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Das menschliche Gehirn

Wissensmanagement » Diese Seite ist dem Archiv in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Themenseite Verstehen, die dem Kapitel Methodik des Fachbuchs Mediation zuzuordnen ist. Bitte beachten Sie auch:

Verstehen Denken Intelligenz Gehirn Bauchgefühl Gedankengang Kognition Kreativität Lösungshindernisse

Worum es geht: Alles menschliche Verhalten wird vom zentralen Nervensystem gesteuert. Das Gehirn ist neben dem Rückenmark sein wesentlicher Bestandteil. Es ist ein komplexes, sich selbst organisierendes Organ, das aus Milliarden von Nervenzellen besteht. Der Mediator braucht eine Ahnung seiner Funktionsweise, um eine hochwertige Mediation durchführen zu können.

Einführung und Inhalt: Heute ist bekannt, dass sich die Nervenzellen nicht nur im Kopf verteilen. Sie finden sich auch im Magen-Darm-Bereich, sodass durchaus auch von einem Bauchgehirn die Rede sein kann. Hier soll die Funktion und Leistungsfähigkeit des Kopfgehirns vorgestellt werden. Ausgangspunkt ist die Definition, was unter dem Begriff Gehirn überhaupt zu verstehen ist.

Was ist ein Gehirn?

Der Begriff Gehirn leitet sich aus dem Althochdeutschen hirni oder hirne, aus dem Lateinischen cerebrum oder dem Altgriechischen enképhalos ab. Er bezeichnet bei Wirbeltieren den im Kopf gelegenen Teil des zentralen Nervensystems, das aus dem Gehirn und dem Rückenmark gebildet wird.1 Das Gehirn ist Steuerzentrum des Körpers. Es ermöglicht uns, zu denken, zu fühlen, zu sprechen, zu handeln und zu reagieren.

Wie ist das Gehirn aufgebaut?

Der Aufbau des Gehirns ist hierarchisch organisiert und evolutionär entstanden. , wobei die höheren Regionen komplexere Funktionen ausführen als die niedrigeren. Das Gehirn besteht aus drei Hauptteilen: dem Hirnstamm, dem Zwischenhirn und dem Großhirn.

Gehirn
Großhirn
Das Großhirn befindet sich im oberen Teil des Schädels. Es ist in zwei Hälften, die sogenannten Hemisphären unterteilt. Die Verbindung der Hemoisphären erfolgt durch den Balken. Beide Hemisphären arbeiten zusammen, um komplexe Aufgaben auszuführen. Die linke Hemisphäre ist in der Regel für Sprache, Logik und Analyse zuständig, während die rechte Hemisphäre für räumliche Wahrnehmung, Musik und Kreativität zuständig ist.
Zwischenhirn
Das Zwischenhirn ist der mittlere Teil des Gehirns. Es spielt eine wichtige Rolle bei der Verarbeitung von sensorischen Informationen und bei der Steuerung von Bewegungen.
Hirnstamm
Der Hirnstamm, auch Stammhirn und Reptiliengehin genannt, ist der älteste Teil des Gehirns. Er befindet sich am unteren Ende im Übergang zum Rückenmark. Dort werden die lebenswichtigen Funktionen wie Atmung, Herzfrequenz, Verdauung und Schlaf geregelt.

Die Funktionsweise des Gehirns

Die Funktionsfähigkeit des Gehirns wird über die Nervenzellen sichergestellt. Sie bilden die grundlegenden Bausteine des Gehirns. Sie kommunizieren miteinander, indem sie elektrische Impulse und chemische Signale aussenden. Es gibt verschiedene Arten von Neuronen, die für die unterschiedlichsten Funktionen im Gehirn verantwortlich sind. Die sensorischen Neuronen sind für die Übertragung von Informationen von den Sinnesorganen zum Gehirn zuständig, während motorische Neuronen für die Übertragung von Signalen vom Gehirn zu den Muskeln verantwortlich sind. Die Gliazellen sollen unterstützen, indem sie Nährstoffe und Sauerstoff bereitstellen, um die Neuronen vor Schäden zu schützen und Abfallprodukte zu entfernen. Funktional gesehen, lässt sich das Gehirn in drei funktional zu unterscheidende Bereiche unterteilen, den Neokortex, das limbische System und das Reptiliengehirn.

