Oft wird die mangelnde Nachfrage nach der Mediation mit dem Argument abgetan, die Ausbildungsqualifikation sei unzureichend und die Bürger wüssten noch immer nicht genug von der Mediation. Der Wiki to Yes Mediationsreport 2019 dürfte das Bild korrigieren. Auch die Evaluierung des Mediationsgesetzes liefert die Grundlage für eine Korrektur dieser Ansicht. Nach den Erhebungen der Evaluierung ist die Frage der Zertifizierung für den Konsumenten jedenfalls kein ausschlaggebendes Kriterium für die ausbleibende Nachfrage. Laut dem Roland Rechtsreport hat der überwiegende Teil der Bevölkerung auch schon von der Mediation gehört.1 Problematisch ist jedoch, dass die Mediation nicht bedarfsorientiert vorgestellt und oft falsch verstanden wird. Die Leistungsbeschreibung der Mediation verliert sich häufig in nichtssagenden Parolen, wie etwa in dem Hinweis, dass die Mediation billiger sei als ein Gerichtsverfahren und zu besseren Ergebnissen komme. Auch die Ermahnung, dass der friedliche Weg stets der bessere sei, scheint nur in Friedenszeiten zu überzeugen. Dass die Verfahrenskosten für Parteien in einem hoch eskalierten Konflikt keine ausschlaggebende Rolle spielen, belegt der Zeit- und Energieaufwand, den manche Parteien dem Konflikt teilweise bis zur Selbstdestruktion widmen.

Der Konflikt ist das Problem

Der Mediationsreport 2019 hat gezeigt, dass sich die Nachfrage nach Mediation trotz aller Unkenrufe positiv entwickelt. Aus der Sicht des Praktikers stellen nicht die mangelnde Kenntnis über Mediation oder das angeblich unzureichende Ausbildungszertifikat die größte Hürde dar, die einer Mediation im Wege steht. Die größte Hürde ist der Konflikt selbst.

Das Problem äußert sich in der Frage, wie das gewählte Verfahren zur Konfliktstrategie der Parteien passt. Bitte beachten Sie, dass der Begriff Parteien im Plural genannt wird. Es macht wenig Sinn, wenn nur eine Partei die Mediation will, die Gegenpartei jedoch nicht. Die Mediation gelingt nur, wenn beide (alle) Parteien bereit sind, den Weg in eine kooperative Konfliktbeilegung zu beschreiten. Diese Voraussetzung wird bei einem Konflikt ab der 3. Eskalationsstufe immer herausfordernder. Nicht nur, weil die Parteien nicht mehr miteinander reden. Je höher der Konflikt eskaliert ist, desto größer wird auch die Neigung, sich einem Vorschlag der Gegenseite entgegenzustellen. Die Umfrage zur Konfliktbeilegung versucht diese Zahl in ein Verhältnis zu stellen.

Die gemeinsame Entscheidung für eine Mediation gelingt den Parteien leicht, wenn der Konflikt noch nicht hoch eskaliert ist. Sie können ja noch miteinander reden. Auch erwarten sie noch, dass ein Gespräch dazu beiträgt, der Gegenseite die eigene Sicht zu erklären und sie zu einem Einlenken zu bewegen. Wenn der Konflikt jedoch eskaliert ist, bedarf es nach den Erkenntnissen der Konfliktevolution einer gewissen Konfliktreife, um sich wieder mit dem Gegner an einen Tisch zu setzen. Wenn sich eine Konfrontation erst einmal in den Köpfen der Parteien etabliert hat, gibt es Konfliktstadien, bei denen es ihnen gar nicht mehr in den Sinn kommt, mit dem Gegner zu kooperieren. Sie würden selbst ein Kooperationsangebot als eine Finte oder einen Angriff verstehen.2 Dabei spielen nicht nur strategische Argumente eine Rolle. Auch psychologische Ursachen stehen einer friedlichen Konfliktbeilegung im Wege. Je höher der Konflikt eskaliert ist umso eher verhindert die Kompetenz-Amnesie den Blick auf die Gefahren einer Konfrontation und die Möglichkeiten einer friedlichen Auseinandersetzung.

