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Die Basis ist eine Vereinbarung

Wissensmanagement » Sie befinden sich auf einer Themenseite im Abschnitt Recht des Mediationshandbuchs.
Es geht um die grundlegende Frage, wie sich die Vereinbarungen rechtlich einsortieren lassen. Bitte beachten Sie auch folgende Beiträge:

Recht Vereinbarungen Willenserklärung Mediationsvertrag Durchführungsvereinbarung Mediationsabrede Abschlussvereinbarung

Abstract: Alles ist eine Frage der Vereinbarung. Und davon gibt es einige in der Mediation.
Wenn alles gut geht, beginnt die Mediation mit einer Vereinbarung (über das Verfahren). Dann folgen eine Menge von Vereinbarungen (über den Verfahrensfortgang). Und wenn alles gut geht, endet die Mediation schließlich in einer Vereinbarung (über das Ergebnis).

Einführung und Inhalt: Was zwischen den Vereinbarungen liegt, sollte dem entsprechen, was am Anfang vereinbart war!
Das ist gar nicht so einfach, denn es gibt KEINE Verfahrensordnung und es sollte auch niemals eine geben.1 .

KEINE Verordnung!

Mediation ist anders! Ihre Andersartigkeit wirkt sich auch auf das Verfahrensrecht aus. Die Mediation ist ein konsensorientiertes Verfahren. Also basiert auch das Verfahrensrecht auf einem Konsens. Dass die Mediation - anders als das Gerichtsverfahren und sogar das Schiedsgerichtsverfahren - KEINE vorgegebene Verfahrensordnung kennt (und auch nicht kennen darf), ist die logische Konsequenz. Sie hat einen tiefen Sinn. Sie basiert auf dem Grundsatz:2

 Merke:
Leitsatz 11484 - Jede Mediation basiert auf einer Vereinbarung über ihr Zustandekommen und Vereinbarungen über ihre Durchführung, die in einer abschließenden Vereinbarung enden.

In Phase eins schließen die Parteien ein Arbeitsbündnis. Wenn alle im gleichen Boot sitzen, müssen Sie sich darüber einig werden, wer was unter welchen Bedingungen und wie zu tun hat, damit das Boot am Ziel ankommt und nicht kentert. Die Verantwortung dafür wird geteilt.3 Die Vorgehensweise wird abgestimmt. Lediglich der Rahmen, nämlich der Ablauf und die Grundsätze stehen mehr oder weniger fest,4 wenn die Reise eine Mediation werden soll. Der Mediator berät die Parteien darüber, wie das Boot am Besten zu navigieren ist. Entschieden wird gemeinsam. Es wird ein Konsens über das Verfahren und die Vorgehensweise (die im Verfahren zu treffenden Entscheidungen) hergestellt. Der Mediator oder die Mediatorin müssen Verfahrensvereinbarungen treffen. Sie sind verpflichtet, die zur korrekten Durchführung der Mediatioon erforderlichen Vereinbarungen herbeizuführen.

Das hier beschriebene Bild wird von manchen Kolleginnen und Kollegen möglicherweise als ein Idealbild erkannt. Auch mag es unterschiedliche Vorstellungen darüber geben, wie intensiv die Vereinbarungen zu sein haben, die der Mediator mit den Parteien über das Verfahren trifft. Der Gesetzgeber scheint einen direktiven Führungsstil zu reflektieren. Ein solcher ist zumindest bei gering eskalierten Konflikten ganz sicher nicht opportun. Bedenkt man, dass bereits die Durchführung des Verhandlungsrituals und die Verhandlung darüber ein Teil des Kognitionsprozesses ist, ergibt dieser Maßstab die Grenzen für das, was der Mediator und die Parteien sich erlauben dürfen. Auch rein rechtlich betrachtet hat der Mediator keine originäre Führungsermächtigung. Das bedeutet, alles was er veranlasst, muss auf das Einvernehmen der Parteien zurückgeführt werden können.

 Merke:
Leitsatz 4276 - Konsens ist das Ziel, aber auch der Weg!

Der Weg der Einigung(en)

Die Mediation basiert auf einem Einigungskonzept, das einer Vereinbarungslogik unterliegt. Sie ist - abhängig vom Stil des Mediators - eine Aneinanderreihung von Vereinbarungen. Es gibt natürlich Mediatoren, die sehr direktiv vorgeben, was (im Verfahren) zu tun ist oder nicht. Der direktive Stil kann ausnahmsweise und konfliktabhängig (bei hohen Eskalationen) geboten sein; er sollte aber nicht zum Regelfall werden.

