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Gegenüberstellung der Mediationsdefinitionen

Wissensmanagement » Diese Seite gehört zum Fachbuch Mediation in der Wiki-Abteilung Wissen. Sie befinden sich auf der Themenseite Mediationsdefinitionen des Kapitels Mediationsverständnis, das dem 3. Buchabschnitt Mediation zugeordnet wird. Beachten Sie bitte auch:

Mediationsverständnis Definitionen Verzeichnis Wesen der Mediation Mediationslogik Mediationsgesetz

Worum es geht: Es gibt viele Definitionen des Begriffs Mediation. Sie sind alle mehr oder weniger ähnlich. Trotzdem unterscheiden sie sich. Die nachfolgende Zusammenstellung ermöglicht eine Gegenüberstellung und hilft, Abweichungen und Lücken sowie das jeweils zugrundeliegende Mediationsverständnis aufzudecken.

Einführung und Inhalt: Es gibt viele Definitionen des Begriffs Mediation. Sie sind alle mehr oder weniger ähnlich. Trotzdem unterscheiden sie sich. Die nachfolgende Zusammenstellung ermöglicht eine Gegenüberstellung und hilft, Abweichungen und Lücken sowie das jeweils zugrundeliegende Mediationsverständnis aufzudecken.

Legaldefinitionen

"Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung", sagt man. Wegen der Verbindlichkeit von Rechtsnormen spielen Legaldefinition auch in der Mediation eine wichtige Rolle. Der Begriff Legaldefinition bezeichnet die gesetzlich hinterlegten Definitionen. Weil die Mediation längst Einzug in die Gesetzgebung gefunden hat, geht kein Weg an den Legaldefinitionen der Mediation vorbei. Ob und inwieweit sie jedoch ein einheitliches Verständnis der Mediation widerspiegeln, mag ein Vergleich der gesetzlichen Definitionen belegen. Die Mediation wird in den Gesetzen der Länder wie folgt definiert:1

EU-Richtlinie

Nach Art. 3 der Richtlinie2 ist:

a) Mediation ein strukturiertes Verfahren unabhängig von seiner Bezeichnung, in dem zwei oder mehr Streitparteien mit Hilfe eines Mediators auf freiwilliger Basis selbst versuchen, eine Vereinbarung über die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu erzielen. Dieses Verfahren kann von den Parteien eingeleitet oder von einem Gericht vorgeschlagen oder angeordnet werden oder nach dem Recht eines Mitgliedstaats vorgeschrieben sein.
Es schließt die Mediation durch einen Richter ein, der nicht für ein Gerichtsverfahren in der betreffenden Streitsache zuständig ist. Nicht eingeschlossen sind Bemühungen zur Streitbeilegung des angerufenen Gerichts oder Richters während des Gerichtsverfahrens über die betreffende Streitsache;
b) Mediator ist eine dritte Person, die ersucht wird, eine Mediation auf wirksame, unparteiische und sachkundige Weise durchzuführen, unabhängig von ihrer Bezeichnung oder ihrem Beruf in dem betreffenden Mitgliedstaat und der Art und Weise, in der sie für die Durchführung der Mediation benannt oder mit dieser betraut wurde.

Mediationsgesetz Deutschland

§1 Mediationsgesetz besagt:

(1) Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren, bei dem Parteien mithilfe eines oder mehrerer Mediatoren freiwillig und eigenverantwortlich eine einvernehmliche Beilegung ihres Konflikts anstreben.
(2) Ein Mediator ist eine unabhängige und neutrale Person
ohne Entscheidungsbefugnis, die die Parteien durch die Mediation führt.

Wer genauer und tiefer auf die juristischen Fragen eingehen möchte, kann den Online-Kommentar zum Mediationsgesetz hier einsehen. Aber dafür ist später auch noch Gelegenheit. Wiki to Yes kann und soll nämlich auch als ein Nachschlagewerk fungieren und Ihnen zur Verfügung stehen, wenn Sie etwas über die Mediation erfahren wollen.

Kommentar zum MediationsG

Mediationsgesetz vom 21. Juli 2012 (BGBl. I S. 1577), geändert durch Art. 135 V v. 31.8.2015 I 1474 (BGBl. I S. 1474). Ausführliche Auseinandersetzung mit dem Mediationsgesetz, seiner Entstehung, seiner Bedeutung und der Anwendbarkeit der einzelnen Vorschriften. Hinweise zur Interpretation des Gesetzes und praktische Tipps für die Umsetzung.