Bei einem hoch eskalierten Konflikt hat die Kooperationsbereitschaft erst wieder eine Chance, wenn die Partei erkennt, dass sie mit der Konfrontation (oder der Verweigerung der Kooperation) nicht weiter kommt. Es genügt nicht, wenn eine Seite zu dieser Einsicht gelangt. Wichtig ist, dass alle Parteien diese Erkenntnis teilen. Bitte beachten Sie, dass nicht nur die Partei selbst, sondern auch ihr Konfliktgegner der Mediation und dem vorgeschlagenen Mediator zustimmen müssen.

Das Verhandlungsangebot

Der Konflikt liefert nicht nur einen Grund zur Absage an das Verhandlungsangebot. Er ist oft auch ein Grund dafür, dass untaugliche Verhandlungsangebote unterbreitet werden. Die Parteien neigen dazu, die Welt aus ihrer (jeweiligen) Sicht zu begreifen. In dieser Welt ist alles stimmig und schlüssig und es ist klar, wo das Problem liegt. Das liegt beim Gegner. Diese Botschaft wird gerne auch mit der Art und Weise vermittelt, wie das Verhandlungsangebot unterbreitet wird. Ein "Du bist schuld und deshalb musst Du mit mir reden" ist ebenso wenig zielführend wie ein "Siehst Du nicht was Du mir antust". Die Welt des Gegners wird die Frage nach Schuld, Ursache und Wirkung anders beurteilen. Für ihn klingt ein derartiges Verhandlungsangebot, wenn es auch noch so sinnvoll ist, wie eine Fortsetzung des Konfliktes und als Beleg, dass ein Gespräch ja doch keinen Sinn haben kann. Eine andere Strategie, die sich vermeintlich auf die Interessen des Gegners einlässt, wie etwa ein "Das willst Du doch auch" oder "Schau mal was Du Dir antust" oder gar "Ich will doch nur Dein Bestes", versagt ebenso wie die plattitüdenhaften Friedensappelle.

Den richtigen Ton zu finden, ist eine echte Herausforderung.

Auch ein Verhandlungsangebot, das an unerfüllbare Bedingungen geknüpft wird, hat wenig Aussicht auf Erfolg. Sowohl im Alltag wie in der Politik finden sich dafür viele Beispiele. Eine beliebte Methode ist die Ausgrenzung des Gegners, sodass die angebliche Verhandlungsbereitschaft der auffordernden Partei schon im Ansatz keine Wirkung haben kann und nur ein Lippenbekenntnis ist. "Wir sind zwar verhandlungsbereit. Aber mit Radikalen verhandeln wir nicht", heißt es dann. Oder ein "Ich verhandle nur, wenn Du Dich vorher entschuldigst" ist für den Gegner kaum annehmbar. Das gleiche gilt, wenn die Lösung im Verhandlungsangebot schon vorgegeben wird. Beispiel: "Wir müssen miteinander reden, damit Du einsieht, wie krank Du bist" oder "Wir müssen miteinander reden, damit Du verstehst, was Du mir angetan hast".

Was für das Verhandlungs- (Gesprächs-)angebot gilt, gilt auch für die Absage. Aus der Sicht des Mediators ist es schon ein Gewinn, wenn ein Verhandlungsangebot explizit abgelehnt und nicht einfach ignoriert wird. Die Ablehnung zeigt immerhin, dass die Gegenseite noch kommuniziert. Noch deutlicher wird der Mitteilungsbedarf, wenn die Ablehnung intensiv begründet wird. Das Verhalten zeigt, dass sie auch in der Vorstellungswelt des Gegners nicht grundlos erfolgen darf.

In keinem Fall sollte das Verhandlungsangebot einen Anlass bieten, darin einen feindseligen Akt zu erkennen. Auch sollte die Absage eines Vorschlags zur Mediation nicht als ein feindseliger Akt interpretiert werden, zumindest nicht, solange dies nicht ausdrücklich zugestanden wird. Solange die Parteien noch (egal wie und wo) miteinander reden, ist alles möglich. Schwierig wird eine Verhandlung immer dann, wenn es zu einem vollständigen Kontaktabbruch kommt. In dem Fall müssen die Überlegungen dahin gehen, wie und auf welchem Kommunikationskanal ein Kontakt wieder möglich wird.

