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Beleidigungen in der Mediation

Wissensmanagement » Diese Seite ist der Kategorie Konfliktphänomenologie des Archivs in der Wiki-Abteilung Wissen zugeordnet. Eine logische Verknüpfung erfolgt mit der Rubrik Konflikt, also dem 6. Buchabschnitt des Fachbuchs Mediation und den Konfliktphänomenen.

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Die Beleidigung ist eine Ehrverletzung. Es gibt unterschiedliche Sichten und dementsprechend abweichende Behandlungen der Beleidigung. Zu unterscheiden ist die juristische, die pschologische und die mediative Sicht.

Die juristische Sicht

Eine Beleidigung ist strafbar. Die Strafbarkeit ist in §185 StGB gereglt. Die Vorschrift besagt:

Die Beleidigung wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe und, wenn die Beleidigung mittels einer Tätlichkeit begangen wird, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


Die Tathandlung besteht in der Kundgabe der Missachtung einer Person. Die Beleidigung ist ein Ehrdelikt, weil sie eine andere Person in ihrer Ehre angreift. Sie wird angenommen, wenn der Respekt als gleichwertige Rechtsperson aberkannt wird. Der ethische oder soziale Wert des Beleidigten muss geringer dargestellt werden, als er tatsächlich ist 1 . Übrigens ist die Beleidigung auch in der Mediation strafbar. Es wäre aber mediationsfremd, wenn die Verarbeitung einer Beleidigung auf diesem Niveau erfolgt.

Die psychologische Sicht

In der Psychologie relativiert sich der Begriff. Die beleidigende Aussage wird mit Emotionen assoziiert, die bei einem schwachen Selbstwertgefühl sogar zu Angstreaktionen führen kann. Dabei geht es weniger um die Angst vor dem Angriff, als um die Angst, an der Beleidigung könnte etwas dran sein. Der Selbstwert ist tatsächlich so gering wie behauptet. Dagegen verwahrt man sich. Wut, Flucht oder Fassungslosigkeit sind mögliche Reaktionen. Der Beleidigte sieht sich als Opfer. Der Weg aus der Opferrolle kann schon in der Bewusstwerdung des Unterschiedes von "Du machst mich wütend" zu einem "Ich bin wütend" erfolgen. Die Kontrolle über die eigenen Gefühle erhöht den Selbstwert.

Die mediative Sicht

In der Mediation wird der gesamte Vorgang betrachtet. Also das was der Beleidigende sendet und das was beim Beleidigten ankommt. Oft liegen dazwischen Diskrepanzen. Der Mediator kann und sollte die Diskrepanzen herausarbeiten, um auf Wahrnehmungsunterschiede hinzudeuten. Er achtet auf die Bedeutungswirklichkeiten und hinterfragt was gemeint war. In Betracht kommt die Überbewertung zur Aufmerksamkeitserregung oder tatsächlich die Induktion von schlechten Gefühlen beim Gegner. In beiden Fällen sagt der Beleidigende etwas über sich und, was noch wichtiger ist, über den Konflikt. Bei einem Beziehungskonflikt sind die Bedeutungszuschreibungen auf beiden Seiten interessant. Wenn die Bedeutung herausgearbeitet wurde, verliert die Beleidigung ihren Sinn. Um die Bedeutung herauszuarbeiten, achtet der Mediator in besonderem Maße auf die Ich-Botschaften des Senders und des Empfängers.

Umgang mit Beleidigungen im Allgemeinen

Das nebenstehende Video enthält ein paar Hintergrundinformationen und Tipps zum Umgang mit Beleidigungen.

Bitte beachten Sie, dass es sich bei dem Video um ein bei Youtube (Google) hinterlegtes Video handelt. Es wurde im erweiterten Datenschutzmodus eingebettet. Was das bedeutet, erfahren Sie in der Datenschutzerklärung.

Eintrag im Videoverzeichnis erfasst unter Wie Du selbstbewusst mit Beleidigungen und Kritik umgehst

Behandlung von Beleidigungen in der Mediation

Viele Mediatoren verbieten Beleidigungen, indem sie pauschale Gesprächsregeln verordnen: "Sie dürfen sich nicht beleidigen, müssen fair miteinander umgehen", usw. In Supervisionen und Beobachtungen von Rollenspielen ist aufgefallen, dass der Mediator, nachdem er Gesprächsregeln eingeführt hat, geradezu zum Polizieten wird, der peinlich genau darauf achtet, dass Beleidigungen unterbleiben.2 Ganz abgesehen davon, dass dieser Fokus vom Eigentlichen ablenkt, ist die Überwachung von Beleidigungen fast Mission impossible. Besonders Eheleute in alten Beziehungen kennen die Trigger, sie in ihrer Welt eine Beleidigung darstellen aber von außen kaum erkennbar sind.

Beispiel 16184 - In einer Trennungsmediation, bei der der Beziehungskonflikt hoch eskaliert im Vordergrund stand, verläuft das Gespräch eigentlich sehr positiv. In kleinen Schritten können die Parteien sich annähern. Weil die Mediation anstrengend und die Zeit abgelaufen war, wird die Mediation vertagt. Als Abschiedgeschenk konnte der Mann es sich nicht verkneifen die Frau zu fragen: "Wie hätte er eigentlich geheißen?". Für den Mediator war diese Frage zunächst völlig unbedeutend. Er kannte den Zusammenhang nicht. Die Frau hingegen reagiert spontan. Sie wird völlig hysterisch und begann den Mann massiv anzugreifen. Als sich der Mediator nach den Hintergründen erkundigte, stellte sich heraus, dass die vermeintlich freundliche Frage eoine Anspielung auf eine Abtreibung war, die der Frau extrem scher gefallen war.