Neokortex
Der Neokortex ist der äußerste Teil des Großhirns. Er besteht aus dem Frontallappen, dem Temporallappen, dem Parietallappen und dem Okzipitallappen. Er ist für die Verarbeitung von sensorischen Informationen, die Integration von Wahrnehmungen, das Bewusstsein, das Denken, das Lernen und das Gedächtnis zuständig. Er spielt eine wichtige Rolle bei der Planung und Durchführung von Bewegungen sowie für die Sprache und die Entscheidungsfindung.
Limbisches System
Das limbische System ist der Bereich des Gehirns, der die emotionale Verarbeitung und die Gedächtnisbildung steuert. Es wird dem Zwischenhirn zugeordnet und besteht im Wesentlichen aus dem Thalamus, der als Relaisstation für sensorische Sinnessignale fungiert, dem Hypothalamus, der für die Regulation von Körperfunktionen wie Hunger, Durst, Körpertemperatur, Sexualität und Stressreaktion zuständig ist, der Amygdala, die für die Emotionsregulation und die Verarbeitung von Erinnerungen zuständig ist und dem Hippocampus, der die Bildung neuer, episodischer Erinnerungen verantwortlich ist es ermöglicht sich an spezifische Ereignisse oder Erfahrungen zu erinnern. Im limbischen System erfolgt also die Verarbeitung von Emotionen wie Freude, Angst, Wut und Trauer und ein wesentlichert Teil der Erinnerungsbildung.
Reptiliengehirn
Das Reptiliengehirn ist der älteste Teil des Gehirns und umfasst den Hirnstamm und das Zwischenhirn. Es ist für Instinktverhalten und Überlebensreaktionen wie Flucht oder Kampf zuständig. Hier werden die automatischen Körperfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Verdauung gesteuert.

Sehr stark vereinfacht ausgedrückt können die funktionalen Bereiche des gehirns den drei Intelligenzzentren des Menschen zugeordnet werden. Die Intelligenzzentren unterscheiden die rationale Intelligenz, die emotionale Intelligenz und den Instinkt. Volkstümlich und eingängig können sie als Kopf-, Herz- und Bauchdenken unterschieden werden.

Intelligenzzentren

Die Kommandostrukturen des Gehirns

Bauer verweist auf Kommandostrukturen des Gehirns, wie sie von der Neurowissenschaft erläutert werden. Danach sind zwei Kommandoebenen zu unterscheiden, die hierarchisch miteinander verbunden sind. Die obere Kommandoebene betrifft das Selbstsystem, womit die innere Aufstellung gemeint ist. Hier finden sich Antworten auf die Frage, "Was denke ich über mich?" oder "Was glaube ich, was gut für mich ist?". Resilienz entsteht, wenn und weil die obere Kommandoebene die untere Ebene beeinflusst, zu der das Belohnungssystem, das Stresssystem und das Angstsystem gehört. Die untere Kommandoebene produziert Botenstoffe, mit denen das Herz-, Kreislauf- und Immunsystem beeinflusst werden. Beide Kommanoebenen beeinflussen sich gegenseitig. Es ist die Entscheidung jedes einzelnen Menschen, welcher Kommandostruktur er die KOntrolle überlässt.2

Möglichkeiten und Grenzen

Wer sich die Zeit nimmt, den spannenden Vortrag von Professor Dr. Manfred Spitzer über „Neurobiologie und Erziehung" am 21.Juni 2012 an der Universität zu Köln anzuschauen, lernt die Funktionsweise ebenso kennen, wie die Möglichkeiten und Grenzen.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Es wurde im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung.

Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Das menschliche Gehirn: Möglichkeiten und Grenzen

Wie das Denken möglich wird

Wir denken im Gehirn und dort meistens in der Großhirnrinde. Tatsächlich sind an einem einzelnen Denkvorgang Milliarden von Nervenzellen, die sogenannten Neuronen, beteiligt. Ein Gedanke verstreut sich immer gleichzeitig auf das ganze Gehirn. Um einen Gedanken entstehen zu lassen, ist der Austausch zwischen den Neuronen entscheidend. Die Verbindung wird durch die Synapsen hergestellt. Wenn wir über etwas nachdenken oder eine Entscheidung treffen, werden bestimmte Gehirnregionen aktiviert. Zum Beispiel werden bei der visuellen Vorstellung bestimmter Dinge oder Personen Bereiche im visuellen Cortex aktiviert, während beim Erinnern von Erlebnissen bestimmte Teile des Hippocampus aktiviert werden. Neurotransmitter, wie Dopamin, Serotonin und Noradrenalin helfen bei der Verarbeitung von Informationen. Sie beeinflussen unsere Stimmung, Aufmerksamkeit und Motivation und können dazu beitragen, dass wir uns auf eine bestimmte Aufgabe konzentrieren und uns erinnern können.Die Denkleistung ist stets abhängig von der neuronalen Vernetzung. Jeder einzelne Gedanke hinterlässt ein eigenes, unverwechselbares Muster und eine Art Fingerabdruck im Gehirn.3 Es gibt kein übergeordnetes Kontrollsystem. Das Gehirn organisiert sich selbst, indem es die im Leben gemachten Erfahrungen neuronal integriert.4 Dieses Konzept ermöglicht nicht nur die Lernfähigkeit. Es deutet auch die Notwendigkeit in der Mediation an, neue gedankliche Erfahrungen zu vermitteln, damit sich die Synapsen anpassen können.