Den richtigen Weg zur Kommunikation zu finden ist ebenfalls eine echte Herausforderung.

Auf die Motive kommt es an

Es ist schwierig, die jeweilige Situation korrekt einzuschätzen, solange nicht bekannt ist, was in den Köpfen der Parteien vorgeht. Jedes Verhalten oder Unterlassen geht auf ein Motiv zurück. Alles hat eine Geschichte. Ohne den Beweggrund zu kennen, ist jede Maßnahme eine reine Spekulation.

Die Beweggründe können ganz unterschiedlich sein. In den seltensten Fällen haben sie mit dem Gegner zu tun. Meist geht es um einen Selbstschutz. Das Gespräch wird verweigert, weil es Wunden aufreißt und Verletzungen aufdeckt, mit denen man sich nicht mehr auseinandersetzen will oder kann. Auf der Seele hat sich eine Hornhaut gebildet. Die Verhandlung wird verweigert, weil man Angst davor hat, die Hornhaut wieder aufzureißen oder weil man weitere Verletzungen befürchtet. Es fehlt an der Resilienz, sich der Verhandlung zu stellen.

Leider führt die Komplexität einer Konfliktlage dazu, dass es viele Möglichkeiten gibt. Dabei sollte auch das Umfeld der Parteien nicht außer Betracht gelassen werden. Der neue Partner, der sich als Beschützer aufspielt. Aussagen wie: "Das darfst Du Dir nicht gefallen lassen" oder "Du fällst doch wohl nicht wieder darauf herein", mögen. gut gemeint sein. Erfolgen sie aber wirklich aus der Distanz und in Kenntnis der Möglichkeiten und Ausgänge? Gut gemeint ist nicht immer gut.

Schon der eskalierte Konflikt legt es den Parteien oft nahe, Widerstand zu zeigen. Das hat dann gar nichts mit der Gegenseite zu tun. Es geht nur darum, Stärke zeigen. Verhandlungsbereitschaft könnte als Schwäche ausgelegt werden. Wer stark ist, verhandelt nicht und wer im Recht ist, sieht für sich auch keinen Grund zum Verhandeln. Das Recht sei nicht verhandelbar, wird argumentiert. Auch die Emotionen machen einen Strich durch die Rechnung der Mediationsnachfrage. In einem hoch eskalierten Konflikt suchen die Emotionen eher Distanz und Abwendung, statt Nähe. Sie wollen Rache und Genugtuung, nicht Entgegenkommen oder Zuwendung.

Strategisch kommt es darauf an, eine Verhandlung überhaupt in Gang zu bringen. "Lass uns miteinander reden. Ich bin bereit, mich auf Deine Wünsche einzulassen, wenn ich sie verstehen kann. Ich bin bereit, Dir zuzuhören", ist die einzige Botschaft, die zählt. Sie gelingt leider nur, wenn sie authentisch ist.

Die etwas andere Sicht

Mit dieser Herangehensweise kommt die Idee der Mediation ins Spiel. Die Mediation ist anders! Deshalb kann schon die Fragestellung im Titel dieses Beitrags keine mediative Frage. Sie zielt auf eine Lösung ab, nämlich darauf, den Gegner an den Verhandlungstisch zu bekommen. Um die Frage zu beantworten, wie man die Parteien an den Verhandlungstisch bekommt, würde sich ein Mediator auf die Motive der jeweiligen Partei konzentrieren. Er würde hinterfragen, was die Partei zu einem Gespräch bewegen könnte. Dabei setzt er den Fokus weit hinter das Problem:

"Wie sähe die Welt für Sie aus, wenn alles in Ordnung wäre? Was wäre dann anders?"
Oder: "Was muss passieren, damit Sie Ihren Frieden finden?" Gegebenenfalls: "Wäre es nicht schön, wenn der Streit im Frieden / in der Beruhigung / in einer intakten Beziehung / ... aufgeht?"