In der Mediation sind vier grundlegende Vereinbarungsarten5 zu unterscheiden:

Nr. Vereinbarung Typ Recht
1. Der Mediationsvertrag (MV) A. Verpflichtungsvertrag Mediationsrecht
2. Die Mediationsdurchführungsvereinbarung (MDV) B. Prozessvertrag Mediationsrecht
3. Die Mediationsabrede (MA) B. Prozessvertragsergänzung Mediationsrecht
4. Die (Mediations-) Abschlussvereinbarung (AV) C. Lösungsvertrag Anwendungsrecht

Die numerische Anordnung (Ziff. 1-4) von MV, MDV, MA und der MAV entspricht dem zeitlichen Aufkommen (zeitliche Logik) dieser Vereinbarungen in der Mediation. Die MDV wird mit dem Arbeitsbündnis abgeschlossen, die MA's im Laufe des Verfahrens als deren Ergänzung. Die Buchstaben A-C markieren die Kategorie der Vereinbarung, wobei A die Causa oder den Rechtsgrund abbildet (Verpflichtungsvertrag), B die proceduralen Vereinbarungen (Prozessvertrag) und C die Vereinbarung über die gefundene Lösung (Lösungsvertrag). Die Beziehung der Vereinbarungen kommt in der folgenden Formel zum Ausdruck

Vereinbarungen = MV ⇒ (MDV + MA) ≠ AV

Vertrag als Legitimation

Jede rechtlich zu bewertende Handlung benötigt einen Rechtsgrund als eine Causa. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, es gäbe auch nicht-vertragsbasierte Mediationen oder Mediationen, die auf öffentlich rechtlichen Verträgen basieren. Eine weitere Besonderheit ist die Notarmediation. Mit den Ausführungen im Lehrbuchkommentar Mediation (un)geregelt ist davon auszugehen, dass die hier aufgeführten Verträge jeweils ein Eigenleben führen. Das Arbeitsbündnis (der Prozessvertrag) bleibt also in Kraft, auch wenn die Causa fehlt oder wegfällt. Es gilt das Erfüllungsprinzip, das dem sachenrechtlichen Abstraktionsprinzip entlehnt wurde.6

Mediationsvertrag 

Vertrag als Verfahrensrecht

Das Verfahren ist die Erfüllung der mit dem Mediationsvertrag eingegangenen Verpflichtung. Wenn die Vertragsparteien und die Medianden identisch sind, gehen Mediationsvertrag und Mediationsdurchführungsvereinbarung oft ineinander über, ohne dass deren unterschiedliche Rechtsqualitäten wahrgenommen werden.

Spätestens die Unterschiedlichkeit von Vertragsparteien, Streitparteien und Verhandlungsparteien legt eine abweichende Rechtsbehandlung nahe. Die Vertragsparteien des Mediationsvertrages stehen in einer anderen Rechtsbeziehung als die an der Verhandlung direkt beteiligten Parteien (Medianden), die wiederum von den Streitparteien und den Konfliktparteien zu unterscheiden sind. In einem flexiblen, informellen Verfahren lassen sich diese Rechtsbeziehungen am besten mit individuellen Verfahrensvereinbarungen festlegen. Für diese Vereinbarung ist die sogenannte Mediationsdurchführungsvereinbarung zuständig. Sie wird von den Mediationsabreden ergänzt.

Mediationsdurchführungsvereinbarung Mediationsabrede 

Terminologie

Die Begriffe werden nicht einheitlich verwendet. Mitunter wird die Abschlussvereinbarung als Mediationsvereinbarung bezeichnet, obwohl sie zwar in der Mediation zustandekommt, die Mediation allerdings nicht betrifft. In der hier verwendeten Terminologie bilden die Mediationsvereinbarungen den Oberbegriff für die Vereinbarungen, die das Verfahren der Mediation regeln. Sie umfassen den Mediationsvertrag, die Mediationsdurchführungsvereinbarung und die Mediationsabrede. Sie sind von der Abschlussvereinbarung zu unterscheiden, die zwar in dem Verfahren zustande kommt, nicht aber das Verfahren betrifft. Die nach Schulen differenzierte Terminologie wird in der Datenbank der Fachbegriffe zusammengestellt.