Wie Gefühle und Emotionen entstehen

Auch das Entstehen von Emotionen basiert auf einem komplexen Prozess im Gehirn. Hier spielen sowohl biologische, wie auch psychologischen Faktoren eine Rolle. Die Verarbeitung von Emotionen wird überwiegend dem limbischen System zugeschrieben. Ein emotionaler Reiz findet zwei Routen im Gehirn, eine schnelle und eine langsamere. Auf der schnellen Rote wird der Reiz vungebremst vom Thalamus direkt zur Amygdala weitergeleitet. Die Amygdala ermöglicht grobe Fight or Flight-Reaktionen (Kampf-oder-Fluchtmodus). Die Freisetzung von Neurotransmittern wie Adrenalin und Noradrenalin soll dem Menschen helfen, blitzschnell auf eine Gefahr zu reagieren. Auf der langsameren Route leitet der Thalamus den Reiz u.a. in den präfrontalen Cortex und zum Hippocampus, wo eine genauere Analyse sowie die Bewertung und Verarbeitung von Emotionen und die Entscheidungsfindung möglich sind.5 Gerät ein Mensch wie z.B.bei Konflikten unter Stress, kann es zur Kompetenz-Amnesie kommen. Die Amygdala veranlasst die Ausschüttung von Hormonen wie Cortisol und Adrenalin, wodurch der Mensch in den in den "Kampf-oder-Flucht"-Modus wechselt. Das Gehirn arbeitet weniger effektiv arbeitet und das Gedächtnis wird beeinträchtigt.

Die Fähigkeiten des Gehirns

Das Gehirn hat eine Menge an Informationen zu verarbeiten. Wenn es alle Informationen aufnehmen müsste, die in dort eintreffen, müsste es in jeder Sekunde etwa 11 Millionen Bits (Informationseinheiten). Das Auge allein sendet 10 Millionen Bits ans Gehirn, die Haut 1 Million, das Ohr und die Nase jeweils 100.000 und der Geschmackssinn 1.000. Nur 50 Bits davon gelangen in unser Bewusstsein.6 Es gibt viele Angaben über die Leistungsfähigkeit unseres Gehirns und Versuche, das Gehirn mit der Leistung eines Computers zu vergleichen.7 Der Vergleich hinkt jedoch, weil die Datenberechnungen nur eine bedingte Aussage über die Leistungsfähigkeit des Gehirns liefern. Trotzdem steht fest, dass unser Gehiorn nicht alle Informationen verarbeiten kann, die auf uns einprasseln. Es schützt sich also, indem es nur das bewusst wahrnimmt, was es auch verarbeiten kann. Geschätzt sind das etwa 5% dessen was bewusst an Informationen zu verarbeiten wäre.

Dieses Youtube-Video zeigt einen Vortrag von Manfred Spitzer, einem der renommiertesten deutschen Gehirnforscher. Er hat Medizin, Psychologie und Philosophie studiert und wurde 1997 als jüngster Psychiatrieprofessor Deutschlands an die Uniklinik Ulm berufen. Er ist Leiter der psychiatrischen Universitätsklinik und gründete auch das Transferzentrum für Neurowissenschaft und Lernen. Das sehenswerte Video befasst sich mit der Lernfähigkeit des Gehirns und seinen Kapazitäten. Spitzer stellt die neuesten der Hirnforschung vor. Er erläutert Phänomene wie Morbus Google, den hermeneutischen Zirkel, dass ein Wissen erforderlich ist für das Verstehen und was Wissen bedeutet.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Es wurde im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung. Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Manfred Spitzer - Hirnforscher Vortrag in Feldbach