Solche Fragen können eigentlich nur bejaht werden. Wer will das nicht? Es gibt jedoch ein "Aber", das sich oft in der Ablehnung verbirgt. Das Aber ist die erlebte Realität. Sie kann einseitig und falsch sein. Trotzdem ist es wichtig, diese Welt nachzuvollziehen, um sich darauf einlassen zu können. Es ist wichtig, das Aber zu verstehen. Im Aber finden sich die Hinweise auf die Motive zur Ablehnung der Gespräche. Pauschal bietet sich die folgende Rückmeldung an:

"Sie meinen, es wäre schon gut, wenn es Frieden / Ruhe / eine intakte Beziehung / usw. gäbe. Sie denken aber, das sei (mit dem Gegner) nicht möglich / den Aufwand nicht wert / zu gefährlich / ... ?" Oder: "Sie sagen dazu sei es jetzt zu spät."


Die Antwort ergibt Hinweise auf die Motive. Motive ergeben für den Mediator stets einen Anhaltspunkt für den nächsten Schritt. Er könnte, wenn der in der Ferne liegende unwahrscheinliche Nutzen eingestanden wird, die Kompetenz der Mediation herausstellen, indem er z.B. fragt:

Was muss geschehen, damit die Gegenseite (die Partei) über alle Informationen und Erkenntnisse verfügt, die es ihr erlauben, eine alle Möglichkeiten und Aspekte der Konfliktlösung umfassende Entscheidung für den optimalen Weg der Konfliktlösung zu finden?


Schon die mediative Fragestellung weist den anderen Weg. Sie entwickelt die Lösungen aus dem Idealbild, nicht aus der Dystopie.

Leider wird die Andersartigkeit der Mediation oft übersehen. Sie wirkt sich nicht nur auf das Verfahren und die zu findende Lösung, sondern auch auf die Nachfrage nach der erforderlichen Unterstützung zur Konfliktbeilegung aus. Was oft übersehen wird, ist die Tatsache, dass die Mediation eine Hoffnung anbietet. Ihre Chance ist die Lösungsoffenheit. Das bedeutet nicht zwingend, dass von der vorgestellten Lösung abgewichen wird. Es bedeutet aber, dass eine bessere Lösung gegebenenfalls zu bevorzugen ist. Wer eine bessere Lösung ablehnt, hat etwas nicht verstanden.

Um die bessere Lösung zu finden, will die Mediation eine Klärung herbeiführen und dazu beitragen, dass die Parteien sich und den Gegner sowie alle Aspekte der Komplexität verstehen, um danach die sich daraus ergebende Entscheidung zu treffen. Erst aus diesem Verständnis heraus soll eine Lösung generiert werden, die das Problem nicht aufgreift, sondern überwindet.3

Was bedeutet es unter diesem Aspekt, wenn die Parteien ein Verhandeln unter Bedingungen stellen? Wollen sie damit zum Ausdruck bringen, dass ihre Lösung einer verstandesmäßigen Kontrolle nicht stand hält? Wollen sie sich Stärke einreden, die in der Mediation schon deshalb nicht erforderlich ist, weil der Mediator die Parteien stets als gleichwertig empfindet? Haben sie Angst vor dem Machtverlust, wenn die Vernunft regiert? Fürchten sie weitere Verletzungen?

Auch die Sorge, dass die emotionale Verfassung der Parteien in der Mediation übersehen werden könnte, ist unangebracht. Selbst wenn man Gefühle wie Rache und Wut gerne behalten möchte, ist das eine Option, mit der man sich auseinandersetzen kann. Der Mediator wird in diesen Gefühlen die Betroffenheit erkennen. Der Gegner erkennt darin den Angriff. Er übersieht die in der Betroffenheit zu findenden Lösungshinweise. Die Gefühle sind ein Teil des Spiels und werden ganz sicher nicht übersehen. Allerdings bewirkt die Verbalisierung der Emotionen und die Art und Weise der Gesprächs- und Gedankenführung, dass sich die Emotionen zwar zeigen, aber nicht ausleben können. Nur auf diesem Weg lässt sich das über die Emotionen zum Ausdruck kommende Interesse verhandeln, ohne sich von Argumenten verdrängen zu lassen. Nur so kommen die Sorgen in einer Art und Weise zur Sprache, dass sie auch gehört und gesehen werden.