Mediationsgesetz Österreich

§1 ZivMediatG (Zivilrechts-Mediations-Gesetz) besagt3 :

Mediation ist eine auf Freiwilligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei der ein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler (Mediator) mit anerkannten Methoden die Kommunikation zwischen den Parteien systematisch mit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbst verantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermöglichen.
(2) Mediation in Zivilrechtssachen ist Mediation zur Lösung von Konflikten, für deren Entscheidung an sich die ordentlichen Zivilgerichte zuständig sind.

Mediationsgesetz Lettland

§1 des lettischen Mediationsgesetzes besagt:

Mediation - Ein strukturierter, kooperativer Prozess auf freiwilliger Basis, in dem die Parteien mit Hilfe eines Mediators versuchen, eine beiderseits akzeptable Einigung zur Beilegung ihres Streites herbeizuführen.
Mediator - Eine natürliche Person, die von den Parteien frei gewählt wurde und der Vermittlung zugestimmt hat

Die englische Übersetzung, die als Vorlage für das Zitat galt, betrifft das Mediationsgesetz, soweit es in der Zeit vom 18.06.2014.–12.10.2017 gültig war. Falls die Definition also nachträglich geändert wiurde, sind die Änderungen nicht berücksichtigt4 .

Mediationsgesetz Kroatien

Art 3 des kroatischen Mediationsgesetzes besagt5 :

Mediation meint jedes Verfahren, unabhängig davon ob es vor dem Gericht, einer Mediationsorganisation oder außerhalb solcher Institutionen durchgeführt wird, in dem die Parteien versuchen, ihren Streit einvernehmlich mit Hilfe eines Mediators oder Mediatoren zu lösen, die ihnen helfen, eine Einigung zu erreichen, ohne die Erlaubnis zu haben, eine bindende Lösung zu verhängen.
Mediator ist eine Person, die die Mediation aufgrund einer Vereinbarung zwischen den Parteien durchführt.
Mediationsorganisation ist eine juristische Person, oder eine Einheit einer juristischen Person oder eine organisatorische Einheit einer juristischen Person, die Mediationsverfahren organisiert

Mediationsgesetz Finnland

§18 des dritten Abschnitts des Act on mediation in civil matters and confirmation of settlements in general courts
(394/2011) besagt6 :

Für die Zwecke deses Gesetzes bezieht sich die außergerichtliche Mediation auf einen strukturierten Prozess, der auf der Grundlage einer Vereinbarung, Regeln oder ähnlicher Anordnung und in dem die Parteien freiwillig in einer bürgerlich rechtlichen Angelegenheit eigenverantwortlich versuchen, ihren Konflikt einvernehmlich zu lösen

Andere Ansätze

Interessanter Weise wurde die Mediation noch vor dem Erlass des Mediationsgesetzes in der Begründung zum Rechtsdienstleistungsgesetz wie folgt definiert:7

Der Begriff Mediation bezeichnet die Methode der außergerichtlichen Konfliktbearbeitung, in der ein neutraler Dritter (Mediator) die Beteiligten dabei unterstützt, ihren Streit im Wege eines Gesprächs beizulegen und selbständig eine für alle Seiten vorteilhafte Lösung zu finden, die dann evtl. in einer Abschlussvereinbarung protokolliert wird


Für die integrierte Mediation ist die Definition nicht präzise und eingängig genug. Sie kritisiert die mangelnde Abgrenzbarkeit zu anderen Verfahren und weist darauf hin, dass die Definition sowohl Eigenschaften wie Prinzipiengebot verwendet und miteinander vermischt. Ihr Definitionsvorschlag lautet:8

Die Mediation erlaubt eine Auseinandersetzung über den Konflikt, die den Parteien hilft, eine optimale Lösung zu finden. Sie vermag den Konflikt vollständig beizulegen, Konflikte zu vermeiden oder Konflikteskalationen zu verhindern. Dabei lässt sie sich auf die gesamte Komplexität der zu klärenden Fragen ein. Sie basiert auf einer wechselseitigen Verstehensvermittlung und befähigt die Parteien zu einer Lösung, die den maximal möglichen Nutzen auch nach einem Vergleich mit Alternativlösungen anderer Verfahren ermöglicht und sicherstellt.