Fachwörterbuch nach Schulen differenziert 

Bedeutung für die Mediation

Vertrag kommt von vertragen. Die Volksweisheit deutet schon darauf hin, dass ein Vertrag nicht lediglich eine juristische Bedeutung hat. Deshalb sollen nachfolgend die rechtliche und die psychologische Bedeutung der Vereinbarungen in der Mediation herausgestellt werden:

a) rechtliche Bedeutung

Die getrennte Behandlung der Vertragskategorien schafft eine größere Klarheit und bessere Übersicht. Insbesondere stellt sie die Vereinbarungen in eine rechtliche Beziehung zueinander.

  1. Der Mediationsvertrag bildet die Legitimation, also das was die Juristen die Causa oder den Rechtsgrund nennen.
  2. Die Mediationsdurchführungsvereinbarung legt die proceduralrechtlichen Verhältnisse fest7 . Sie ist in der Juristensprache das Erfüllungsgeschäft. Analog dem Abstraktionsprinzip wird diese Abhängigkeit in der Mediation als Erfüllungsprinzip beschrieben8 .
  3. Die Mediationsabrede ergänzt die Mediationsdurchführungsvereinbarung. Ein weiterer Vorteil, die Vereinbarung voneinander abzutrennen besteht darin, dass deren Schicksal voneinander unabhängig wird. Dass bedeutet, dass die Unwirksamkeit der einen Vereinbarung nicht zwingend die der anderen herbeiführt.
  4. Die vierte Vereinbarung, die Mediationsabschlussvereinbarung schließlich hat ohnehin ein völlig eigenständiges Schicksal.
 Merke:
Leitsatz 4277 - Die Mediation ist ein Verfahren, bei dem sich Verfahrensfehler nicht auf das rechtliche Ergebnis auswirken!

b) psychologische Bedeutung

Die Vereinbarung zu Beginn der Mediation drückt sich im Begriff des Arbeitsbündnisses am Besten aus. Die Psychologen sprechen von einem Verfahrensritual. Die Art der Verfahrenseinleitung ist zugleich ein Beziehungsaufbau, mit dem die gleiche Augenhöhe hergestellt werden soll. Auch soll die Eigenverantwortlichkeit der Parteien initialisiert werden, was bei einer direktiven Vorgehensweise schwieriger ist.

Mit den Vereinbarungen während der Mediation werden die Parteien mehr und mehr in die Pflicht genommen. Es ist ein Lernprozess, der den Parteien vermitteln soll, dass Vereinbarungen selbst in der schwierigen Konfliktlage möglich sind. Die Vereinbarungen erfordern Zustimmung. Die Fülle an Vereinbarungen erhöht deshalb die Zustimmungsbereitschaft (und baut Widerstand ab).

Hinweise und Fußnoten

Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen

Bearbeitungsstand: 2023-08-07 08:04 / Version 134.

Aliase: Mediationsvereinbarungen, Causa, Vereinbarungslogik, Rechtsgrund, Erfüllungsprinzip, Mediationsvereinbarung
Siehe auch: Mediationsvertrag, Muster-Mediationsvertrag, Mediationsdurchführungsvereinbarung, Muster-Mediationsdurchführungsvereinbarung, MV, MDV, MA, Abschlussvereinbarung
Diskussion (Foren): Siehe Fragen zur Mediation
Geprüft:

1 Eine Verfahrensordnung würde dem Wesen der Mediation, die kein hoheitlich zu legitimierendes Verfahren ist, widersprechen. Siehe dazu institutionalisierte Mediation und {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="119"}
2 Siehe auch Konsensprinzip
3 Das Stereotyp, wonach der Mediator für das Verfahren und die Parteien für das Ergebnis verantwortlich sein sollen, ist so nicht zutreffend. Siehe falsche Mythen
4 Mehr oder weniger, weil manche Tatbestandsmerkmale nicht essentiell sein sollen, andere nicht. Präziser ist die Unterscheidung zwischen Eigenschaften und Bedingungen.
5 Die Unterscheidung geht zurück auf {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="119"}, Rdnr. 219
6 {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="119"}, Rdnr. 226ff.
7 Die Mediation kann kein Prozessrecht sein, das öffentlich-rechtlich wäre. Deshalb ist vom proceduralrechtlichen Verhältnis die Rede
8 {trackerautoritem trackerId="16" fieldId="103" fieldId2="622" itemId="119"}, Rdnr. 226ff.


Based on work by Bernard Sfez und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 23:03:10 CET.

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