Wenn es zur Ablehnung der Mediation kommt lautet die Frage: Wer weiß das schon?
Die nächste Frage lautet dann: Wer will das schon?

Eine Konfrontation hat durchaus Vorteile. In ihr lassen sich viele Informationen unterdrücken. Das kommt nicht immer ungelegen. Die Konfrontation liefert auch so schöne, einfache und leicht verständliche Argumente. Die Behauptung: "Das sagst Du nur, weil Du Populist bist und Dir aus der Situation einen Vorteil versprichst", wird zum "schlagenden" politischen Argument, bei dem offenbar niemand mehr genau auf die Fakten schaut. Wenn es auf das Verstehen ankommt, sind solche Vorwürfe nur Leerformeln. Sie werden wirkungslos. Spannend sind die dahinter verborgenen und verkappten ICH-Botschaften, die der Mediator heraushören kann.

Das Ziel der Mediation ist stets die Zufriedenheit. Um sie zu erreichen schaut die Mediation in die Zukunft. Sie weiß, dass Emotionen nicht bleiben wie sie sind. Sie weiß, dass sich alles verändert. Sie kann den Veränderungen eine Richtung geben, die alle Konsequenzen ins Kalkül nimmt.

Die konstruktiven Möglichkeiten

Es gibt also viele vermeintliche Gründe, eine Mediation abzulehnen. Statt die Partei oder den Gegner vom Gegenteil zu überzeugen, ihn zu ermahnen, zu überreden oder gar zu zwingen, wäre es nicht nur zielführender, sondern auch passender zur Mediation, sich auf die Nöte und Bedürfnisse und darüber auf den Bedarf der Partei einzulassen. Der Bedarf ist immer auf den Nutzen gerichtet. Die dorthin führenden Gedanken sind nicht jeder Konfliktpartei zugänglich. Das hat nichts mit Intelligenz zu tun, wohl aber mit der konfliktbedingten Wahrnehmung.

Nach Ansicht der Integrierten Mediation bedarf es deshalb bereits einer Mediation (als Methode), um die Parteien in eine Mediation (als Verfahren) zu führen. Genauer gesagt sind Elemente der Mediation erforderlich, um den Weg in das andere Denken der Mediation und die Bereitschaft zur Kooperation zu lenken. Dazu gehört das Herausstellen des Nutzens der Verhandlungen und die Offenlegung der Verhandlungsmotive. Wie bei dem Verkauf eines jeden anderen Produktes muss der Konsument erkennen, welchen Vorteil die Nachfrage für ihn hat, wie der Vorteil zu erreichen ist und was er nachfragen muss, um den Vorteil zu erzielen.

Parteien haben oft eine Lösung im Sinn und setzen die Durchsetzung der Lösung mit dem zu erzielenden Vorteil gleich. Die Mediation unterscheidet jedoch Lösung und Nutzen (Vorteil). Sie weiß, dass die Lösung (etwa der Sieg) noch lange nicht den erwarteten Vorteil (also den Gewinn) einbringt. Der in die Mediation führende Gedankengang hinterfragt deshalb die angestrebte Lösung, deren Qualität, den Vergleich mit anderen Lösungen und die Verwertbarkeit der jeweils möglichen Lösung.

Wer glaubt, die Lösung zu kennen, sucht nicht danach. Oft achten die Parteien auf die (naheliegende) Lösung, ohne den damit einhergehenden Nutzen zu hinterfragen. Ihr Fokus unterscheidet sich also von dem der Mediation. Die Parteien können selbst prüfen, ob die vorgestellte Lösung wirklich zielführend und nutzbringend ist. Die folgende Frage verdeutlicht das Problem:

Stellen Sie sich vor, Sie bekommen alles was Sie einfordern.
Haben Sie jetzt alles, was Sie brauchen?
Haben Sie jetzt Ruhe, ohne weiter belästigt zu werden?
Haben Sie Ihren inneren Frieden gefunden?
Haben Sie aufrechterhalten, was erhaltenswert ist ohne alles zu zerschlagen?
Trifft das auch auf das Folgejahr und in der Zeit danach zu?
usw.