Der Mediator ist gut beraten, wenn er die Verantwortungen, Beleidigungen zu verhindern und zu überwachen an die Parteien zurückgeben kann. Er macht sich das Leben dadurch nicht nur leichter, sondern kann das Verhalten zur Konfliktanalyse nutzen. Desweiteren kann er die Eigenverantwortlichkeit der Parteien stärken. Wie er das macht, ergibt das folgende Beispiel.

Beispiel 16183 - Der Mediator legt mit den Parteien fest, dass Gesprächsregeln eingeführt werden sollen. U,.a,. wird vereinbart, dass Beleidigungen unterbleiben sollen. Der Mediator sagt daraufhin: "Es ist manchmal scher zu erkennen, ob sich jemand beleidigt fühlt oder ob eine Äußerung als Beleidigung gemeint war. Können wir so verbleiben, dass Sie mir jeweils ansagen, falls sich jemand beleidigt fühlt und dass wir dann überlegen, was sich dahinter verbirgt und wie damit umzugehen ist?". Die Parteien stimmen zu. Der Mediator hat sich von der Verantwortung (und der Erwartung der Parteien) zur Überwachung der Beleidigungen entbunden.


Im Vordergrund der Arbeit des Mediators steht immer die Beobachtung des Kommunikationsverhaltens der Parteien und der Versuch, die Attributionen und Ich-Botschaften herauslesen. Nicht nur der Mediator, sondern auch die Parteien erhalten in dem Moment mehr Informationen über den Konflikt und vielleicht auch die eine oder andere überraschende Erkenntnis, die dazu beiträgt, die Sicht der Parteien auf sich und den Gegner zu korrigieren. Dabei setzt er die Technik des Loopens ein.

Beispiel 11571 - Die Partei faucht den Gegner an: "Du bist ja so blöd. Du kappierst ja gar nichts. Das hast Du noch nie geschafft. Kein Wunder bei Deiner Ausbildung!". Der Mediator sagt: "Sie sind ärgerlich, weil nicht verstanden wird was Sie sagen?". Bestätigung wird abgewartet. "Ihnen ist es wichtig, dass der Gegner sie versteht?"


Die Beleidigung ist oft unkontrolliert und deshalb sehr ehrlich. Ehrlich meint nicht die Meinung über den Anderen, sondern die Aussage über den Beleidigenden selbst. Die Beleidigung hat stets zwei Seiten. Es gibt die Du-Botschaft und die Ich-Botschaft. Die Du-Botschaft greift an. Die Ich-Botschaft neutralisiert die Beleidigung, indem sie auf ein Bedürfnis oder einen Notstand des Beleidigenden hinweist.

 Merke:
Leitsatz 4842 - Die Beleidigung sagt mehr über den Beleidigenden als über den Beleidigten. Je nachdem wie der Beleidigte reagiert offenbart er auch etwas über sich. Hinter der Beleidigung und der Reaktion darauf verbergen sich Ich-Botschaften!

Das gleiche gilt für den Beleidigten. Seine Reaktion zeigt, wo er angreifbar ist. Er könnte darüber stehen, wie im Beispiel des Samurais.

Beispiel 11570 - Ein Samurai unterrichtet seine Schüler in der Kriegskunst, als er von einem Haufen Halbstarker provoziert wird. Der Samurai reagiert nicht, so dass die angriffslustigen Männer ihre Beleidigungen verschärften. Nachdem der Samurai auch darauf nicht reagierte, zogen die Männer weiter. Sie lachten über den Samurai, der sich nicht wehren wollte. Die Schüler, die den Vorgang beobachteten, waren völlig verstört. Sie fragten verwundert: ‘Großer Meister, warum hast Du Dir das gefallen lassen? Warum hast Du die Männer nicht bestraft?’ Der Samurai antwortete: ‘Wenn ihr mir eine Truhe mit 10 kg Gold schenkt und ich die Truhe mit dem Gold nicht annehme, gehört mir dann das Gold?’‘Nein!’ antworteten die Schüler einstimmig.‘Seht Ihr’, fuhr der Samurai fort, ‘so geht es auch mit einer Beleidigung die nicht angenommen wird. Auch sie gehört weiterhin dem, der sie ausgesprochen hat.’


Die Tatsache, dass er nicht darüber stehen kann sagt etwas über die Person des Beleidigten oder über die Beziehung zwischen dem Beleidigten und dem Beleidigenden. Es hat mit der Person des Beleidigten zu tun, wenn er auf die Beleidigung reagiert, egal wer sie äußert. Es hat mit der Beziehung zum Gegner zu tun, wenn die Aussage nur aus dessen Mund als eine Beleidigung wahrgenommen wird. Dann ist dem Beleidigten die Einschätzung wichtig, die der Beleidigte über die Person des Beleidigten hat.

Beleidigungen sind für den Mediator auch insoweit hilfreich, als die Parteien mit der Art wie sie miteinander kommunizieren ein Anschauungsmaterial über ihre Beziehung zueinander liefern. Der Mediator kann durch das Verbalisieren den Spiegel vorhalten. Erst wenn die Parteien nicht von der Beleidigung lassen und wenn die Beleidigung zur Beeinträchtigung der Gespräche führt, mag der Mediator mit den Parteien erörtern, wie damit umzugehen ist. Erst jetzt ist der Moment für die Einführung von Gesprächsregeln gekommen.

Hinweise und Fußnoten
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Bearbeitungsstand: 2024-03-09 13:36 / Version .

Alias: Ehrverletzung
Prüfvermerk:

2 Eigene Beobachtungen des Autors


Based on work by Bernard Sfez und Arthur Trossen und anonymous contributor . Last edited by Arthur Trossen
Seite zuletzt geändert am Donnerstag März 28, 2024 11:12:12 CET.

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