehr ausweichen. Ist diese Art des Streitens möglicherweise eine Methode, Wertschätzung einzufordern, die anders nicht zu bekommen ist?

Besonders bei Beziehungskonflikten fällt auf, dass die Meinung des Anderen über einen selbst eine wichtige Rolle spielt. Der Andere wird abgewertet, damit man sich selbst aufwerten kann. Oder er wird abgewertet, weil er sonst seine Schuld nicht eingesteht.

Leider wird der Wunsch, den eigenen Wert zu vermitteln und das Bild über sich zu korrigieren, mit Angriffen gegen den Anderen versehen. Es ist ein kontraproduktives Verhalten, das zu Gegenangriffen führt, die wiederum als Missachtung verstanden werden. Die Befreiung aus dieser Anhängigkeit geht oft mit dem Rumpelstilzcheneffekt einher.

Kann man Wertschätzung lernen?

Wertschätzung ist keine Technik. Sie ist eine Haltung.

Beispiel 11989 - Der ehrgeizige Unternehmer hat in einem Führungskräftetraining gelernt, wie wichtig die Wertschätzung der Mitarbeiter ist, um die maximale Leistung von Ihnen zu erhalten. Er hat auch gelernt, dass die Versendung von Geburtstagskarten beispielsweise ein Zeichen für die Wertschätzung sei. Er wendet das Gelernte an. Die Mitarbeiter kennen den Ehrgeiz des Unternehmers und wissen, dass es ihm ausschließlich um die Leistungssteigerung angeht. Sie empfinden das Versenden der Geburtstagskarten als einen Trick, auf den sie nicht hereinfallen wollen.


Wertschätzung drückt sich nicht allein im Handeln aus. Sie muss authentisch und wirklich gewollt sein, wenn sie eine Wirkung entfalten soll.

Bedeutung für die Mediation

Die Mediation erlaubt eine Metasicht, die alle Parteien vorbehaltlos in den Blick nimmt und sichtbar macht, was den Parteien verborgen bleibt.

Beispiel 11990 - Um seine eigene Leistung herauszustellen, klagt der Mitarbeiter über die Arbeitsmoral des Kollegen. "Ja der Kollege weiß viel und kann auch viel. Aber wenn Sie mal schauen wie nachlässig er mit der Wahrnehmung von Terminen umgeht. Letztens hatte er ....." sagt der Mitarbeiter. Der Kollege hört nur den Vorwurf und die diesen Vorwurf begründende Geschichte. Er wird seine Geschichte gegenüberstellen und herausstellen, welche Defizite der Mitarbeiter hat. "Das musst Du gerade sagen. Letztens hast Du doch selbst ...."


Bei einer streitigen Kommunikation geht die Wertschätzung oft verloren. Obwohl sie direkt oder unterschwellig geäußert wird, wird sie nicht gehört - nicht aus dem Mund der gegnerischen Partei jedenfalls. Der Mediator kann die Wertschgätzung nicht nur hören, sondern auch herausarbeiten. So, dass sie auch für die Partien sichtbar wird. Er bedient sich dabei der Technik des Wiederholens und des Spiegelns.

Beispiel 16175 - Die Partei erwähnt in der Mediation über den Gegner: "Der wertschätzt mich nicht!". Der Mediator fragt daraufhin: "Wozu brauchen Sie den Gegner, um sich gewertschätzt zu fühlen?"


Die Frage soll den Fokus von der anderen Person weglenken und dazu beitragen, den eigenen Wert zu erkennen und zu schätzen. Es wird eine Auswirkung auf den Gegner haben.

Was tun wenn ...

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-09 13:49 / Version .

Alias: Geringschätzung, Achtung
Prüfvermerk: -

1 Siehe Dr. Eckart von Hirschhausen: Äußere Form und innere Haltung www.youtube.com


Based on work by Bernard Sfez und Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 12:58:57 CET.

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