Bei der Mediation steht stets der Nutzen im Vordergrund. Über den zu erzielenden Nutzen der Lösung erschließt sich der von dem Verfahren zu erwartende Nutzen. Man könnte also sagen, die Mediation ist das Verfahren, das den maximal möglichen Nutzen verwirklicht und die dazu passende Lösung sucht. Auf dieses Alleinstellungsmerkmal bezogen, gibt es kaum ein Verfahren, das der Mediation gewachsen ist.

Schwierig wird die Ausgangslage, wenn der Mediator keinen Kontakt zu der oder den Parteien hat. Noch schwieriger wird die Ausgangslage, wenn der Mediator Kontakt zu einer willigen Partei hat, diese aber den gemeinschaftlichen Entschluss zur Durchführung der Mediation mit der Gegenseite nicht herstellen kann. Die Idee der möglichen und notwendigen Nutzenoptimierung lässt sich den Parteien also gar nicht vermitteln. Die Problematik wurde im Beitrag Startprobleme bereits angedeutet. Ein Mediator denkt in kleinen Schritten. Seine einzige Frage lautet deshalb: Wie kann es möglich werden, mit der Partei ins Gespräch zu kommen? Folgende Optionen bieten sich an:

  1. Kommunikation über Multiplikatoren: Wenn die Parteien beispielsweise anwaltlich vertreten sind, genügt es den Anwalt zu überzeugen. Wenn er die notwendige professionelle Distanz zur Mandantschaft hat, wird er den Argumenten für und gegen eine Mediation zugänglich sein und diese gegebenenfalls sogar wünschen.
  2. Kommunikation über Vertrauensleute: Hilfreich kann es auch sein, eine Vertrauensperson im Umfeld des Gegners zu finden, die den Gegner von den wahren Absichten (nur ein) Gespräch zu führen, um die Situation besser zu verstehen, überzeugen kann.
  3. Kommunikation mit der Gegenseite: Wenn eine Partei der Mediation zustimmt, die Gegenseite aber nicht, bietet sich auf den ersten Blick eine direkte Kontaktaufnahme seitens des Mediators mit der Gegenseite an. Je nachdem wie hoch der Konflikt eskaliert ist, wird die Gegenseite möglicherweise dazu neigen, die Kontaktaufnahme als im Auftrag der Partei anzusehen. Die Kontaktaufnahme des Mediators könnte auf Ablehnung stoßen. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, die Gegenpartei von der Mediation zu überzeugen, wird sie sich für einen anderen Mediator entscheiden wollen.
  4. Information über Personen, die dem Gegner nahestehen: Dazu zählen Freunde, Verwandte oder Berater. Damit diese Personen sich über die Möglichkeiten der Mediation informieren können, mag Ihnen der Wiki to Yes Zugang für Freunde nahegelegt werden.
  5. Information über neutrale Instanzen: Wenn keine vermittelnden Personen zur Verfügung stehen, helfen neutrale Plattformen wie Wiki to Yes, dass sich die Gegenseite zumindest korrekt über die Möglichkeiten der Mediation in Abgrenzung zu anderen Verfahren und ihre Vorteile informiert. Hierfür bietet sich Wiki to Yes Zugang für Betroffene an. Dort finden sich Verweise auf Entscheidungshilfen wie z.B. die Abwägung der Vor- und Nachteile einer Mediation.

Die strategische Ausrichtung der Kontaktaufnahme sollte sich niemals auf eine Lösung des Problems konzentrieren, sondern allein darauf, wie der Gegner zu Gesprächen zu motivieren ist. Aus strategischer Sicht ist die Herangehensweise erfolgreich, wenn die Partei erkennt, dass es keine konfrontative Alternative mehr gibt. Hierbei mag eine systemische Sicht ausschlaggebend sein.