Die UN definiert die Mediation übrigens in dem 2012 erschienenen Guidance for Effective Mediation wie folgt (übersetzt):9

Die Mediation ist ein freiwilliger Prozess, in dem eine Drittpartei zwei oder mehr Parteien mit ihrer Zustimmung dabei unterstützt, einen Konflikt zu verhindern, zu handhaben oder zu lösen, indem sie ihnen hilft, beidseitig akzeptable Vereinbarungen zu entwickeln.


Immerhin nimmt diese für die Friedensmediation genutzte Definition die Konfliktvermeidung in die Definition auf, bezeichnet den Mediator ebenfalls als Partei und spricht statt vom Anstreben einer einvernehmlichen Konfliktbeilegung von der Entwicklung einer beidseits akzeptablen Vereinbarung. Diese Definition kommt dem Verständnis der Mediation näher als die Definition im Mediationsgesetz.

Die Vertragsfreiheit

Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass die Vertragsfreiheit sowohl die Regelierung der privatrechtlichen Vorgehensweise wie auch die vertragliche Gestaltung von Sachverhalten garantiert. Die Privatautonomie wird im Art 2 GG (Grundgesetz) garantiert

Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.


Die verpflichtenden Rechtsbeziehungen werden durch Vertrag begründet. Einschlägig dafür ist § 311 BGB

Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.


Die auf das Mediationsverfahren bezogene Diensteistung wird durch den Mediationsvertrag bzw. die Mediationsdurchführungsvereinbarung begründet. Die Abschlussvereinbarung regelt die Umsetzung der gefundenen Lösung. Beide Vereinbarungen sind von der Vertragsfreiheit gedeckt. Vor diesem Hintergrund machen die Regelungen in den Mediationsgesetzen nur einen Sinn, wenn die Mediation dadurch offiziell als ein Verfahren der Konfliktbeilegung angesehen wird.10

Bedeutung für die Mediation

Die Definitionen präferieren überwiegend das Konzept einer formellen Mediation. Der Mediationsradius wird nicht ausgeschöpft. Die Bedeutung der Mediation erschließt sich daraus nicht zwingend. Sie sind für den Fachmann wenig hilfreich, weil sie keine klaren Abgrenzungen zu anderen Verfahren erlauben11 und weil der gesetzliche Tatbestand die Eigenschaften nicht korrekt abbildet.12 Für den Kunden sind sie wenig hilfreich, weil sich weder der Nutzen, noch das Alleinstellungsmerkmal daraus erschließt. Der Versuch einer auf das Wesen abstellenden, den Nutzen an den Kundenbedürfnissen ausrichtenden Definition könnte lauten:13

 Merke:
Leitsatz 3273 - Die Mediation beschreibt eine Verfahrensweise, mit der die Parteien durch eine Verstehensvermittlung über alle relevanten Informationen verfügen, die es ihnen ermöglichen, eine am allseitigen Nutzen orientierte Lösung zu finden. Die Lösung lässt sich auf die gesamte Komplexität der zu klärenden Fragen ein und vergleicht die gefundene Lösung mit dem möglichen Ergebnis anderer Verfahren.

Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den Definitionen und dem dahinter verborgenen Mediationsvertständnis finden Sie im 3. Buchabschnitt des Mediationshandbuches.

Hinweise und Fußnoten
Bitte beachten Sie die Zitier - und Lizenzbestimmungen
Bearbeitungsstand: 2024-03-16 05:22 / Version 19.

Aliase: Definition
Siehe auch: Mediation-Systematik, Mediationsverständnis
Prüfvermerk: -

1 Beachten Sie bitte das die Gesetzeszitate, besonders die aus dem Ausland, aus dem Jahre 2017 stammen, also nicht zwingend aktuell sind.
2 EU-Richtlinie, siehe den Wortlaut unter RICHTLINIE-2008-52-EG-21-5-2008
7 Trossen (un-geregelt) - 2019-05-13, Seite 71; BT-Drucks. 16/3655, Seite 50
8 Ausführlich dazu und zur Herleitung siehe Trossen (Mediation visionär) - 2021-04-14, S. 11 ff.
10 Siehe dazu Implementierung
11 wie etwa zur Schlichtung
12 z.B. Prinzipien werden mit Eigenschaftsmerkmalen gleichsetzt.
13 Die Vorlage für diese Definition stammt von der Integrierten Mediation


Based on work by Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 15:27:03 CET.

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