Das Gehirn als Wissensgenerator

Die Ausführungen von Spitzer belegen nicht nur die Funktionsweise des Gehirns. Sie enthalten auch eine Darlegung, was Wissen ist und wie das Wissen im Gehirn als ein Vorgang des Verstehens generiert wird. Das Wissen ensteht aus einem Einzelwissen, das gegebenenefalls aus einem Erleben oder einer Erfahrung heraus gebildet wird. So lernen Menschen Einzelheiten zu verstehen. Indem sie ein Detailwissen erwerben und vielleicht noch ein weiteres, verstehen sie plötzlich größere Zusammenhänge. Und wenn sie die Zusammenhänge verstanden haben, verstehen sie dadurch die Einzelheiten besser und dann verstehen Sie wieder die Zusammenhänge besser, wenn sie die Einzelheiten in der Summe verstanden haben. So entsteht ein Kreislauf, der als hermeneutischer Zirkel bekannt ist.

Der hermeneutische Zirkel

Die Ausführungen lassen sich auf den Verstehensprozess der Mediation beziehen, indem sie die Lernfähigkeit des Gehirns beschreiben. Wissen ist immer vernetzt und anwendungsrelevant. Das Gehirn ist keine Festplatte, die voll werden kann. Es ist, wenn man so will, ein unendlicher, stets wachsener Speicher. Je mehr Wissen der Speicher vorhält, umso mehr kann er daraufsatteln und aufnehmen.

Menschen als Informationsverarbeitungssysteme

Im Wiki to Yes begegnen Sie oft dem Vergleich des menschlichen Gehirns mit einem Computer. Es wird vermutet, dass das Gehirn wie ein Computer in einer festgelegten Reihenfolge arbeitet. Demzufolge untergliedert sich der neuronale Prozess der Informationsverarbeitung in die Sequenz der Informationsaufnahme (Wahrnehmung), der Infromationsverarbeitung (Denken) und der Infromationsausgabe (Erkenntnis oder Kommunikation im Fall der Weitergabe). Der neurale Prozess ist sehr von der Gedächtnisleistung abhängig und davon, auf welchen Informationsspeicher des Gehirns zugegriffen wird. Zu unterscheiden sind der sensorische Speicher, das Arbeits- oder Kurzzeitgedächtnis und das Langzeitgedächtnis. Jeder Bereich entwickelt mentale Strategien, um die Information zu verarbeiten. Entscheidend ist, dass die aufgenommene Information jenseits der damit bereits einhergehenden Einschränkungen und abhängig von der Fokussierung in ein neuronales Netz von Informationen eingebunden wird, die in dem ein oder anderen Gedächtnis bereits hinterlegt sind und bewertet wurden. Letztlich entscheidet diese Einordnung über den Gehalt der Information und ihre Bedeutung.8

Details zur Informationsverarbeitung im Prozess

Bedeutung für die Mediation

Warum muss ein Mediator wissen, wie das Gehirn funktioniert?
Die Antwort liegt auf der Hand, wenn man die Mediation als ein verstandesorientiertes Verfahren ansieht. Wenn der Mediator den Verstand ansprechen will, muss er wissen, wo er ihn findet und wie er ihn stimmulieren kann. Das Denken wird durch Fragen ausgelöst, die zu Zweifeln führen. Eine Frage wird in der Regel im kortikalen Bereich des Gehirns verarbeitet. Die Frage wird analysiert, um eine Verbindung zu bereits vorhandenem Wissen herzustellen, woraus die Antwort abgeleitet wird. Wenn Zweifel geweckt werden, können verschiedene Gehirnbereiche involviert sein. Zweifel bezüglich einer Entscheidung aktivieren die frontalen Hirnregionen. Bei Zweifeln bezüglich eines Glaubens oder einer Überzeugung kann das limbische System involviert werden, das den "Kampf-oder-Flucht"-Modus auslöst. Dann würde eine abstrakt gestellte Frage möglicherweise nicht den gwünschten Erfolg herbeiführen. Es bietet sich ein Umweg über positive Gefühle an, die mit der Frage verknüpft werden, um Zweifel zuzulassen. Ein zumindest rudimentäres Wissen über die Leistungsfähigkeit oder auch die Nichtleistungsfähigkeit des Gehirns führt auch zu einem besseren Verständnis für das irrationale Verhalten der Parteien in einem Konflikt und hilft, damit besser zurechtzukommen.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen.
Bearbeitungsstand: 2024-03-18 10:02 / Version 48.

Alias: Neurobiologie, limbisches System
Siehe auch: Sinnesverarbeitung
Prüfvermerk:


Based on work by Arthur Trossen und Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Freitag März 29, 2024 07:13:17 CET.

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