Beispiel 14585 - In Familiensachen, wie in der CochemerPraxis oder dem Altenkirchener Modell, haben unter der Regie des Gerichts (bzw. der Arbeitskreise in Cochem) dafür gesorgt, dass beispielsweise in Kindschaftssachen vor dem angerufenen Gericht eine Konfrontation nicht oder kaum noch möglich war. In Cochem hätte eine streitlustige Partei keinen Anwalt gefunden, der sich in Kindschaftssachen auf einen konfrontativen Streit eingelassen hätte. In Altenkirchen hatte der Richter seine Entscheidungsmacht eingesetzt, um eine Kooperation zu erzwingen.


Ein (von dritter Seite ausgeübter) Verhandlungsdruck kann also durchaus Erfolg versprechen. Aus diesen Erfahrungen heraus bieten sich noch folgende Möglichkeiten an, den Gegner (die Partei) an den Tisch zu bekommen:

  1. Manchmal ist eine Eskalation erforderlich, um eine Deeskalation zu erreichen. Die Eskalation muss also nicht unbedingt ein Problem darstellen, sie kann auch eine Chance sein. Keinesfalls sollte sie unkontrolliert, aus Verzweiflung oder dem Gefühl der Unterlegenheit erfolgen. Gegebenenfalls erfordert sie zuerst das Inner Game zu spielen und zu gewinnen. Die Eskalation darf sich nur auf das Gespräch, nicht auf die Lösung konzentrieren.
  2. Der strategische Weg in die Kooperation muss leicht gemacht werden. Der Weg in die Konfrontation muss vom Gegner als schwerer empfunden werden. Das gelingt nicht mit Drohungen. Wohl aber indem der Streit beispielsweise viel Arbeit, Unbequemlichkeit und einen hohen Zeitaufwand beim Gegner verursacht. Gleichzeitig muss ein Angebot vorliegen, wie der Konflikt auf kooperativem Weg einfacher zu lösen ist.
  3. Es wäre z.B. möglich, eine Klage vor Gericht anzustrengen und dem Richter anzudeuten, dass der fall nicht entschieden werden muss, wenn sich der Gegner kooperationsbereit zeigt. In der Klageschrift könnten entsprechende Hinweise platziert werden. Der Abnwalt ist dazu sogar verpflichtet.
  4. Man muss das System im Blick haben. Also allen potenziellen Anlaufstellen andeuten, dass sie entlastet werden, wenn sie helfen ein Gespräch zustande zu bringen.
  5. Es müssen Gesprächsregeln wier in der ((|1.Phase|1. Phase der Mediation)) festgelegt werden, um Risiken an der Teilnahme auszuschließen. Auch die Gestaltung des Gesprächs muss sich darauf einlassen. Gegebenenfalls kann die Mediation (zunächst) mit Einzelgesprächen durchgeführt werden.

Leider sind die Fälle und Beweggründe sehr vielfältig. Deshalb muss sich der Artikel auch für Individualiserungen öffen. Dafür stehen Ihnen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

  1. Fragen und Erfahrungen: Konkrete Fragen und Erfahrungen finden Sie auch im Frageforum oder im Problemlöser
  2. Weitere Vorschläge: Können Sie andere, ergänzende oder bestätigende Erfahrungen oder Vorschläge einbringen? Der Diskussionsbeitrag Wie bekomme ich den Gegner an den Tisch? soll dazu einladen, diese Ideen zu teilen. Möglicherweise helfen Sie damit der ein oder anderen Partei, den Weg in die optimalste Konfliktbeilegung zu finden.

Das Leben könnte so schön und einfach sein. Die Mediation führt in eine (friedliche) Auseinandersetzung mit sich und dem Gegner. Manchmal bedarf es der Auseinandersetzung mit sich, um den Weg in die Konfliktlösung zu erkennen. Das Phänomen wird mit dem Rumpelstilzcheneffekt beschrieben.4 Sie finden im Wiki viele Hinweise, wie man sich aus der Abhängigkeit des Konfliktes befreien kann. Gegebenenfalls können Sie auch konkrete Fragen und Fallstellungen im Problemforum einbringen.5

Arthur Trossen


3 Mit der Frage, wie das Problem die Lösung verhindert setzt sich der Beitrag zur kreativen Lösungsfindung auseinander.
5 Siehe Problemforum und Hinweise auf der Seite Problemlösen und Hilfestellungen

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